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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Habich, Georg: Die Jahres-Ausstellung im Münchener Glaspalast
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https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0541

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~j-«sg5> JAHRES-AUSSTELLUNG IM MÜNCHENER GLASPALAST



WILLY VON BECKERATH HOF DER VENUS
Jahrcs-Ausstellung im Münchener Glaspalast: Luitpoldgruppe

die alle Säle gleichmässig erfüllt. Jeder Blick
ins Grüne des Gartens wirkt in diesem trüben
Einerlei als Erfrischung, und es wäre gewiss
kein Raub am Heiligsten der Kunst, würde
man durch Schaffung eines eleganten Garten-
restaurants ähnlich wie in Berlin, in Venedig
und anderwärts dem ausstellungsmüden Publi-
kum eine Gelegenheit zum Ausruhen der
Augen und Sinne schaffen. Vielleicht, dass
die geplante Kunstgewerbeausstellung hierin
endlich Wandel bringt.
Was nun die Ausstellung selbst betrifft,
so kann sie sich mit jeder „Jahresausstellung"
der Vorjahre getrost messen. Waren heuer
die deutschen Künstler von Düsseldorf, so-
wie Karlsruhe und damit auch Stuttgart durch
eigene Unternehmungen stark engagiert, so
entschädigen für diese Lücken reichlich eine
brillante Schleswig - Holsteinische Abteilung
und die Kollektion, welche der Frankfurt-
Cronberger Künstlerbund in einem Saal ver-
einigt hat. Auch in den Berliner Sälen hängt
unter mancherlei Durchschniltsware viel Be-
achtenswertes.
Im Stuttgarter Saal — um mit den süd-
deutschen Nachbarn zu beginnen — bildet
eine Wand voll Landschaften von Reiniger
einen Glanzpunkt der Ausstellung. Seine
frische, packende Art der Darstellung ist be-
kannt. Was für malerische und poetische
Reize vermag dieser unübertreffliche Schil-

derer der bewegten Natur einem an sich
nichtssagenden Motiv abzugewinnen, so wenn
er die trüb dahin rinnenden Gewässer eines
vom Regen geschwellten Flusses malt, über
dessen braune Wellen sich das blasse Sonnen-
gold eines regenumwölkten Himmels ergiesst
(Abb.s.S.519)oderwenn er das feine Graugrün
einer deutschen Berglandschaft bei grau ver-
hängtem Himmel in angenehmen Gobelintönen
wiedergiebt. Noch stärker, vielleicht ein wenig
allzu berserkerhaft geht Hermann Pleuer mit
seinen bekannten Eisenbahnbildern ins Zeug.
Kohlengeschwärzte Schienenwege, verrusste
Magazingebäude und rauchverhüllter Himmel,
dampfende Lokomotiven und hellbeleuchtete
Bahnzüge, die aus dem Dunkel tauchen, um
in Nacht und Nebel zu verschwinden, das
sind die Impressionen, denen Pleuer mit Vor-
liebe nachgeht. Neben diesen wäre im Stutt-
garter Saal noch auf einen tonig und locker
gemalten Rückenakt von Plock aufmerksam
zu machen. In den benachbarten Karlsruher
Räumen fallen die wie immer elegant ge-
machten Porträts von Propheter ins Auge.
Ferdinand Keller sandte eine heilige Cäcilia
von Guido Reni-artiger Süssigkeit. Das junge
Karlsruhe präsentiert sich gut in zwei farben-
prächtigen Entenbildern von Köster und
sympathischen Landschaftsstudien aus der
badisch - hessischen Gegend von Frey und
Nagel.

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