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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Editor]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 4,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Tauberbischofsheim (Kreis Mosbach) — Freiburg i.Br., 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.1372#0206

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j.g2 KREIS MOSBACH.

Lebens- und Studienganges räthselhaften Aschaffenburger Meisters Mathaeus Grune-
wald verdanken, weiss von ihnen ebensowenig als Sandrart, der älteste »Biograph«
Grünewalds. Auch Ed. Neuhoff (Berner Inauguraldissertation s. a.) und Friedrich
Niedermayer (Repertorium 1884) kennen die Bilder nicht von Ansehen, sondern nur
aus Mittheilungen Eisenmanns, der merkwürdigerweise die Rückseite, die Kreuz-
tragung, dem Grünewald abgesprochen haben soll, die Urheberschaft des Meisters bezüg-
lich des Crucifixus dagegen ausser jeden Zweifel gestellt hat (Repertorium VII, 247 f.).
Zur Zeit werden unsere beiden Tafeln unwidersprochen und allgemein dem nur aus acht
Gemälden und einigen Handzeichnungen bestehenden Werke des Aschaffenburger Meisters
zugezählt und als solche auch vom jüngsten Grünewald-Biographen Franz Rieffei
(Zeitschr. f. christliche Kunst, Jahrg. X (1897) Sp. 72 f.) eingehend beschrieben. Was
ihre Stellung innerhalb der Entwickelung Grünewalds anbetrifft, so wird man sie allein
schon wegen des Vorkommens der Renaissanceformen auf der Kreuztragung jedenfalls
hinter den Isenheimer Altar, der von Renaissance noch keine Spur zeigt, setzen müssen.
Auch aus stilistischen Gründen glaubt Rieffei kaum an eine frühere Entstehung als
1518/19. Darnach müsste freilich der, wie wir sahen, vor dem Jahre 1504 gestiftete
Kreuzaltar lange ohne Mittelstück gestanden haben, da nicht anzunehmen ist, dass man
schon so bald die erste Altartafel durch eine neue ersetzt haben wird. Diese Schwierig-
keit würde sich unschwer lösen lassen, wenn man, der üblichen Datirung entgegen,
den Isenheimer Altar näher an 1493 heran, also mehr an den Beginn der Amtszeit des
Abtes Guido Guersi (1493 bis 1516) setzte, für den das Werk urkundlich ausgeführt
wurde. Dem steht aber wieder die Berliner Zeichnung der Verkündigung von 1512
entgegen, die Bayersdorfer unter allseitiger Zustimmung für unsern Meister als ein
Jugendwerk in Anspruch genommen hat, und auch Rieffei unbedingt vor den Isenheimer
Altar gesetzt wissen will. Ein Vergleich der beiden Figuren des Berliner Blattes (Ab-
bildung in dem Rieffel'schen Aufsatze Sp. 131/132) mit den ganz ähnlich gestellten
Figuren unseres Kreuzigungsbildes zeigt freilich sehr bedeutende Abweichungen, von denen
nicht alle, wie z. B. die gänzlich verschiedene Faltenbildung, auf Veränderungen der Technik
des Meisters zu schieben sein dürften. So erscheint z. B. der auf der Berliner Zeichnung
in acht Dürer'scher Weise beim Vorschreiten hocherhobene Hacken des hinten stehenden
Fusses auf unserem Bilde platt aufgestellt; auch die Zahl 5 ist auf jener Zeichnung
anders geschrieben, als auf unserer Kreuztragung. Am nächsten hat die Vordertafel
offenbar dem wahrscheinlich beim Brande der Residenz i. J. 1674 zu Grunde gegangenen,
durch Sandrart bezeugten Münchener Kreuzigungsbilde gestanden, das uns glücklicher-
weise durch den Sadeler'schen Stich (ungefähr von 1605) bekannt geworden ist. Schon
die übereinstimmende Schreibweise der Initialen: INRI in Renaissancekapitälen spricht
dafür (die Isenheimer Kreuzigung zeigt die älteren gothischen Minuskeln: inti), während
die Darstellung des Gekreuzigten in ihrem ausgesprochenen Naturalismus bei allen drei
Bildern bis auf Kleinigkeiten fast identisch erscheint. Eine vierte, unserm Meister von
Bayersdorfer, Eisenmann und Scheibler zugeschriebene Kreuzigung mit der Jahreszahl
1503 in der Schleissheimer Gallerie steht dieser Trias ziemlich isolirt gegenüber.

Für die Kreuztragung wird man vergeblich nach einem Anhaltspunkt in den
übrigen Werken Grünewalds suchen. An dramatischer Kraft und Einheitlichkeit bedeutet
sie den Höhepunkt seines Könnens; höchstens, dass die früher dem Hans Baidung zu-
geschriebene herrliche Zeichnung Grünewalds in der Albertina: die drei Lebenden und
 
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