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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Habich, Georg: Münchener Frühjahr-Ausstellungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0366

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MÜNCHENER FRÜHJAHR-AUSSTELLUNGEN

anatomischen Präparat her kennt, sondern in
der ganzen Feinheit seiner linearen Erschei-
nung erfasst hat.
Die unschuldige Lebenslust und Sinnen-
freude in jenen Regionen, die wir die Inseln
der Seligen zu nennen gewohnt sind, und
von denen wir nur wissen, dass sie jenseits
der Grenzen von Gut und Böse liegen — das
ist das Thema, das der Künstler diesmal in drei
Variationen wiederholt. Mänaden in jagendem
Tanzschritte, trunken mehr noch von göttlicher
Begeisterung als vom süssen Wein, wilderregte
Kentauren, ihren süssen Raub auf dem Pferde-
rücken entführend, stürmen daher. Eine Säulen-
halle öffnet sich auf eine stille arkadische Land-
schaft, und unter der Pergola ist eine Gesell-
schaft opferfreudiger Bacchusdiener zu fest-
licher Feier versammelt (s. Abb. a. S.339). Ein
älterer Bacchant naht, von einem schönen
Knaben gestützt, wankenden Ganges, Kinder
schleppen Weinlaubguirlanden herbei, das Haus
festlich zu kränzen, während den Hintergrund
(nach der Art Signorellis oder Michelangelos)
ein paar schön bewegte Akte beleben, den
Rausch des Weines und der Liebe symboli-
sierend. Der Wohllaut der Linie war es in
erster Linie, was den Künstler erregte. Die


walter geffcken interieur aus wolf-
ratshausen ««««««
Frühjahr-Ausstellung der Luitpoldgruppe

Farbe spielt dabei die Rolle der Musik im
Melodram; sie ist Begleiterin. Jede Buntheit
ist vermieden, ein grün-grauer Gobelinton hält
die Komposition zusammen.
Ein sicheres Stilgefühl für das Verhältnis der
Farbe zu der linearen Komposition verleiht den
Schäferschen Sachen einen besonderen Wert;
dass dies keine Alltagsgabe, sondern in der
modernen Kunst selten ist, zeigt der Umstand,
dass es selbst Künstler vom Rang eines Klinger
häufig genug im Stich lässt. — Auf starken
malerischen Effekt, sowohl im Sinne der
blühenden Farbe wie der kontrastierenden
Verteilung des Lichtes und der Schatten, geht
Karl Hartmann aus. Er bringt ein heroisches
Liebespaar in Form einer kleinen und flüch-
tigen, aber höchst originellen Farbenskizze, fer-
ner die Beleuchtungsstudie zu einem mächtig
bewegten „Prometheus am Felsen", der an
ältere Sachen von Piglhein, in seinen schweren
dunklen Tönen auch an die alten Spanier er-
innert.
Max Kuschel hat eine Farbenskizze zu
einer grösseren Komposition „Schmiede des
Vulkan" gesandt (s. Abb. a. S. 343). Wiewohl
nicht frei von Anklängen an die Alten — die
italienischen Manieristen des siebzehnten Jahr-
hunderts haben ihre Palette geliehen — zeigt
das Bild in der grossen Verteilung der Massen
in Licht und Schatten einen entschieden origi-
nellen Wurf, was man von dem anderen Bild
des Künstlers, einem allzu Böcklinischen
Frauenkopf nicht behaupten kann.
Eine merkwürdige, aber effektvolle Mischung
von Elementen aus dem unerschöpflichen
Schatz des venetianischen Cinquecento mit
Motiven der modernen Armeleutmalerei wagt
Firle in einer „Grablegung", die durch ihren
Reichtum an sinnlich schönen Farben besticht.
Der auf grössere Stilwirkungen ausgehen-
den Richtung steht innerhalb der Luitpold-
gruppe eine auf ausgesprochen impressionisti-
sche Naturwiedergabe gerichtete Strömung
gleichwertiggegenüber. Wir nennen hier Adolf
Brougier mit einem saftig gemalten Gemüse-
garten, Gabelsberger mit fein und geistreich
skizzierten Tauwetter- und Winterstimmungen
und Rabending's hochpoetische Variationen
über das Thema einer phantastisch silhouet-
tierten Holzbrücke. Anziehend schon durch
das freundliche Motiv wirken Blos' reizende
Sonnenlichtstudien, die er mit gleichem Glück
im halbgeschlossenen Raum wie im Freien,
in seinem mittäglich beleuchteten Baumgarten
anstellt. Der Zauber der grünen Dämmerung
hat es dem Künstler angethan, die er wie
kein anderer intim zu schildern weiss. Be-
sondere Beachtung verdient Perkuhn mit

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