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Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik — 27.1913

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Liesegang, Franz Paul: Der gegenwärtige Stand der Kinematographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.45029#0069

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Der gegenwärtige Stand der Kinematographie.

zu schaffen: die Großen fressen die Kleinen. Um die den
Kinematographentheatern mit ihren sensationellen dramati-
schen Darstellungen vorgeworfenen moralischen Schädi-
gungen erfolgreich bekämpfen zu können, hat man Wander-
kinematographen herausgeschickt, die dem Volke einwand-
freie Programms zugänglich machen sollen; ferner hat man
die Einrichtung städtischer Lichtspielhäuser in Erwägung
gezogen, an einigen Stellen auch bereits ausgeführt. Viel-
fach aber arbeiten die bestehenden Theater mit der Lehrer-
schaft und Vereinen Hand in Fland, indem sie Schüler-
vorstellungen und wissenschaftliche Abende veranstalten.
Solche Vorführungen würden noch erheblich an Wert ge-
winnen, wenn man sie noch mehr, als es bisher geschieht,
durch sachgemäße Erläuterungen ergänzte.
Die Filmfabriken haben sich ebenfalls um ein be-
deutendes vermehrt. In Deutschland macht man endlich
große Anstrengungen, um mitzukommen. Die Produktion
an Films wird jetzt auf 600000 m tagtäglich geschätzt, wo-
von etwa 100000 m auf Pathe Freres entfallen. In Nord-
amerika sollen allein 180000 Personen in'der Filmfabrikation
beschäftigt sein, und man berechnet, daß dort etwa eine
Viertel Milliarde Mark in dieser Industrie stecken. Die Ge-
sellschaften besitzen zum Teil gewaltige Anlagen, wo alle
für die dramatischen Aufführungen erforderlichen Aus-
rüstungen zur Verfügung stehen; sie lassen sich die Auf-
nahmen, welche nicht selten 1000 oder gar mehrere tausend
Meter lang sind, ungeheuere Summen kosten, zuweilen in
die icoooo Mk. oder noch mehr. Schriftsteller von Ruf
finden heute nichts Anstößiges mehr darin, Filmstücke zu
schreiben, noch auch berühmte Schauspieler, vor der kine-
matographischen Kamera zu spielen.
Die Filmfabriken arbeiten für die Theater, die Theater
aber wollen „Schlager“, und das sind Dramen oder humo-
ristische Darstellungen., Lehrhafte Films, Naturbilder und
wissenschaftliche Aufnahmen versprechen nicht den großen
Absatz — kein Wunder, daß sie zurückstehen müssen.
Immerhin liegt ein ganz beträchtliches Material an aus-
gezeichneten lehrhaften Films vor, so daß an die Verwertung
des Kinematographen im Unterricht gedacht werden könnte.
So viel Propaganda durch Wort und Tat nun dafür ge-
macht wird — auch das preußische Unterrichtsministerium
läßt Versuche unternehmen —, so wünschenswert die all-
gemeine Einführung des Apparates in die Schule auch er-
scheint, man darf doch nicht vergessen, daß der Lehrplan
besondere Anforderungen an Inhalt und Umfang des Films
 
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