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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Zimmermann, Ernst: Von der Freude am Edel-Material
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0316

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304

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT H. KOPF—FRANKFURT. LANDHAUS
FRL. DR. W1NTERH ALTER U. OTTILIE RÖDERSTEIN

fällige harmonische Reize doch meist
weit geringer sind, als die des einfachsten
Dorftümpels, der einfachsten Wiese,
des simpelsten Waldsaums. Daher
auch das traurige Schicksal jener Künst-
ler, die ganz vereinsamt, jene einfache-
renSchönheiten schon wieder empfanden
und, von allen unverstanden, auf ihre
Leinwand hatten bannen wollen, die wir
doch heute als die Begründer unserer
neueren, wieder gesundeten Malerei
empfinden .... Das Gegenständ-
liche hat eben in dem Naturempfinden
des 19. Jahrhunderts die gleiche über-
wiegende Rolle gespielt, wie in der
Kunst. Doch ebenso charakteristisch ist
es, daß damals auch die, man möchte
sagen, naive Freude an den edleren
Stoffen fast völlig verloren gegangen
war, die uns die Natur in wahrlich nicht
verschwenderischer Fülle in den Schoß
schüttet, deren Wert aber nicht zum
wenigsten in ihren rein ästhetischen
Wirkungen liegt. Das Zeitalter der die
reizvolle Handarbeit verdrängenden
Maschine ist ja, wie bekannt, auch das
der alle stofflichen Qualitätsunter-
schiede verwischenden Surrogate ge-
wesen. Man empfand nicht mehr künst-
lerisch fein genug, um, wie einst, jenen

großen Abstand von ihren Vorbildern
zu entdecken, und so sind damals eine
ganze Reihe der besten unter den edlen
Stoffen der Natur, die noch das 18. Jahr-
hundert so überaus liebevoll in künst-
lerischer Weise zu behandeln gestrebt
hatte, dem Reich der Künste völlig
entwichen; andere haben einen schwe-
ren, verzweifelten Kampf führen müssen
mit ihren wohlfeileren, aber minderwer-
tigeren Nachahmungen. Und nur wo
der rein materielle Wert derartiger
Stoffe zu auffällig war, so vor allem bei
den Edelmetallen und vielem, was zum
Schmuck unbedingt nötig war, da blieb
man bei der alten Gewöhnung, da ließ
die frühere Wertschätzung nicht nach.
Kann man sich aber darüber wirklich
wundern in einer Zeit, in der man sogar
die schönsten und sinnfälligsten Einzel-
erzeugnisse der Natur, die Blumen
wahrhaft mißhandelte, indem man sie
zu Wagenrädern und Rückenkissen,
was ja nicht allzuviel kostete, zusam-
mendrängte und so völlig um ihre wirk-
lich feineren Reize brachte? Ein wahres
Glück, daß diese Zeiten jetzt ihrem
Ende entgegengehen und daß nun wie-
der langsam eine richtige, gesunde
Freude an den edleren Stoffen
der Natur in uns erwacht. Auf allen

H. E. KOPF-FRANKFURT. EINGANG DES LANDHAUSES WINTERHALTER U. RODERSTEIN
 
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