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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 17.1902

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Barth, Hans: Die römische Kunst- und die Schwarz-Weiss-Ausstellung
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DIE ROMISCHE KUNST- UND DIE SCHWARZ-WEISS-AUSSTELLUNG

Dem unlängst verstorbenen, vortrefflichen Cabianca,
der an poetischer Zartheit und Natürlichkeit mit
Favretto wetteifern konnte und zu den besten mo-
dernen Venezianern zählte, ist ein besonderes Zim-
mer gewidmet. Porträts endlich bringen die Italiener
Cei (elegante Dame in Weissgrau), Balla, Trus-
sardi, Discolo und die Deutschen Frieda Mens-
hausen, Graf Thurn, Friedrich Harnisch,
letzterer einige Bildnisse von grosser realistischer
Kraft. Im Skulpturensaal erwähnen wir eine Quattro-
centobüste von Goffredo Ferrari, eine Vierge
von E. Rossi, einen schönen Brunnen mit Wasser-
trägerin von Theodora Gleichen, eine ganze
Büstenkollektion Cifariello's (darunter seinBöcklin
und sein Prinzregent), eine flotte kleine Brunnen-
figur und einen an Meunier anklingenden Merkur-
kopf Glicenstein's, endlich sehr charakteristisch
aufgefasste Priesterstatuetten Josef Limburg's.
Weit interessanter ist natürlich die annähernd
zweitausend Nummern enthaltende Schwarz-Weiss-
Ausstellung, auf der alle Nationen vertreten sind.
Den Ehrenplatz, gleich in der Eintrittshalle haben
die Franzosen, die Hermann Paul, Forain, Guil-
laume, Abel Faire, Caran d'Ache — am ge-
lungensten letzterer — mit politischen und sozialen
Karikaturen ins Vordertreffen stellen. Besonders
Caran d'Ache's Salonsatire >Un royaume pour un
lieutenant des dragons«, ist herrlich. Atmen die
in tief-philosophischem Gespräch zusammenstehen-
den Herren mit dem Haarbüschel ä la Busch und
der Uebermenschen-Krawatte, atmen die allein ge-


GREGOR VON BOCHMANN jr. ABSCHIED
Düsseldorfer Ausstellung

lassenen, in ihren Fauteuils gähnenden, nach irgend
einem Leutnant als Retter aus der Langweile
seufzenden Damen mit ihren komischen Mandel-
augen und ihren Puppengesichtern nicht den Geist
Th. Th. Heines? Dann Steinlen mit Pariser
Skizzen, Besnard mit Porträts, Robbe, Leheutre
u. a. mit Landschaften, Jean Veber mit Grotesken
von geradezu bestrickender Scheusslichkeit (Ring-
kämpferinnen und Hexen erinnern in ihrer naiven,
gewollt anti-ästhetischen Wucht geradezu an gewisse
Karikaturen Leonardo's!). Auch Rodin stellt eine
Anzahl Blätter mit kopflosen Torsos und Aktstudien
aus, die teilweise besser im Atelier des Meisters
geblieben wären. Von den Franzosen zu den Bel-
giern eine Kluft. Hier alles tiefernst, metaphysisch,
mystisch: Ensor mit seinen wilden sozialen Phan-
tasien, wie Ausgeburten eines Wiedertäufergehirns,
Rassenfosse mit Weibern, ähnlich den Sibyllen
der Sixtina, Meunier mit einer von riesigen Stein-
eichen beschatteten Kreuzigung, Baertson mit
Landschaften, Khnopff mit Frauenstudien. Es
folgen die Holländer mit Landschaften und Marinen
Zilcken's, Nieuwenkamp's, Koster's etc., die
Skandinavier mit frischen Bücherillustrationen von
Ottilia Adelborg, mit der Klingerisch ange-
hauchten, in der Pan-Scene gewaltigen Todes-Phan-
tasie von Thyra Kleen, und mit altertümlichen
Zeichnungen Gudmund's; die Engländer und Ameri-
kaner mit Illustrationen und Zeichnungen Walter
Crane's, Brangwyn's, Vedder's und Herkomer's
(Landschaft bei Landscape und Aktstudie); ferner
die Russen mit Repin's >Dusec, die Serben mit
sieben Radierungen Vucanovic's, die Spanier mit
Zeichnungen von Villegas, endlich sogar die
Japaner mit einer retrospektiven Ausstellung aus
dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert.
Deutschland und Oesterreich können sich sehen
lassen. Oesterreich bringt sehr feine holländische
Radierungen von Schmutzer, bunte Litographien
von Orlik, Radierungen von Unger, Jettmar,
Kempf u. a. Deutschland natürlich neben treff-
lichen Arbeiten von Haberl, Struck, Röder,
Hirzel, Liebermann, Cornelia Paczka, Graf,
Jahn, am Ende, Overbeck eine Reihe Radie-
rungen Klinger's und Greiner's; der letztere be-
sonders, der in Italien zum erstenmal ausstellt,
wirkt auf das Publikum überwältigend. Weniger
glücklich sind die Italiener, die sich von der Tradition
noch immer nicht loszumachen wissen und meist
in dem ausgetretenen alten Geleise gehen, was zu-
mal auf die Illustration zur Divina Comedia (ausge-
stellt von der Kunsthandlung Alinari, Florenz) zu-
trifft. Nur eines dieser Dante-Bilder dünkt uns origi-
nell, und es ist — von dem Oesterreicher Soldatics.
Im übrigen hat Joris anmutige Radierungen
römischer Stoffe (bettelnde Mönche, Kinder u. dgl.)
und der in Paris lebende Macchiati flotte Pariser
Skizzen.
Wahrhaft bedeutend sind dagegen einige Blätter
Segantini's (Sämann und jüdisches Opfer) und
eine Anzahl biblischer Sujets von Morelli und
Michetti, die beide an die besten alten Meister,
im Lichteffekte an Rembrandt, erinnern. Ob diese
wahrhaft internationale und für Italien hochwichtige
Ausstellung die italienische Schwarz-Weisskunst auf
neue Bahnen leiten wird, bleibt freilich abzuwarten.
Dr. Hans Barth-Rom


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