Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

DOI Artikel:
Lange, Konrad von: Die Grenzboten und die moderne Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0354

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-sr-5^> DIE GRENZBOTEN UND DIE MODERNE KUNST -CÖ^-


WILHELM LUDWIG LEHMANN KIEFERNLANDSCHAFT
Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession

Herr Grunow freilich ist anderer Ansicht. Mit
der denunziatorischen Absicht, die seinem ganzen
Artikel ein besonders vornehmes Gepräge verleiht,
erklärt er, dass meine Erwiderung das Provo-
kanteste« sei, was er bis jetzt über die Kaiserrede
gelesen habe. Ich kann darüber nicht urteilen, da
ich die übrigen Artikel zur Kaiserrede nicht kenne
— auch nicht den des Herrn Grunow, der, wie ich
höre, kürzlich in den ; Grenzboten« erschienen ist.
Ich habe auch gar kein Verlangen, meinen Mut an
den Bosheiten anderer aufzurichten. Jedenfalls
wüsste ich nicht, wie man eine solche Kundgebung,
die den eigenen, lange vorher gebildeten
und publizierten Ueberzeugungen schnur-
stracks widerspricht, und von der man fürchten
muss, dass sie in weiten Kreisen Verwirrung an-
richten werde, ruhiger und sachlicher hätte kritisieren
sollen als ich es gethan habe. Wenn der Kaiser öffent-
lich als Aesthetiker auftritt, so muss er sich gefallen
lassen, dass seine Ansichten auch öffentlich von den
Professoren der Aesthetik kritisiert werden. Herr
Grunow hat die Bosheiten, die er in meinem Ar-
tikel findet, wie er selbst sagt, >zwischen den Zeilen«
gelesen. Ich kann dem gegenüber nur erklären,
dass darin nichts zwischen den Zeilen« zu lesen
ist, dass vielmehr alles genau so gemeint ist, wie
es dasteht. Ich habe es durchaus nicht nötig, mit
meinen Einwendungen die Ratgeber des Kaisers zu
treffen, wenn ich den Kaiser selbst meine. Aber in
diesem Falle weiss man zufällig ganz genau, welche
Künstler das Ohr des Kaisers haben und wie
infolgedessen sein Urteil über die zeitgenössische
Kunst ausfallen muss. Von einem Monarchen zu
verlangen, dass er in der Kunst Fachmann sei, ist
ein Nonsens, der nur in einem Höflingsgehirn

Platz finden kann. Der Kaiser hat wahrhaftig mehr
zu thun, als die Kunstausstellungen zu besuchen
und die Kunstjournale zu lesen. Er ist auch,
soviel ich weiss, niemals in der Secession gewesen.
Woher sollte er also die moderne Kunst kennen?
Gerade deshalb ist aber die Verantwortlichkeit
seiner — unverantwortlichen — Ratgeber um so
grösser. Und es ist nicht nur meine Meinung,
sondern die vieler anderer Patrioten und königs-
treuen Männer, dass der Kaiser sow'ohl in der
Politik wie in der Kunst die Meinung des Volkes
und der Gebildeten nicht in vollem Umfang erfährt.
Wenn Herr Grunow es anders weiss, so muss er
sehr gute Informationen haben.
Die bedenklichen Folgen der Kaiserrede zeigen
sich aber an den immer leidenschaftlicheren An-
griffen, die seitdem von gewissen Seiten gegen die
moderne Kunst gerichtet werden, nicht zum ge-
ringsten an dem Triumphgesang, den die >Grenz-
boten« in der Freude über die Bestätigung ihrer
reaktionären Kunstanschauungen anstimmen. Und
Schlimmeres wird nicht ausbleiben. Schon hat der
Finanzminister von Rheinbaben bei der Einweihung
des Düsseldorfer Kunstausstellungsgebäudes erklärt,
dass S. Majestät der Kaiser die Linie vorgeschrieben
habe, auf der er wünsche, die Kunst sich entwickeln zu
sehen. S.Majestät habe auf die wahren Ideale hinge-
wiesen und vor falschen Idealen in der Kunst gewarnt.
Wenn die Künstler Düsseldorfs gelobten, auf diesem
Wege zu bleiben und alles zu pflegen in der Kunst,
was wahr und echt sei, dann seien sie >treue Diener
unseres kaiserlichen Herrn«. Das ist ein deutlicher
Wink. Man mache sich nur klar, was das in einem
Lande heissen will, in dem die Freiheit der wissen-
schaftlichen Forschung durch die Verfassung ga-

328
 
Annotationen