Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

DOI Artikel:
Clemen, Paul: Die deutsch-nationale Kunstausstellung zu Düsseldorf, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12080#0598

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
-^ö> DÜSSELDORFER AUSSTELLUNG

Beleuchtung. Er hat nicht das raffiniert feine
Tonempfinden wie Fritz Westendorp in
seinen holländischen Scenerien, aber dafür
Frische und Keckheit, grössere Breite und
grössere Wucht. Das ist echte Heimatskunst:
hier liegen die gesunden - Wurzeln unserer
Kraft.
Von einer Düsseldorfer Plastik wusste
man früher wenig zu erzählen. Die Schule
August ^Vittigs war eine Ablegerkunst —
und es war zuletzt ein toter und vertrockneter
Ableger geworden. Dann las man gelegentlich
die Namen -von Düsseldorfer Bildhauern, 'wo
es sich um Denkmalskunst handelte: aber das
ist doch zumeist nur eine gefesselte Plastik.
Jetzt sieht man zum erstenmal hier eine
ganze Schule mit stark ausgeprägtem Schul-
charakter, frischen Sinnen und von sehr, aber
wirklich sehr hohem Können. Karl Janssen
ist hier an erster Stelle zu nennen. Seine
Steinklopferin (Abb. s. S. 569) ist das Werk
eines verfeinerten Naturalismus, ohne irgend-
wie konventionell oder weichlich zu sein, mit
grösster Ehrlichkeit durchgeführt, im einzel-
nen wundervoll gearbeitet, ganz plastisch ge-
dacht und dabei von solch reinem Schönheits-
gefühl — und wie vollendet ist die Durch-
führung, detailliert ohne Kleinlichkeit. Ganz
anders sein Christus, der unter der Last der
Schmerzen in dem Thronsessel zusammenge-
brochen ist. Ergreifend wirkt die Intensität
des Ausdrucks; wunderbar ist auch hier die


ALBERT BAUR jr. SEITWÄRTS DER
Düsseldorfer Ausstellung LANDSTRASSE «

Durchführung: die verkrampften Hände, die
Füsse mit den aufgedrückten Zehen. Unter
den Schülern Janssens möchte ich vor allem
den jüngeren Gregor v. Bochmann hervor-
heben. Sein „Abschied" (gleichzeitig auch in
Berlin ausgestellt) ist eine Gruppe von hohem
Talent: Die taube Alte schaut dem Sohn, der
stumpf und derb, den steifen Nacken gebeugt,
vor ihr steht, ins Gesicht — die Gruppe breit
und gross angelegt und von feiner Charakte-
ristik (Abb. s. S. 570). Fast schon etwas manie-
riert in der Mache ist die glänzend beobach-
tete „Sauhatz" von dem jungen Joseph Pallen-
berg. Das Können der Aelteren, Clemens
Buscher, der sehr vielseitig und würdig ver-
treten ist, und Gustav Rutz ist schon hin-
reichend bekannt. Zur Gattung der Denkmals-
kunst gehören schliesslich die beiden Statuen
des Grafen Adolf von Berg von Coubillier
und das Denkmal Friedrich I. von Baucke, das
erstere kraftvoll und energisch, für Schloss
Burg an der Wupper bestimmt, das zweite,
vollendet durchgeführt und Fein charakterisiert,
eben in Moers aufgerichtet. Auch hier allent-
halben frische Kräfte und vor allem ein ge-
sundes und solides Können, das den besten
Wechsel für die Zukunft giebt.
An den Schluss aber möchte der gewissen-
hafte Chronist die Worte stellen, die Thackeray
im „Eitelkeitsmarkt" vor der Vorstellung
niederschreibt: Manche Leute halten Jahr-
märkte überhaupt für unsittlich und meiden
dergleichen nebst ihrer Dienerschaft und ihren
Familien: auch darin mögen sie recht haben.
Doch diejenigen, welche anderer Meinung sind
und sich in lässig träumerischer, milder und
etwas ironischer Stimmung befinden, haben
vielleicht Lust, eine Weile hereinzukommen
und die Vorstellung mit anzusehen. Sie bietet
Abwechslung jeder Art, einige schreckliche
Kämpfe und kühne Reiterkunststücke, Scenen
aus dem vornehmen Leben und aus dem ganz
gemeinen, ein bisschen Liebe für die Gefühl-
vollen und auch etwas Komik. . . .

LESEFRÜCHTE
Um keinen Preis gestehe du
Der Mtttelmässigkeit was zu.
Hast du dich erst mit ihr vertragen,
So wird dir's bald bei ihr behagen,
Bis du zuletzt, du ^veisst nicht wie,
Geworden bist so flach wie sie.

Wie seltsam haben sich die Sachen
In unserer Kunstkritik gedreht!
An jedem Werk denselben Fehler machen,
Heisst heutzutag Originalität.
Emanuel Geibel

568
 
Annotationen