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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Ostini, Fritz von: Die Franzosen im Münchener Glaspalast 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0037

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DIE FRANZOSEN IM MÜNCHENER GLASPALAST 1901

Von Fritz v. Ostini

Spät erst, anderthalb Monate nach Beginn der
Ausstellung, sind die Franzosen einge-
troffen. Dem Missbehagen darüber wird frei-
lich der Stachel genommen durch die her-
vorragende Schönheit der Kollektion, wie sie
„spät, aber doch" zu stände kam. Was Frische,
was strotzende Gesundheitsfülle angeht, bleibt
auch jetzt noch die Palme der Ausstellung
den Schweden, sonst aber, das muss man neid-
los, oder neidisch zugestehen, kommt der
französischen Abteilung des Glaspalastes keine
andere gleich. Wieviel vornehm abgeklärte,
wieviel solide, ernste, wahre, von nichts
weniger als von müder Dekadenz zeugende
Kunst! Und zwar bei den Alten, wie bei den
Jungen, was ganz besonders zu denken giebt!
Der nun bald siebzigjährige Akademiker Jules
Lefebvre mit seiner (nebenstehend abgebil-
deten „Yvonne" und der koloristische Himmel-
stürmer und typische Vertreter des „Salons
der Jungen", Paul Albert Besnard mit seiner
„Feerie intime" (s. S. 28) streiten sich um
die Palme. Neigt unser Empfinden vielleicht
auch dem Jüngeren zu, der mit diesem wunder-
vollen Stück moderner Malerei wohl das
Zeugnis seiner höchsten künstlerischen Reife
ablegt, auch die Freude an dem Kunstwerk
des Aelteren erfährt keine Einschränkung
durch irgend ein Bedenken. Besnard hat
das moderne Weib überhaupt gemalt, Lefebvre
die Pariserin im speziellen, jenen rassigen,
temperamentvollen, nervösen Typus einer
Frau, an dem vielleicht keine Linie des Ant-
litzes vor dem klassischen Schönheitskanon
bestehen kann und der doch bezaubernder
und gefährlicher ist als jeder andere. Vor
der Zartheit und Reinheit der Linien, mit
denen Lefebvre dieses durchgeistigte und
durchlebte Gesicht umreisst, fühlt man sich
versucht, den Namen Holbein zu nennen, so
wenig vielleicht sonst der kühle Pariser Kunst-
aristokrat mit dem tiefinnerlichen und schlicht-
bürgerlichen Augsburger Meister gemeinsam
haben mag. Besnards heimliche Zauberin,
die sich selber in der Stille ihres halbdunklen
Gemaches in der eigenen göttlichen Nackt-
heit ein Märchenschauspiel gönnt, entzückt
noch mehr, als durch den Reiz, mit dem dieser
schlanke, blanke, feinsinnliche Frauenleib ge-
schildert ist, durch die wundervolle Güte der

Malerei. Besnard, der sonst alle bunten
Herrlichkeiten der Iris auf der Palette führt,
hat sich dieses Mal auf ein paar Töne be-
schränkt, sattes, tiefes, warmes Schwarz und
Braun und die lichte Elfenbeinfarbe des
Fleisches. Aber welcher Wohlklang, welche
Fülle in diesen bescheidenen Farben ! Daneben
hängt A. Dechenauds hierunter abgebildetes
„Bildnis seines Vaters", ein Meisterwerk
gradsinniger, markiger Ehrlichkeit in der
Kunst, von einer so manierlosen, selbstver-
ständlichen Vollendung der Mache, dass man
von „absoluter Qualität" sprechen, dass man
sagen möchte: dieser Maler konnte diesen


a. dechenal'd bildnis seines vaters

Die Kunst für Alle XVII. 2. 15. Oktober 1901.

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