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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 52.1941

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Vom Sinn struktiver Formen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12314#0364

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356

IN NE N-DE KORATI ON

Sprosseneinteilung, nirgends ein lebhafteres Profil;
statt unsrer Sessel und Sofas einfache Polster am
Boden oder niedere kastenartige Podien, an der Wand
höchstens ein schmales Rollbild. Alles schickt sich
zart und sanft zueinander mit bestimmten, kargen,
gleichsam geflüsterten Formen, die auf ein lautlos
dahinhuschendes Leben der Bewohner abgestimmt
scheinen. Am nächsten kommt der Eindruck dem,
was wir eine Zeitlang in unsren Wohnräumen als die
neue Sachlichkeit kultivierten. Aber im Innern ist ein
großer Unterschied. Für unsern Wohnraum war das
Sachliche eine Art Fastenkur, es kam mit reichlich
viel gewollter Straffheit und nicht ohne Kinnbacken-
krampf einher - während diese ostasiatische Sach-
lichkeit durchaus auf innerer Dämpfung, auf echter
lächelnder Bescheidung beruht.

Betrachtet man den edlen Wohllaut in einem sol-
chen Räume, so wird verständlich, weshalb japa-
nische Möbelgestaltung auf die europäische Wohn-
kunst der 90er Jahre eine Zeitlang so stark einwirken
konnte. Aber mit Recht blieb diese Einwirkung auf
wenige Jahre beschränkt. Der europäische Begriff von
Würde, von Repräsentation und Behagen liegt in völ-

lig andrer Richtung. Nicht das Verschweigen ist Ge-
setz unsrer Geste und Dinggestaltung, sondern der
Ausdruck; und dieser Unterschied geht letzten Endes
auf unser naiv-argloses Vertrauen zur Natur und zu
unsern Seelenregungen zurück. So ist die Profilarmut
in Europa ein fremdes Element. Im ganzen gehört das
profilierte Möbel wesenhaft zur europäischen Wohn-
gesinnung. Das Empfinden, das in der ausladenden
Form liegt, stimmt mit dem ausladenden, leiden-
schaftlichen, lebensgläubigen Wesen des Europäers
zusammen. Wir sehen in Jahrhunderten starker Vi-
talität das Profil üppig aufleben. Mit steigender Kurve
der Lebensgefühle (Renaissance, Barock) werden die
Profile saftiger, körperlicher, wuchtiger. An den Fül-
lungen von Renaissanceschränken zehrt das Profil
der Rahmenelemente oft das Feld der Füllungsfläche
fast völlig weg. Plastisch-figürliches Leben sprießt auf
und überwuchert das ganze Gebilde, oder dieses wird
gänzlich als ein Gefüge von tektonischen Gliedern
gestaltet, so daß hinter Säulen- und Pfeilerstellungen,
Arkaden, Nischen, Kanneluren die Sachform des
Möbels fast verschwindet. Ebenso gehört es zu unsrer
Dinggestaltung, daß das Strukturelle ausdrücklich be-
 
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