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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Von Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Kunstlitteratur
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-^-ssö> PERSONAL- UND ATELIER-NACHRICHTEN <Ö^=*-
DREMEN. Im Zusammenhang mit den baulichen licher Stilechtheit beherrscht noch die achtziger
" Wiederherstellungsarbeiten des Doms, die im Jahre: trocken gezeichnete, reiche gotische Um-
Oktober des Vorjahres nach dreizehnjähriger Restau- rahmungsarchitekturen, meist in hartem Gelb, gut
rationsthätigkeit zum Abschluss kamen, wurde auch studierte Kostüme, aber dabei noch ganz das Streben
die dekorative Ausgestaltung des Innern durch Aus- nach Gemäldewirkung; Raumvertiefung und Schat-
malung und farbigen Fensterschmuck nunmehr tenmodellierung, landschaftliche Fernen, plastisches
vollendet. Da sich wohl zahlreiche Einzelheiten Herausarbeiten; so sind z. B. die sieben Seligprei-
aus den verschiedensten mittelalterlichen Stilepochen, sungen von Zettler und einige Fenster von
aber doch für eine Restauration nicht genug An- De Bouche gehalten, religiöse Historienbilder in
haltspunkte alter Malerei fanden, so begnügte sich ziemlich bunte Glasmalerei übersetzt. In den zahl-
Prof. Schaper (Hannover) damit, dem protestan- reichen Arbeiten, die alsdann seit 1895 Prof. Linne-
tischen Charakter des Bauwerks entsprechend, die mann ausführte, wird diese Richtung auf das Stil-
Stimmung des Raums durch lasierende Tönung, echte vertieft; die gemäldeartige Komposition wird
Quadermusterung und wenig Ornament durchzu- immer mehr abgestreift; im Sinne eines Teppichs
führen, dem Stile der jeweiligen Bauteile Rechnung fügen sich die Farbflecken zu flächenhafter Deko-
tragend. Selbst in dem reich und entschieden farbig ration zusammen; im Studium der alten Vorbilder
ausgeschmückten Chor wurden figürliche Malereien wird die Farbe harmonischer gestimmt; die hellen
vermieden. Von alter Glasmalerei waren nur ganz kalten Töne der Alten, namentlich jenes fatale Violett
dürftige Reste mehr vorhanden. Jn den fünfziger und Grün der Glasmalerei von 1860, fehlen ganz;
Jahren des vorigen Jahrhunderts waren von Nürn- goldleuchtend und namentlich auf ein sattes Rot
berger Werkstätten für die Chorfenster einige heute gestimmt erscheinen seine meisten Arbeiten. Linne-
trotz der neuerdings vorgenommenen Abdämpfung mann versteht es vorzüglich, seine Kompositionen
sehr bunt und stillos wirkende Malereien gestiftet wor- vor Buntheit zu bewahren durch ein künstliches,
den, und seit 1886 folgten nun in ununterbrochener sehr geschickt hantiertes Altmachen der Farben, in
Arbeit die neunundzwanzig übrigen Fenster des gleichem Sinne wie es z. B. Seidl mit der dekora-
Doms samt der grossen Rose der Westfront nach. tiven Malerei seiner Innenräume zu machen pflegt.
Es ist interessant an der Hand dieser Arbeiten, Uebrigens sind seine Leistungen durchaus nicht
an denen die meisten der führenden Künstler im gleichwertig. Die beiden grossen Fenster des Quer-
Gebiete der deutschen Glasmalerei beteiligt sind, schiffs scheiterten an dem vorgeschriebenen Stoffe:
die rasche Entwicklung dieser Kunstweise zu ver- Luther beim Thesenanschlag und auf dem Reichs-
folgen. Ein äusserliches Streben nach mittelalter- tage in Worms; Historienbilder eignen sich nicht
für Glasmalerei, und ein schwarzes
Mönchsgewand als Mittelpunkt einer
farbigen Glaskomposition ist misslich.
Echt mittelalterlich stehen in Farbe
und Zeichnung die Prophetengestalten
paarweise in grossem Masstabe in den
Chorfenstern des Mittelschiffs; und das
grosse Rosenfenster wie die Seiten-
schifffenster mit dem Kruzifixus und
der Scene in Gethsemane sind sehr
gelungene Arbeiten. Die an künst-
lerischer Selbständigkeit und moder-
nem Geiste bedeutendsten Werke sind
aber für den Bremer Dom in den letz-
ten beiden Jahren entstanden. Es sind
die Fenster des nördlichen Seiten-
schiffs, bei deren Farbe möglichst
grosse Helligkeit von vornherein Be-
dingung war, und die schon dadurch
von der leuchtenden Farbentiefe der
Alten lassen mussten. F. Lauterbach
in Hannover führte die Vertreibung
aus dem Paradiese, das Opfer Noahs
und die Auffindung Mosis aus. Eine
ungemein liebenswürdige Begabung
für die Bildung zarter Frauenschön-
heit, manchmal an Wilh. Volz erin-
nernd, manchmal an die Engländer
und ein vorzügliches Geschick, seine
Figuren in die Fläche zu stellen, zeich-
net diesen Künstler aus. Das gotische
Stilornament lässt er möglichst bei
seite; räumliche Tiefenwirkung wird
ganz vermieden. Was seine Figuren
so reizvoll macht, ist der innige
zarte Charakter ihrer Köpfe, die
herbe Schlankheit des fünfzehnten
Jahrhunderts. In dem Weiss, Grau,
und Gelb, das den Gesamteindruck
giebt, sitzen gut verteilt einige leb-
hafte Farbflecke; das Ganze wirkt
nicolaus gysis -gloria. zwar wenig mittelalterlich mehr


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