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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Weiß, Hermann: Von der Standesbewegung der Kunstgewerbezeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0223

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INNEN-DEKORATION

211

MIM









II. PREIS. MOTTO: »HEIMISCH«. ENTWURF: R. KOEPSEL—BIESDORF. KÜCHE MIT GESCHIRR-SCHRANK IN EINER ARBEITER WOHNUNO

rufen, daß der Stand der
Zeichner bisher leider
dazu verdammt war, eine
wenig beneidenswerte
Rolle zu spielen. Er wird
vonseiten der schöpfe-
risch tätigen Künstler,
mehr aber noch von ihren
Anhängern nicht für voll
angesehen. Er ist der je-
derzeit erreichbare Prü-
gelknabe, der für all und
jede Geschmacksgreuel
ohne große Bedenken
verantwortlich sein muß,
wobei selten danach ge-
fragt wird, ob das ge-
recht ist. — Auf der an-
deren Seite wird er vom
kaufmännischen Unter-
nehmer des durchschnitt-
lichen Types als der
unliebsamste Spesen-
macher im Betriebe emp-
funden und —bewertet.
Es ist nicht ganz unrecht,
was einmal Karl Scheff-
ler über die Zeichner
schrieb: »Der Zeichner
nimmt nicht nur sozial
und wirtschaftlich, son-
dern auch gesellschaft-
lich eine problematische
Stellung ein. Er ist nicht
Handwerker,nichtKünst-
ler, nicht Industriearbei-
ter, trotzdem er alles
dieses sein soll.« — »Es
ist nicht gut, wenn der
Mensch nicht weiß, wo-
hin er in der sozialenGe-
meinschaft gehört. Der
Zeichner ist für den In-
dustriearbeiter der Herr,
für den Handwerker der
Künstler, für den Künst-
ler der Handwerker und

r

MOTTO: »HEIMISCH«. MÖBEL F. WOHNZIMMER, KOCHE U. SCHLAFZIMMER

für den Fabrikanten der
bessere Handlungsge-
hilfe.« . . . Der »besse-
re« Handlungsgehilfe!
Wenn wenigstens das
noch stimmen würde; in
Wirklichkeit gilt für sehr
viele Fabrikanten der
Kontorist mehr als der
Zeichner. Dementspre-
chend sind auch die wirt-
schaftlichen Verhält-
nisse. Ein großes Über-
angebot von Arbeits-
kräften fördert eine un-
ausgesetzte,unerbittliche
Auslese, die Arbeits-
teilung und -Spezialisie-
rung bringen eine fast
unerträgliche Monotonie
in die Arbeit; dabei
steigen die Ansprüche
an die quantitative Lei-
stungsfähigkeit ins Un-
gemessene. Die Entloh-
nung ist schlecht. Von
je 100 Zeichnern haben
nur 5 ' h ein Einkommen
von mehr als 3000 Mk.
jährlich und nur 21/2
vom Hundert verdienen
mehr als 3600 Mk. Das
Gros der Zeichner aller
Branchen bewegt sich in
den Einkommensgrenzen
von 1200—2400 Mk.
Dabei fehlte dem Berufe
bisher ein alles verbin-
dendes Standesgefühl.
Er ist wirtschaftlich und
sozial stark differenziert
und die einzelnen Glie-
der strebten immer aus-
einander, statt zueinan-
der. — Daher ist es ein
Glück, daß sich das
Standesbewußtsein der

1912. V. 4.
 
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