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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Floerke, Gustav: Wie urteilte Böcklin über moderne Malerei?
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-!r-£ö> WIE URTEILTE BÖCKLIN ÜBER MODERNE MALEREI? <Ö£-»»

bei der Seele haben. „Wenn sie besser malen
könnten, thäten sie es schon" sagt, glaube ich,
Andreas Achenbach. Wer keinen Ueber-
fluss zu verzapfen hat für andere, der soll
doch davon bleiben. Nicht wie die Weiber
Kinder kriegen.
In Paris ist dies Naiv-Aussehen schon
wiederGeschicklichkeit, Berechnung. So einen
Körper ganz flach auf einen Teppich stellen
oder ähnliche unerwartete Witze — das zieht.
Das Publikum will ja nur Neues oder Chic,
Bizarrerie — darum ist meist schon ein
kapriciöses Modell für den Maler alles. Hat
er das gefunden, so hat er seine künstlerische
Specialität gefunden, so gut wie alle grossen
Franzosen.
„Ein Künstler kann so wenig eine Spe-
cialität haben wie eine Manier. Ein Streber
oder geschickter Handwerker muss sie haben;
denn er ist an ihr kenntlich, nur sie sucht
seine Art Kunstfreunde bei ihm. Ich sage
dies mit absichtlicher Beziehung auf moderne
französische Kunst. Ein Deutscher, der so
viel kann, der so weit durch ist, macht dann
etwas anderes, vielleicht nicht Besseres, aber
er will doch mehr. So ein Pariser, — nein!
Er bleibt stehen und wird eleganter Chic-
queur. Und das ist die Gemeinheit. Denn
wer so viel kann, weiss auch, dass es immer
noch ein Höheres, Künstlerischeres giebt. Aber


WALTER HAMPEL ES KLOPFT!
(Wiener Hagenbund)

ob damit ein „Hotel" und Tagesruhm bei der
„Nation" verbunden wären, weiss er freilich
weniger gewiss."
Diese phantasielosen rohen Kerle, die ein
Stück Natur heruntermalen können, sind um
so gefährlicher, je besser sie in ihrer Arbeit
sind. Dann läuft ihnen wieder alles nach,
was ihresgleichen ist. So hat der Knote
Courbet in Frankreich unendliche Verwirrung
und viel Schaden angestiftet.
Da sind mir die fleissigen Schafsköpfe
immer noch lieber. Das ist wie ein kleines
Bierorchester von zwei Geigen und einer
Flöte bescheiden und stillvergnügt
plötzlich fängt jemand daneben einen Trommel-
wirbel an, schleudert die Schlegel unterm
Bein durch etc. Damit macht er jene tot,
und alles hört nur ihn und staunt ihn an.

„Sie ahnen nichts von dem Zwingenden
in einem Kunstwerk, die /Modernen::, am
wenigsten die Franzosen. So ein Maler wett-
eifert mit dem photographischen Apparat.
Die Photographie giebt alles, darunter oft
das Unwesentlichste hervorragend gross und
wichtig, im Ton falsch, während der Künstler
sieht, wägt, begreift: hier ist das wichtig,
wesentlich, bedingt den Charakter der Er-
scheinung etc., — das macht er, weiter
nichts, und man hat doch und erst recht
eine Auffassung des Menschen, des Moments;
die Phantasie des Beschauers ist sicherer
geleitet und angeregter, als wenn ihr alle
Zufälligkeiten gleichwertig nebeneinander auf-
gebaut werden. Sich aussprechen und sich
deutlich aussprechen — je schneller, je wärmer
— das ist alles."
Die wollen Böcklin als den ihrigen rekla-
mieren, die Herren mit dem herabgebrannten
Lichtstumpen (die Impressionisten) ä laJosEPH,
den, der die Wände und Köpfe anzündet mit
seiner Glut? Diese affektierten Sozialisten,
die in Staub und Asche einhergehenden
Elegants gehen doch den nichts an!

Böcklin hat mit keiner dermodernen Maler-
schulen etwas gemein. Er wird nie danach
streben, eine Manier zu erfinden, auf welche
hin seine Bilder von Modemenschen gekauft
werden; er wird nie ein Stück Natur nach-
quälen, um glauben zu machen, er sei ein
Künstler, er wird das Geschichtenerzählen
und Witzemachen immer für die Aufgabe
eines Illustrateurs halten.

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