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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Gustave Moreau
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0291

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GUSTAVE MOREAU

Es mag auf den ersten Blick als eine etwas
schwierige Aufgabe erscheinen, einem so
vielseitigen und fruchtbaren Genie, wie es
der französische Maler Gustave Moreau
gewesen ist, in dem Rahmen einer kurzen
Skizze gerecht zu werden. Ist man aber
tiefer in sein Schaffen eingedrungen, hat man
die Gemälde des Meisters im Musee du
Luxembourg, in den Pariser Pri vat-Sammlungen
Hayem, Louis Mante, Ephrussi, Roux, Heri-
man nach und nach genauer kennen gelernt
und besonders auch das unlängst endlich der
grösseren Oeffentlichkeiterschlossene Moreau-
Museum eingehender studiert, so ergiebt sich
bald, dass das Werk des Künstlers doch mit
einem Blick erfasst werden kann. Denn
trotz der Verschiedenheit und der Menge der
von Moreau aus Geschichte und Sage behan-
delten Vorwürfe lassen sich gewisse Gruppen,
man möchte sagen Bildercyklen unterscheiden,
was die Uebersicht erleichtert.
Das Werk Moreaus erscheint zu einem
Teil in der That als eine verbildlichte Ge-
schichte der Menschheit und als eine Art
Gegenstück zu Victor Hugo's „Legende des
siecles". Aber im Gegensatz zu diesem ist
Moreau durchaus nicht programmartig dem
chronologischen Aufsteigen der Geschicke
gefolgt. In bunter Folge hat ihn bald dieses,
bald jenes Sujet, nicht zur sachlichen Ver-
arbeitung des betreffenden Stoffes, wohl aber
zur Verbildlichung nach der psychologischen
Seite hin gereizt und so sind, wie der Zu-
fall es eben wollte, die zahlreichen Schöpf-
ungen entstanden, welche dennoch in der
Gesamtheit, man darf sagen, eine Geschichte
des antiken Geistes von Prometheus bis
Herodias darstellen. Deutlich unterscheiden
lassen sich in ihnen drei grosse Cyklen: der
der Helden, der Cyklus „Der Dichter" und
der Bilderkreis: „Das Weib".
Leidenschaftlich hat Moreau die Helden ge-
liebt, als Sinnbilder der Tapferkeit und der
herrlichen Kraft, wie das Altertum sie be-
griff. Herkules steht unter ihnen obenan.
Ihm, dem Allbezwinger, gilt eine Reihe von
Bildern. Neben ihm erscheint ein anderer
Halbgott, aber ein besiegter und unglück-
licher: Prometheus. An den Bergesgipfel
gefesselt, wendet, leidensvoll, aber in ernster
und stolzer Majestät der Märtyrer sein Haupt
nach oben, unbekümmert um den Geier, der
ihm die Leber zerfleischt.

Auch „Oedipus" war dem Künstler ein Thema
für mancherlei Bilder. Aber dabei bleibt
Moreau nicht stehen. Andere Helden noch
ziehen an uns vorüber: Jakob, der mit dem
Engel bis aufs äusserste ringt, Moses, beim An-
blick des gelobten Landes seine Sandalen
lösend, der sterbende Darius; wir sind Zeugen
vom Triumph Alexanders und schliesslich
auch erblicken wir auf einem grossen Ge-
mälde, das als ein Hauptstück des Moreau-
Museums gelten mag, Odysseus auf der
Schwelle seines Palastes, die Freier mit Pfeil-
würfen tötend.
Die Fähigkeit, so aus Geschichte und Mytho-
logie mit richtigem Blicke das verkörpert
zu haben, was gleichsam die Seele des Alter-
tums ausmacht, zeigt sich auch im zweiten
Bildercyklus, der sich mit der Ueberschrift
„Der Dichter" umgrenzen Hesse. Galt doch
auch der Poet dem Empfinden des Altertums
als eine fast göttliche Verkörperung der Schön-
heit. Entzückende Schöpfungen sind es, die
sich in diesem Cyklus finden. Welch ergreifen-
des Bild beispielsweise „Der junge Dichter
und der Tod" oder auf einem anderen der
sterbende Ephebe, am Halse eines Centauren
hängend und von ihm längs des Meeres ge-
schleift. Dann wieder „Des Dichters Klage",
(man könnte glauben, aus diesem Bilde eine
Melodie Schumanns herausklingen zu hören,
dessen Kompositionen Moreau sehr liebte),
„Hesiod", dem die Muse den Weg weist,
„Tyrtäus", sterbend bei den Klängen seiner
Verse, „Orpheus", von der Mänade beklagt
u. s. f. Ueberallhin ist Moreau dem Dichter
gefolgt, unter allen Himmeln hat er ihn ge-
sehen ! Auch morgenländische Dichtergestalten
erblicken wir auf Moreaus Bildern, persische
Troubadoure mit ihrer Laute ziehen auf ihnen
durch die Lande; in weisse durchsichtige
Gewänder gehüllt, die Stirne von Schleiern
umflossen, sehen wir den „indischen Dichter"
inmitten eines grossen Parks von einem
Schimmel herab seine Dichtungen einer Runde
geheimnisvoller Prinzessinnen vortragen.
Die eigentliche Domäne Moreaus aber be-
treten wir in der Betrachtung des Bilder-
kreises, den er dem „Weibe" gewidmet hat.
Aus allen Jahrhunderten hat er es dargestellt,
hier im einfach harmonischen Festkleid der
Griechen, mit schweren orientalischen Stoffen
bekleidet und in der gleissenden Pracht des
Morgenlandes da, dann wieder in nackter

Die Kunst für Alle XVII. i=. 15. Marz 190=.

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