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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Michel, Wilhelm: Arbeiten von Theod.Veil & Gerh. Herms-München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0120

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INNEN-DEKORATION

schlagender und jeden überzeugender Brauchbar-
keit herzustellen. Sie glaubten die Zeit gekommen,
da die Errungenschaften an nutzkünstlerischer
Form sich so weit konsolidiert und verallgemeinert
haben, daß es wohl gewagt werden konnte, mit
dem Aberglauben zu brechen, als sei ein Eigen-
haus nur auf streng individualistischer Grundlage
möglich. Ihr Bestreben ging dahin, Häuser zu
schaffen, die sich, gleich den überall eingebürgerten
Vorrichtungen des internationalen Komforts, jedem
Kulturmenschen sofort durch ihre Zweckmäßig-
keit und ihre Durchdachtheit empfehlen müssen.
Ein hoher Durchschnitt von Wohnungskultur ward
zugrunde gelegt und alles an Bequemlichkeit und
Luxus, was innerhalb einer gewissen finanziellen
Schranke zu erzielen war, in diese Villen hin-
eingebaut. Die durchschnittliche Höhe der in
Deutschland errungenen Wohnungskultur lieferte
also bei diesen vier Einfamilienhäusern jene An-
regungen, die sonst die konkreten Wünsche des
Bauherrn liefern. Es ist in der Tat nicht einzu-
sehen, welche Hinderungsgründe einer solchen
maßvollen »Industrialisierung« des Eigenhauses im
Wege stehen sollten. Man muß nur zusehen, wie

jedes Volk, jedes Land für sich einen bestimmten
Typ seines Wohnhauses erzeugt und diesen immer
wieder mit stets gleichem Behagen variiert, weil
er eben nationale Form ist, aus Volkskräften und
Landesbedingungen hervorgegangen und über-
zeugend für jeden, der diesem Volke, diesem
Lande angehört. Selbst die im Programm streng
individualistischen Eigenhäuser der letzten Jahr-
zehnte hielten sich dennoch allemal enge an den
nationalen Typ. So ging es auch in Holland, so
in England, so in allen Ländern, die einen mo-
dernen Familienhaus-Typ erzeugt haben.

Man kann es geradezu als die modernere Auf-
fassung bezeichnen, daß die Individualität eines
Wohnhauses nicht im Architektonischen zu suchen
sei, nicht so sehr in den Formen der Möbel und
Einrichtungsstücke, sondern in der Art, wie der
Bewohner seinen Geist und seine Lebensstimmung
innerhalb der gegebenen, durch nationale Ge-
wohnheit bestimmten Formen zur Geltung bringt.
Dieses allein, die »Atmosphäre« des Hauses, ist
sein unveräußerliches Eigentum; und das ist nicht
wenig, wenn man bedenkt, wie rasch und herrisch
sich gerade die Atmosphäre, der Geist des Hauses
 
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