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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Tschudi, Hugo von: Die Werke Arnold Böcklins (gest. 16. Januar 1901) in der Kgl. Nationalgalerie zu Berlin, [1]: (zur ersten Wiederkehr seines Todestages)
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0228

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■sr-5^> BOCKLIN IN DER NATIONALGALERIE <Ö*=*-

Werkes enthält. Aber es fehlt ihr durch-
aus die stark persönliche Note, sie ist in
einem klaren, feinen Ton gehalten und
wirkt wie eine Studie nach der Natur.
Vielleicht hat das die Bestellung erleichtert,
denkt man des Hallos, mit dem das Bild
bei seiner Aufstellung in Berlin empfangen
wurde. Erst bei der Durchführung bringt
Böcklin alle die Mittel in Wirkung, die dazu
dienen, den Raum fühlen zu lassen. Alle
Mittel? Nein. Gerade die Auswahl, die er
trifft, ist das, was seiner Kunst ihr eigen-
tümliches Gepräge giebt. Vor allem ver-
schmäht er beinahe völlig die reichen und
feinen Hilfsmittel zur Raumgestaltung, die
der modernen Malerei durch den Pleinairis-
mus erwuchsen. Dass sein scharfes Auge
diese Seite der natürlichen Erscheinungen
nicht unbeachtet gelassen, beweisen seine
früheren Werke. In der Berührung mit dem
italienischen Boden und der Schönfarbigkeit
der Primitiven findet er immer deutlicher
die seiner romantischen Anlage entsprechende
Darstellungsform. Sein Kolorismus wird im
Sinne der poetischen Ausdrucksfähigkeit ge-
steigert, aber keineswegs malerisch verfeinert.
Dass Böcklin, wie naive Bewunderer rühmen,
nun dem Himmel, dem Wasser, den Bäumen
und Blumen eine Schönheit der Farbe verleiht,
die nicht von dieser Erde sei, kommt gewiss
der beabsichtigten Märchenstimmung seiner
Bilder zu gute, geht aber auf Kosten der
Schönheit des Kolorits, das nicht in der In-
tensität, sondern in der Harmonie der Farben
besteht. Und es geht, wie schon gesagt, auch
auf Kosten der raumbildenden Funktion des
Kolorits, da das Wesen der Luftperspektive
eben in der Dämpfung der Farben durch das
umgebende Medium beruht. So wird er ge-
zwungen, statt mit zarten Uebergängen, mit
starken Kontrasten zu arbeiten. In den „Ge-
filden der Seligen" deckt ein mächtiger Wol-
kenschatten den Vordergrund. Blauschwarz
ist das Wasser, schwarzgrün das Laubwerk
der Pappeln und der Gebüsche wie der Rasen-
streifen am Ufer und im rechts ansteigenden
Felsen gähnt eine nachtschwarze Höhle. So
wird das Auge förmlich gedrängt, die sonnige
Ferne zu suchen, die zwischen den Baum-
stämmen durchblinkt und durch das kalte
Weiss und die harte Silhouette der Schwäne
im Vordergrund warm und weich erscheint.
Das sind die spezifisch malerischen Mittel,
die, mit der eben berührten gegenständlichen
Anregung sich gegenseitig bestimmend und
ergänzend, die Raumempfindung zu schaffen
haben.
Diese starke einheitliche Wirkung wird für

mein Gefühl wenn nicht gestört, so doch
jedenfalls nicht gehoben durch das Land-
schaftsidyll, das sich rechts über der Fels-
wand aufbaut. Wie der warme Frühlings-
wind die weissen Wölkchen über das Himmels-
blau treibt und durch die Weidenkronen bläst,
dass die silbern glänzenden Unterseiten der
Blätter im Lichte blitzen, wie die Sonnen-
strahlen in den dünnen Schatten des Thäl-
chens tupfen, aus dem ein Wässerlein nieder-
rieselt und an dessen Rand ein Faun sein
Flötenspiel klingen lässt, das ist entzückend
und echtester Böcklin, aber für den malerischen
Effekt des Ganzen ist dieses Stück Erde nicht
zwingend, obwohl die in dem unteren Teil
angeschlagene Stimmung hier noch einmal,
nur weniger festlich rauschend, wiedertönt.
Hierin erscheint die Skizze überlegen, in der
die ganze rechte Seite, ziemlich gleichmässig
dunkel gehalten, neben der hellen Ferne gar
nicht selbständig spricht. Dafür zeigen die
Pappeln ein lichtes, durch den Wolkenschatten
wenig gedämpftes Grün.
Zehn Jahre später hat Böcklin in der „Insel
des Lebens", dem heiteren Gegenstück der
Toteninsel, einzelne Motive und den male-
rischen Gedanken der Gefilde wieder auf-
gegriffen, ohne ihn indes zu einer konzen-
trierteren oder nur ebenso konzentrierten
Wirkung zu bringen.
(Der Schluss folgt)

GEDANKEN
Du klagst und sagst, es wäre viel
Zu bessern noch auf Erden.
Merk' dir: wenn d u nicht anders wirst,
Wird es nicht anders werden.
J. Man:
*
VOLKSKUNST
Der Kunstgenuss bleibt stets ein Festtagsschmaus,
Der schliesst Alltägliches von selber aus.
Weil Schwarzbrot oft den Reichen Leckerei,
Glaubt nicht, dass es beim Volke auch so sei!
A. Stier
*
SPÄTE ERKENNTNIS
Jung kann man sich genug nicht thun
An reicher Ueberladenheit,
Doch wird man alt, erkennt man bald,
Die Schönheit ist nur Einfachheit!
Max Bciver
*
AN EINEN KÜNSTLER
Was willst du, Schöpfer, über Undank klagen?
Ist dir's im ewigen Reifen nicht genug:
statt Frucht zu ernten — Frucht zu tragen?
W. v. Scholz

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