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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Künstlerischer Wandschmuck für Schule und Haus
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KÜNSTLERISCHER WANDSCHMUCK <öä=^-

händlerischen Vertrieb und den weiteren Aus-
bau des Planes, eine grosse, möglichst inhalts-
und abwechslungsreiche Anzahl solcher far-
bigen Steindrucke herzustellen und in den
weitesten Kreisen zu verbreiten.

Warum gerade die Farbenlithographie für
diese Art von Wandschmuck ausersehen
wurde, liegt auf der Hand. Sie erfüllt die
materielle Vorbedingung für eine Volkskunst,
d. h. für eine Kunst, deren Erzeugnisse nicht
den Höchstgebildeten allein verständlich, nicht
den Reichen allein zugänglich sein wollen: die
Möglichkeit billiger Herstellung. Billige Ori-
ginale erhalten wir durch die Lithographie,
die, wie die Radierung, in jedem neuen Abzug
doch eben die Zeichnung des Künstlers selbst
giebt. Wir erhalten, wenn die Künstler mit
Stilgefühl zu Werk gehen, Arbeiten, die nicht
mehr sein wollen, als sie sind, und die eben
darum mehr sind und kraftvoller wirken, als
die „Similis" der Malerei, die abominablen
Oeldruckbilder und die kaum minder fatalen
„Aquarelldrucke". Die von Teubner und Voigt-
länder herausgegebenen Farbenlithographien
sind mit wenigen Platten hergestellt. Dass
in solcher Beschränkung sich der Meister
bewährt im Vereinfachen, im Stilbildenden,
versteht sich von selbst; ebenso, dass solche
Einfachheit und Kraft dem doppelten Zweck
dieser Künstlerdrucke, dem dekorativen und
dem pädagogischen, ausserordentlich zu gute
kommt.
Schon jetzt, kaum ein halbes Jahr nach dem
Erscheinen der ersten Blätter, ist eine hübsche
Anzahl dieser Werke für den künstlerischen
Wandschmuck publiziert. Und die erschienenen
stellen dem ganzen Unternehmen das beste
Prognostikon. Was für prächtige Künstler be-
gegnen uns unter den Mitarbeitern und wie ist
jeder bemüht, echte gute Kunst zu bieten ! Wie
vfel künstlerisch Anregendes und welch anre-
gende Fülle des Gegenständlichen ist in den
Blättern enthalten! Die deutsche Landschaft
„vom Fels zum Meer" sehen wir in charakteri-
stischen Bildern: Franz Hoch's rasch populär
gewordenen „Morgen im Hochgebirge", des-
selben Künstlers „Fischerboote", H. v. Volk-
mann's „Rhein bei Bingen", Karl Biese's
„Hünengrab". Das Typische deutscher Städte,
Dörfer und Baulichkeiten geben Kallmorgen's
„Niederdeutsche Dorfstrasse", Fr. Hoch's
„Ruine", das „Schwäbische Städtchen" von
Ad. Ll'ntz. Die Reihe der Städteansichten,
so wichtig für die Beziehung zwischen Heimat-
gefühl und Kunstsinn, eröffnet Otto Fischer's
„Dresdner Altstadt", ebenso fein gestimmt,

wie gross und einfach gesehen. Die Tages-
und Jahreszeiten werden an uns vorüber-
ziehen (F. Hoch's „Bach im Winter", Kamp-
mann's „Sonnenaufgang", H. v. Volkmann's
„Die Sonn' erwacht"). Bilder wie W. Georgi's
„PflügenderBauer", Kallmorgen's„Amerika-
Dampfer", Karl Biese's „Im Stahlwerk bei
Krupp" zeigen die Vielgestaltigkeit der natio-
nalen Arbeit. Ins Tierleben führen Blätter wie
Fikentscher's prächtige „Krähen im Schnee"
ein; andere, die Bäume und Blumen schildern
sollen, stehen in Aussicht. Auch an weiteren
Figurenbildern historischen und religiösen
Inhalts, von solchen liegen bislang Arthur
Kampf's schlichtgrosseSchöpfung „Einsegnung
der Freiwilligen" und Franz Skarbina's „Ber-
liner Schloss" vor, wird es nicht fehlen; möge
auch hier das Künstlerische so ganz das Stoff-
liche durchdringen und veredeln, wie bei der
Mehrzahl der bisherigen Darstellungen über-
haupt.
Eine Analyse oder Kritik der einzelnen
Blätter auf ihre farbigen oder zeichnerischen
Qualitäten hin soll hier nicht gegeben werden.
Uns genügt es, die Leser auf die hohe Be-
deutung der ganzen Publikation (die ja frei-
lich in der Trefflichkeit der Einzelleistungen
ihre unerlässliche Vorbedingung hat), hin-
gewiesen zu haben. Besseres kann zum
Lob der Künstler-Lithographen, die wir hier
nebeneinander erblicken, nicht gesagt werden,
als dass sie sich ihrer Aufgabe voll bewusst
waren und dass diesem Bewusstsein und
Pflichtgefühl ihre Leistungen, je nach Art
und Stärke der individuellen Anlage, ent-
sprechen. Sie haben uns auch das wieder
einmal gezeigt: wie wenig der Deutsche sich
vor fremden Anregungen zu scheuen und
abzusperren braucht — da er noch immer,
wo es sich um eine ernste und gute Sache
handelte, sie in deutschem Geist aufzufassen
und umzubilden verstanden hat. Der „künst-
lerische Wandschmuck für Schule und Haus"
giebt uns so wenig unfreie Nachahmung
fremder Vorbilder wie gesucht Volkstüm-
liches und forciert Nationales, sondern rechte,
schlichte, deutsche Kunst, und so wird er
auch dazu beitragen, bei allen Empfänglichen
und Unverbildeten das Verständnis deutscher
— und damit aller — Kunst zu beleben und
zu vertiefen!

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