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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Jaumann, Anton: Das Ziel der neuzeitlichen Wohnungskultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0468

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456

INNEN-DEKORATION

K. BERTSCH. AUSF.: DEUTSCHE WERKSTATT.—HELLERAU EMPFANGS-SALON. MÖBEL: MAHAGONI POLIERT

DAS ZIEL DER NEUZEITLICHEN WOHNUNGS-KULTUR

Die ästhetischen Probleme der neuzeitlichen
Raumkunst scheinen im allgemeinen erledigt,
alle Möglichkeiten der Form, des farbigen Gesamt-
bildes haben wir durchgegangen. Gibt es eine Raum-
gestaltung, eine Farbenkombination, eine Form
der Möbel, eine Art des Schmuckes, die irgend-
einer unserer Innenarchitekten oder entwerfenden
Zeichner noch nicht gebracht hat? Das Eigentüm-
liche im heutigen Betriebe liegt ja darin, daß, wie
in der »freien« Kunst, Probleme gesucht werden,
daß sich eine Gruppe von Künstlern um ihre Lösung
bemüht (es gibt gleichzeitig in Deutschland min-
destens ein Dutzend solcher Gruppen), und daß,
wenn dieses formale Problem bewältigt, nach
ein paar Varianten das Feld verlassen wird.
Wie eine Schar Nomaden ziehen die Künstler
von Weide zu Weide. Ein typisches Beispiel
ist die moderne Ornamentik. Welche Unzahl
von Formen und Stilen, wie viel wirklich
Schönes und Reifes ist da entstanden. Statt
aber das Gewonnene ruhig und wählerisch zu
verwerten, wie es die Technik tut, spielt man

wieder mit den Formen der Vergangenheit. Viel-
leicht, wenn wieder 50 Jahre vergangen, wird
man erst einsehen, was für einen Reichtum an künst-
lerischem Gut die »Moderne« vom Jahrhundert-
anfang doch gezeitigt hat. — Wie dem Ornament,
erging es der Wohnungskunst überhaupt. Sie ge-
riet von einem Problem ins andere, die Richtungen
und Stile überstürzten sich. Wir hatten eine voll-
kommen brauchbare moderne Formensprache als
Grundlage für eine einheitliche moderne Woh-
nungskunst: die ruhige, reife Formengebung, die
gewählten Farben, die wir den Verirrungen des
Jugendstils folgen sahen. Was noch fehlte, mußte
und konnte durch stetes Weiterbauen noch erreicht
werden. Statt dessen ist man andern Gesichten
nachgegangen. Was gegenwärtig herrscht, sind
Barock, Louis-seize,Biedermeier,Deuzieme-Empire
und englisches Barock, ruhig und geläutert in den
Grundformen, mit reichem Schmuck, namentlich
in Schnitzereien. Manche behaupten, daß damit
die eigentliche »Moderne« ihren Abschluß ge-
funden hat und daß eine neue Zeit der Stilnach-
 
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