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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Widmer, Karl: Von der Einrichtung des Speisezimmers
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0447

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INNEN-DEKORATION

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Tischgäste unter einander ist unmöglich; man muß sich
ja schon den Hals verdrehen, um mit seinem Rechts und
Links sprechen zu können. Viel vornehmer und intimer
ist der runde Tisch — wie dies schon das Wort: Tafel-
runde ausdrückt. Aber freilich, um eine große Gesell-
schaft unterzubringen, dazu ist der lange Tisch prak-
tischer. Darum wird der Ausziehtisch das Feld behaupten,
so lange unsere gesellschaftlichen Sitten uns zwingen, un-
sere Eßzimmer von Zeit zu Zeit in einen Wirtsraum zu
verwandeln. Eine kleine Verbesserung ist der o v a 1 e Aus-
ziehtisch. Aber das Ideal des Eßtischs bleibt doch der
runde Tisch, das Urbild des Familientisches, gerade so
wie das Ideal der Geselligkeit der kleine Kreis bleibt; so
wie es etwa Menzel in seinem Bild von der Tafelrunde in
Sans-Souci schildert. Auf den Tisch als Mittelpunkt des
Eßzimmers muß natürlich auch die Beleuchtung kon-
zentriert werden. Für den häuslichen Abendtisch ist die
Hängelampe das zweckmäßigste und gemütlichste. Am
festlichsten bei großer Gesellschaft wirkt die Beleuchtung
durch Kerzen oder Lampen, die auf demTisch selbst stehen.
Unter den weiteren Ausstattungsstücken der Eßzimmer
wäre noch die Uhr zu nennen: am besten eine behagliche
Standuhr in einem sorgfältig gearbeiteten Holzkasten. —
Wenn also die praktische Bestimmung des Eßzimmers
seinem Raumcharakter eine feste und einheitliche Grund-

lage gibt, so bleibt doch noch Spielraum genug für eine
reiche Abstufung der künstlerischen Ausbildung: von
dem einfachen Eßzimmer des bürgerlichen Wohnhauses
bis zum eleganten Speisesaal in einem Schloß. Außer
den persönlichen Bedürfnissen, die sich aus der Lebens-
stellung und den Ansprüchen des Besitzers ergaben,
sprechen hier auch nationale Liebhabereien mit. Der
französische »Salle ä manger« ist ausschließlich Speisezim-
mer, ebenso wie der englische »Dining-room«. Sie werden
nach der Mahlzeit sofort verlassen. Der Deutsche liebt
es wohl, seinem Eßzimmer einen wohnlicheren Charakter
zu geben durch Sitznischen, Sofaecken mit einem kleinen
Tischchen, an dem der Kaffee eingenommen wird, durch
Fensternischen mit dem Frühstückstisch usw.

Für die reichere oder einfachere Wirkung des Raumes
spielt natürlich das Material und seine Farbe eine Haupt-
rolle. Zu feinsten gehört immer die durchgeführte Holz-
vertäfelung. In der Stimmung hält man jetzt wieder die
richtige Mitte zwischen dem schweren Ton des Renais-
sancestils mit dem dunkel - gebeizten Eichenholz, den
Ledertapeten usw. und der nüchternen Helligkeit, die
als Reaktion dagegen eine Zeitlang auf die Spitze getrieben
wurde. Das Speisezimmer soll leicht und freundlich und
doch warm in der Stimmung sein. Mit gutem Grund kehrt
man wieder zu den polierten Hölzern — Nußbaum, Kirsch-
 
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