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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Schumann, Paul: Neue Skulpturen von Max Klinger
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0242

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-*-^> NEUE SKULPTUREN VON MAX KLINGER <^r>

in ihnen durchaus fern gehalten von jener
Novellistik, gegen die er in seiner Schrift
„Malerei und Zeichnung" so scharf zu Felde
zieht. Er giebt in ihnen auch nicht so scharf
ausgeprägte Charakter- und Stimmungsfiguren,
wie es die Kassandra und die neue Salome
sind, er will uns nur für den Menschen, für
den menschlichen Körper interessieren, „den
Kern und Mittelpunkt aller Kunst, an den
sich alle Beziehungen knüpfen, von dem sich
die Künste in der weitesten Entwicklung los-
lösen".
Am einfachsten tritt uns die Freude Klingers
am menschlichen Körper in dem Athleten
entgegen. Ein wirklicher Athlet, ein Künstler


MAX KLINGER ATHLET
Das Original im Besitz von E. Arnolds Hof kunsthandlang
(Gutbier) in Dresden

aus dem Variete, hat ihm dazu Modell ge-
standen; um für die Tiedge-Stiftung die
Gruppe des Dramas (Dresdner Ausstellung
1899) in Marmor auszuführen, hat ihn Klinger
einen ganzen Monat in seinem Atelier ge-
habt, um dort die ganze Pracht seines eben-
mässig gebildeten Körpers, die Vollkraft seiner
Muskeln und Sehnen, die elastische Wucht
seiner Bewegungen, die scharfe Bestimmtheit
seiner Umrisslinien in vollen Zügen in sich
aufzunehmen und sein Formgefühl an diesem
prachtvollen Manneskörper weiter auszubilden.
Nur eine Studie zu Grösserem ist der Athlet,
wie er vor uns steht; das Gesicht und das
eine Bein sind nicht durchgebildet, weil der
Künstler dabei nichts weiter zu lernen hatte,
aber doch vermögen wir dem Künstler die
Freude an dem kraftstrotzenden Körper, an
den voll ausgebildeten Formen und den Linien
voll nachzuempfinden, der Umriss kommt an
der Abbildung der ruhig, fast symmetrisch
dastehenden Gestalt fast noch mehr zur Gel-
tung als an dem in Bronze gegossenen Werke
selbst.
In einem starken Gegensatz zu dieser Studie
steht die Badende (S. 219). Es ist, als hätte
Klinger ein Beispiel für das geben wollen, was
er der Plastik als ihre besondere Aufgabe zu-
weist: „Die Plastik hat nur die geschlossene
formvolle Erscheinung nachzubilden, durch
die Isolierung als greifbare, räumliche Masse
muss jeder Punkt vollständig aufgeklärt und
durchgearbeitet werden. Nur dann kann sie
voll und schön wirken, wenn das Haupt-
gewicht auf der Klarheit und Schönheit, der
Zweckmässigkeit und Richtigkeit jedes ein-
zelnen Teiles für sich wie in seinen Be-
ziehungen zu den anderen beruht, wenn bei
Abgeschlossenheit der äusseren Erscheinung
trotzdem jeder Punkt seine Individualität be-
sitzt." Man sehe sich daraufhin dieses edle
Kunstwerk von allen Seiten an, wie die Ge-
stalt in voller Geschlossenheit vor uns steht
und wie der plastische Gedanke bis in alle
Einzelheiten klar und richtig durchgeführt ist.
Die Gestalt zeigt das Motiv des aufgestützten
Fusses. In der antiken Kunst war dieses
Motiv überaus beliebt, seitdem Lysippos es
bei seinem isthmischen Poseidon, bei der
Melpomene, dem Sandalenbinder, dem ruhen-
den Epheben und anderen Gestalten mit eben-
soviel plastischem Gefühl wie in reicher Wand-
lungsfähigkeit teils zur Darstellung der Ruhe,
teils zur Kennzeichnung der Kraft und
Majestät verwendet hatte. Klinger hat dem
Motiv eine neue fesselnde Wendung ab-
gewonnen. Er verwendet es als Motiv der
Ruhe: das Mädchen steht am Ufer, es hat

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