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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Oettingen, Wolfgang von: Die Pflege der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0052

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-s-s^> DIE PFLEGE DER KUNST — APHORISMEN <&W-

geschrieben, Ausstellungen angeordnet, Preise und für seine weitere Ausbildung mögen ihm
und Stipendien verteilt; da werden Hoftheater allerhand Erleichterungen bereitgestellt sein:
als Musteranstalten entwickelt; Aufträge von das ist die Aufgabe des Staates, so weit reicht
öffentlichem Interesse werden gegeben, Bauten seine Pflege. Nur denke man nicht, dass
errichtet, die Gebäude geschmückt. Schliess- damit den Künstlern, auf die es ankommt,
lieh ist es doch auch der Staat, der die Museen eine Richtung gegeben werde. Die Beherr-
u. s. w. zweckmässig verwaltet; und da die schung kleiner Talente ist ziemlich wertlos;
Staatsverwaltung als etwas Einheitliches zu der starke Genius, dessen Phantasie neue
denken ist, insofern sie auf der besten Kennt- Welten erschliesst und die schönste Blüte
nis und Beurteilung der vorhandenen Verhält- des menschlichen Geistes darstellt, lebt nur
nisse beruht, so muss doch wohl zugestanden in völliger Freiheit. Sein Wollen überfliegt
werden, dass der Staat in Wahrheit eine Pflege die Sorgfalt auch des besten Beraters; er wird
der Kunst ausübt. nicht beeinflusst, weil er unberechenbar, un-
Eine Art von Pflege, wird der Skeptiker zu- ergründlich ist. An ihm erlahmt die väter-
geben. Denn wären auch die Beamten, die im liehe Pflege; ihm kann nur gedient werden.
Räderwerk der Staatsmaschine die betreffende Und doch bedarf auch der Genius einer
Arbeit verrichten, durch Einsicht und Beharr- Pflege, aber er giebt sie sich selbst. Nichts
lichkeit immer so zuverlässig wie stählerne Gesundes und Tüchtiges besteht in dieser
Maschinenteile deutschen Fabrikates, ihre Welt ohne Gesetz: die Ehrfurcht vor dem
Energie würde doch nicht durchdringen, und seinigen, durch Intuition erkannten ist es, die
ihre Pflege- und Erziehungspläne, wenn sie der Genius pflegt, und insofern giebt es eine
sie ernstlich hegen, scheitern unfehlbar — Pflege der Kunst. Auf welche Weise der
woran? An der ätherischen Natur der Kunst. geniale Künstler sich zähmt und erzieht -
Der junge Mensch, der Beruf zu einer das zu untersuchen gehört nicht in den
Kunst zeigt, soll, wie oben gesagt, mit den Rahmen dieses Aufsatzes, darüber Vorschriften
nötigen Werkzeugen, den Elementarkennt- aufzustellen, ist überhaupt unmöglich,
nissen und -fertigkeiten ausgerüstet werden _

APHORISMEN
Alles wohnt hier zur Miete; was
aber der Genius einmal einlogierte, dem
lässt sich nicht so leicht kündigen.
*
Alles Grosse, Gewaltige, an das der
schöpferische Geist des Menschen, es
zu gestalten, herantritt, übt eine ihm
entgegenwirkende Kraft aus. Kann
jener es nicht bewältigen, so zieht es
ihn, wenn er es an sich gekettet, leicht
selbst ins Verderben.
Auf dem echten Lorbeerkranze
schimmern nicht allein die Tropfen
des Schweisses, sondern auch die
Thränen des Schmerzes.
Der Reichtum des Genies liegt nicht
sowohl darin, dass es mehr als andere
zahlen kann, sondern dass es stets in
solchen Münzen zahlt, die alle sein
eigenes Gepräge tragen.
*
L'art et surtout la poesie c'est un
jeu; mais un jeu avec les choses les
plus grandes, les plus serieuses et
rene xavier prinet -die kreutzer-sonate. effrayantes de la vie.
(Münchener Glaspalast 1901: Französische Abteilang) Joh. Jacob Mohr


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