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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Brinckmann, Justus: Japanisches Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0111

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-j-£^> JAPANISCHES KUNSTGEWERBE <^n-

mit der Japan unsere Theeläden und Fünfzig-
Pfennig-Bazare und leider auch manches
unserer Kunstgewerbe-Museen versorgt, wird
man nicht leicht auf Geschmacklosigkeiten
stossen, wie sie der irregeleitete Japanismus
eine Weile in Deutschland und Oesterreich ge-
züchtet hat. Auf der glänzenden Millenniums-
Ausstellung zu Budapest konnte man noch
unter den Erzeugnissen der bedeutendsten
keramischen Manufaktur des Landes eine
Fülle abschreckender Beispiele dafür sehen,
wohin das völlige Missverstehen des Wesens
der japanischen Kunst führen kann. Japanische
Motive haben den Vertretern dieser zum
Glücke absterbenden, nur noch in dilettantischer
Kunstübung provinziell wuchernden Richtung
nur als ein Mäntelchen gedient, mit dem
man einmal der Abwechslung halber die
kunstgewerbliche Gliederpuppe neu aus-
staffieren könnte. Dem Mannequin ver-
mochte das neue Maskenkostüm aber nicht
zu neuem Leben zu verhelfen. Welche
bessere Aussichten sich auf den Wegen
eröffnen, auf denen jetzt vieler Orten in
Deutschland frische Gesellen frohgemut vor-
wärts streben, das zu erörtern gehört nicht


SHOYEN U Y F. M U R A MUTTERGLÜCK
F|g- 2 (Malerei auf Seide)

in diesen Zusammenhang. Unverkennbar
aber ist, dass, gleichviel ob bewusst oder
unbewusst, bei vielen dieser Jungen Kunst-
empfindungen und Erwägungen wirksam sind,
denen wir bei tieferem Einblick in das Wesen
der japanischen Kunst begegnen. Noch ist
die Zeit nicht gekommen, auch der Stoff zu
sehr verstreut, um diesen guten und reinigenden
Einfluss des Japanismus in unseren Tagen
in seinem Zusammenhange zu schildern. Wohl
aber mag es an der Zeit sein, ein Wort zu
Gunsten der japanischen Kunst einzulegen
gegenüber Männern, denen die Gewöhnung
an die Brille europäischer Kunstüberlieferung
das Auge kurzsichtig gemacht hat gegen andere
Kunst. Künstlern gegenüber würde es solchen
Wortes nicht bedürfen, wenn sie nur Gelegen-
heit hätten, echte japanische, von den
Japanern selber anerkannte Kunst zu schauen.
Aber die Gelegenheit dazu ist, in Deutschland
wenigstens, nicht eben häufig zu finden. Wo
sie sich bietet, würde eine Verständigung mit
dem Künstler auch dann leicht werden, wenn
er schon fest eingewurzelt wäre in den Boden
einer älteren Anschauungsweise. Aber bei
der grossen Menge, die Japan zumeist nur aus
der durch ihre Wohlfeilheit jeden europäischen
Wettbewerb schlagenden Weltmarktsware
kennt und diese Waren leider zu bewundern
sich gewöhnt hat, liegt der Fall schwieriger.
Sie muss versuchen, diese Eindrücke zu
verwinden, muss erst neu zu lernen anfangen
angesichts der schlichten und reinen Kunst
Alt-Japans.
Das japanische Kunsthandwerk steht weit
mehr als das unsrige unter dem Einfluss der
Künstler oder eigentlich der Maler, denn die
Malerkunst ist in Japan die beherrschende
und tonangebende Kunst. Für den Begriff
„ Kunsthandwerk" ein gutes deutsches Wort
gefunden zu haben, sind wir eine gute Weile
recht stolz gewesen erst allmählich ist
uns aufgedämmert, dass durch dieses Wort
eine künstliche Scheidung innerlich zusammen-
gehöriger Bethätigungen des Kunstschaffens
ausgedrückt, ja dass mit ihm eine in ihren
Folgen unerquickliche soziale Absonderung
festgelegt wurde. Japan kennt jene Scheidung
nicht und hat kein Wort für den Begriff
Kunstgewerbe.
Ein Vorzug, den niemand den Japanern
zu bestreiten versucht hat, ist „ihre mannig-
fache Technik von äusserster Feinheit und
Vollendung, die bestechend wirkt, als wäre
sie selber die Schönheit". Diese Worte des-
selben Kritikers, der das eingangs erwähnte
absprechende Urteil gefällt hat, erschöpfen
aber keineswegs das Thema. Wir müssen

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