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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Editor]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 4,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Tauberbischofsheim (Kreis Mosbach) — Freiburg i.Br., 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.1372#0036

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AMT TAUBERBISCHOKSHEIM. — GERLACHSHEIM.

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schneiden. Kräftige Pilastervorlagen mit entzückenden Rococo-Kapitellen steigen von
den Arkadenpfeilern an der Wand empor und durchbrechen mit Verkröpfung das unter
den Fenstern sich entlang ziehende jonische Gebälk. Sie tragen die Gewölbanfänger
und gliedern zugleich die schlicht gelassene Wand des oberen Lichtgadens. In ähnlicher
Weise dienen Pilaster zur Stütze der Kreuzgewölbe in den Seitenschiffen. Reiches
Stuck-Ornament überzieht Grate und Flächen der Wölbungen. Die üppige, phantasie-
volle Gestaltungskraft und die technische Sicherheit der Rococo-Stuccateure gelangen
hier zu voller Wirkung. Figürliches und Ornamentales, Fruchtstücke und Rahmenwerk,
alles gleich zierlich und mannigfaltig, mit raffinirter Berechnung des Reliefs und der
Wirkung an der betreffenden Stelle. Gegen die leichte Färbung dieser Theile (Decke
weiss, Stichkappen hellgelb) stechen die farbigen, zum Theil sehr nachgedunkelten Bilder Maiereien
etwas zu kräftig ab; sie gehören aber zum Gesammtbilde und machen als dekorative
Arbeiten ihrem Urheber alle Ehre. Als solcher nennt sich am Chorbilde (Triumph des
h. Norbert) und am mittelsten Bilde im Schiffe: IOSEPH GRV VERONENSIS, ein
sonst nicht bekannter Maler, der sich in unsern Bildern ganz an die flotte und festliche
Manier eines Tiepolo oder Johannes Zick anlehnt. Die Jahreszahl 1742 am grossen Decken-
bilde des Chores beweist, dass nach der Einweihung noch lange an der inneren Aus-
stattung gearbeitet worden ist. Die minderwerthigen Gemälde in der Kuppel und an
der Querschiffsdecke scheinen von einem andern Meister herzurühren.

In Uebereinstimmung mit dem reichen dekorativen Gewände des Innern steht die Altäre
übliche Ausstattung des Gotteshauses mittelst Altären, Kanzel, Gestühl u. dergl. Ein
Blick auf unsere Lichtdrucktafel II lässt auch hier die Anbringung von Altarcoulissen
erkennen, die in dem mächtigen Aufbau des Hochaltars ihren Abschluss finden, doch
fügt sich hier Alles organisch in Stil und Verhältnissen zusammen, während in der alten
Kirche zu Bronnbach (vergl. Theil I, Tafel III) die zopfigen Altäre den Gesammteindruck
des herrlichen romanischen Mittelschiffs sehr beeinträchtigen.

Der Hochaltar erscheint als reiches Prunkstück, aber ohne Originalität und rechte
Wirkung, trotz der herrlichen bunten Intarsien, mit welchen die mensa überdeckt ist und
trotz des Reichthums an figürlichem Schmuck und Goldverzierungen, die bis zur Decke
aufsteigen. Vier farbige Stuckmarmorsäulen theilen das Altartabernakel in üblicher
Weise in drei Theile. In der Mitte befindet sich innerhalb eines schön geschnitzten
Rahmens ein grosses Gemälde, das je nach den christlichen Festen ausgewechselt wird;
künstlerisch unbedeutende Arbeiten.

Dem Hochaltar zunächst kommen an Grösse und Pracht die beiden Seiten-
altäre im Kuppelraum, von denen der rechtsseitige den Körper des h. Clemens birgt.
Als Seitenstücke behandelt und doch in allen dekorativen Einzelheiten abweichend, dürfen
sie als Musterleistungen ihrer Art bezeichnet werden. Dasselbe ist bezüglich der vier
übrigen Seitenaltäre in den Arkaden des Mittelschiffs der Fall, welche paarweise als
Seitenstücke im Aufbau und Schmuck, freilich wesentlich einfacher, behandelt sind.

Ein Prachtstück üppigsten Rococostils ist die Kanzel mit zahlreichen Freifiguren Kanzel
vor der Brüstung und auf dem sich kühn aufbauenden Schalldeckel (s. Tafel III).

Was dieses Werk vor ähnlichen, besonders auch vor der Kanzel der unweit gelegenen
Amorbacher Kirche auszeichnet, ist die ruhige und klare Führung der Hauptlinien, die trotz
des Reichthums an figürlichen und ornamentalen Zuthaten stets zur Geltung kommen. Ueberhaupt
ist der Eindruck der Gerlachsheimer Kirche der einer vornehmen Eleganz, gegenüber dem etwas zu.
 
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