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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Volkmann, Ludwig: Der Kunstverein der Zukunft
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0418

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<^g> DER KUNSTVEREIN DER ZUKUNFT CÖS=^

vereine im allgemeinen so organisiert sind,
dass sie auch den Ansprüchen einer Zeit des
künstlerischen Aufschwunges, wie wir sie zu
erleben hoffen, für die Zukunft zu genügen
vermögen. —
Ich will auf den ersten Teil der Frage nicht
näher eingehen, und überlasse es dem geneigten
Leser, sich jeweilig den Kunstverein seiner
Stadt oder seines Städtchens recht genau zu
vergegenwärtigen, und sich dann nach bestem
Gewissen selbst Antwort zu geben, ob darin
nicht doch vielleicht neben der Kunst noch
das „Künstchen" gepflegt wird, die goldene
Mittelmässigkeit, die billige Marktware an Stelle
ernster künstlerischer Qualität; ob nicht doch
gelegentlich aus „berechtigtem Lokalpatriotis-
mus" der heimische Familienvater dem Genie
vorgezogen oder das Blumenstück der an-
gesehenen Dilettantin wider besseres Wissen
ausgestellt wird; ob die Rücksicht auf die
novellistischen Neigungen und patriotischen
Gefühle des Publikums wirklich ganz den rein
künstlerischen Gesichtspunkten untergeordnet
ist, und ob endlich die jährliche Verlosung


CONST. A1EUNIER DAS LEIDEN

mehr positiven Wert besitzt als das frühere
„Vereinsblatt". Es wäre gewiss nicht vom
Uebel, wenn jedes Mitglied eines Kunstvereins
sich über diese interessanten Punkte wenigstens
einmal selbständig Rechenschaft ablegte; an
praktischen Schlussfolgerungen dürfte es dann
nicht fehlen. —
Wichtiger indessen ist die weitere Frage
nach den grossen Aufgaben und Zielen der
Zukunft, an denen die Kunstvereine mitzu-
arbeiten berufen sind. Da ist es denn nicht
zu leugnen, dass der „Kunstverein" im Durch-
schnitt lediglich ein Ausstellungslokal für mehr
oder minder gute Kunstwerke geworden ist,
ein Ort, an dem man Gelegenheit hat, neuere
Arbeiten — meist wahllos durcheinander, wie
sie eben zu bekommen waren, im besten Falle
Sonderausstellungen einzelner Künstler — zu
sehen, und sich so ein Urteil darüber zu bilden.
Dass dies oft in recht oberflächlicher Weise
geschieht, und dass vielfach ein blosses Sonntag-
vormittags-Rendezvous daraus wird, ist an sich
nichtdie Schuld derlnstitution; aber wirmüssen
uns doch fragen, ob denn in der dargebotenen
Sehgelegenheit die Aufgaben eines Kunst Vereins
erschöpft sind. Das könnte doch jeder ge-
schäftsmässig betriebene Kunstsalon seinen
Abonnenten auch bieten, von einem „Verein"
aber verlangen wir mehr, fordern wir mit Recht
eine engere geistige Beziehung zu den Mit-
gliedern.
Man hat das wohl gefühlt und durch Ver-
anstaltung von Vorträgen weitere Anregung zu
bieten versucht. Es ist nur auf das höchste
anzuerkennen, was an manchen Orten in dieser
Hinsicht geleistet wird. Allein, was vermag
schliesslich selbst der beste Redner in einer
kurzen Stunde dem Publikum mit der Be-
sprechung eines einzelnen Meisters oder einer
kunstgeschichtlichen Einzelfrage an bleibenden
Werten zu bieten, wenn das gesamte künst-
lerische Empfinden noch ungenügend entwickelt
ist? Etwas mehr Wissen als zuvor, das früher
oder später wieder vergessen wird — das ist
meist das ganze Resultat, welches der Hörer
mitnimmt, dem die allgemeine Bildung in
künstlerischen Dingen bei allem guten Willen
noch fast gänzlich fehlt. Und hier ist meiner
Ansicht nach der wichtigste Punkt, bei dem
es einzusetzen gilt. —
Mehr und mehr bricht sich überall die
Erkenntnis Bahn, dass wir zur Erreichung der
allgemein ersehnten künstlerischen Kultur vor
allen Dingen ein gesteigertes Kunstempfinden
im Volke überhaupt brauchen. Allbekannt
sind die lobenswerten Bestrebungen, derjugend
und den breiteren Schichten der Bevölkerung
den Genuss der Kunstwerke zu vermitteln.

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