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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 25.1909-1910

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Neue Kunstliteratur
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VON AUSSTELLUNGEN — NEUE KUNSTLITERATUR

wie immer, und Storm van s'Gravesande (Haag), gig rein dekorativer Art. Freilich, ein >Herbst«wie
Korporativ hat sich der >Verein Münchener Aqua- der von ihm ausgestellte, hat in seiner gestaltlosen,
rellistenc eingefunden. Eine Bahnhofstudie von fleckigen Art schon mehr Kuriositätswert, und das
Karl Jentsch, die den Charakter der Aquarellfarben kleine Aquarell »Freude« hat verzweifelte Ähnlichkeit
etwas vergewaltigenden Landschaften von Hugo mit einem Präparat unter der Lupe. Dagegen lassen
Kreyssig und Vogelidyllen von Paul Leuteritz sich die großen malerischen Vorzüge des Rundbil-
mögen besonders angemerkt werden; geradezu Auf- des >Phaeton im Zeichen des Skorpions«, eines
sehen hat Rene Reinicke hervorgerufen, durch die farbenglühenden, prächtigen Stückes,sowiediejenigen
meisterhafte, gar nicht kleinliche und dabei stim- des von Hodlerscher Ruhe und Abstraktion erfüll-
mungsvolle Darstellung, besonders des Stillebens, ten Breitbildes »Die Weisen des Morgenlandes be-
im Zwielicht einer Bauernstube. — In der Galerie treten Palästina« kaum verleugnen. — Der >Rhein-
Miethke waren zu gleicher Zeit Gemälde von fall« des 1909 in Stuttgart verstorbenen Otto Rei-
Ferdinand Hodler und Zeichnungen von Olaf niger ist ein von edler Schönheit erfülltes Beispiel
Gulbransson zu sehen, also konnte, wer Lust zu seiner abgeklärten, feinen Kunst, das Werk des
dergleichen Spekulationen hat, sich in Betrachtungen Genfers Albert Schmidt von Hodlerschem Ein-
über die modernen linearen Stile ergehen. Denn fluß durchdrungen,man vergleiche nur diese >Femme
Hodler wirkt doch wesentlich durch den zeichne- et fleurs« und die ausgestellten, gleich ihr nicht übel
rischen Rhythmus, der so stark ist, daß man darüber gelungenen Berglandschaften mit ähnlichen Kompo-
die grellen Füllfarben eben noch hinnimmt. Gul- sitionen des Berner Meisters. Dessen eigentlicher
branssons Karikaturen sind Zerrbilder durch den Schüler aber ist William Müller (Genf), dessen
perspektivisch verschobenen Umriß und in dieser Akte mit ihren grünen Bronzetönen ihre Herkunft
ihrer Eigenart, die besonders in den Porträts zutage nicht zu verleugnen vermögen. — Es bleiben nur
tritt, von unvergesslicher Prägnanz. Letzten Endes noch diesonnigen Studien derPariserin Alice Bally,
mündet auch die Malweise von Christian Rohlfs die klaren Kompositionen des Luzerners Joseph
(Hagen i. W.) in einer Strichelkunst. Als Erinnerung von Moos, von denen die >Not« schon an der inter-
an den sechzigsten Geburtstag dieses Eigenbrödlers nationalen Kunstausstellung in Interlaken zu sehen
ist hier eine größere Anzahl seiner Naturstudien war, die meisterhaften Farbholzschnitte Carl Thie-
versammelt worden,die in vergröberterManierSignac manns (Dachau), die feinen Radierungen Evert
und mit wenig Freiheit Van Gogh nachstreben; van Muydens (Paris) und die Schmucksachen Brühl-
mitunter stark koloristische Impressionen empfängt manns, mit deren Erwähnung unser Bericht schließen
man davon freilich, aber es waren, wie sich's nun mag. Dr. s. m.
herausstellt, bestenfalls die Vorlagearbeiten für einige Mtriir l/IIMCTI ITCDATIID
von Rohlfs angefertigte grobfädige Wollstickereien, NLUfc. rxLUNo I LI I LnA I UH
in gänzlicher Abkehr vom Naturalismus. Ganz Henry Thode, Somnii explanatio. Brosch.
anders Leon von Wyczolkowski (Krakau), als M. 3.—, gebd. M. 4.—. Berlin, G. Grotesche Ver-
Lithograph und als im Technischen oft schier uner- lagsbuchhandlung.

gründlicher Radierer einer der Kühnsten unter den >Traumbilder vom Gardasee« heißt der Unter-
Graphikern der Gegenwart, dessen Gemälde, die titel dieses seltsamen Buches des berühmten Hei-
eine lehrreiche Parallele geboten hätten, dieselbe delberger Kunsthistorikers. Was Thode am Garda-
Faust weisen. Wyczolkowski opfert nie die Form, see geträumt hat von der Renaissance alter Kultur
so sehr sie vernachlässigt erscheint, denn sie ist und von ihrer Wiedervereinigung mit der ewig jungen
immer unerbittlich richtig unter dem voll hingesetzten Natur des Benacus, das hat er auf die Blätter seines
und energisch durchgebildeten Fleck zu spüren, ein aus übervollem Herzen strömenden Werkchens ge-
Stück Natur. k.m.k. bannt, das zwischen kulturhistorischem Essay und

phantastischem Roman wundersam in der Mitte steht.

ZÜRICH — Im hiesigen Künstlerhaus ist ge- Wer den zauberischen Reiz des Gardasees kennt

genwärtig eine Kollektion von Gemälden des und besonders den >Schauplatz« dieser Träume, das

bekannten in Stuttgart seßhaften Hans BrChlmann imposant in die blauen Wellen vorspringende Kap,

zusehen: einige vortrefflich gelungene Stilleben und das San Vigilio trägt mit seiner altertümlichen Hu-

Blumenstücke, eine saftige Schweizerlandschaft und manistenvilla, mit dem Zypressenhügel, dem Garten

zwei große weibliche Akte, an denen besonders die der Venus und dem Kirchlein am See, dem werden

geschmackvolle Farbenkombination, dann aber auch Thodes Worte, die in leicht antiquiertem Stil vor-

die sichere Zeichnung und die plastische Gestaltung getragen sind, tief zu Herzen gehen und holde

imponieren. An der letzteren könnte sich der Winter- Erinnerungen an selige, halkyonische Tage wach-

thurer Carl Montag in Paris ein lehrreiches Beispiel rufen. Aber auch die andern werden die Worte,

nehmen. Seine Aktstudien zeichnen sich sämtlich die hier zum Preis des Gardasees, der Schönheit

durch eine fast zerfließende Formlosigkeit aus, abge- Italiens und der Pracht der Renaissance gesagt sind,

sehendavon,daß derKünstlerinder Wahl der Modelle gerne hören. Für die vielen, die auch in diesem

keine gerade sehr glückliche Hand zeigt und daß das Frühling wieder an den Gardasee reisen, ist Thodes

Fleisch seiner Gestalten den warmen Fleischton Buch die richtige Lektüre, um den romantischen

durchwegs vermissen läßt. Demgegenüber muß her- Hauch, den Natur, Geschichte und Kunst um die

vorgehoben werden, daß der junge Künstler ein Ufer und Fluten und Inseln des Gardasees woben,

ganz vortrefflicher Gestalter des Stillebens und Blu- zu ahnen, zu verspüren. — Neun Tafeln zieren das

menstückes ist, welch letzteres er mit allen Reizen gutgedruckte Buch; unter diesen Illustrationen findet

einer feinen und duftigen Malerei ausstattet (»Chry- man Hans Thomas Gardaseebilder, die meines Er-

santhemen«, >Blumenstrauß«, >Blumen« u.a.) und achtens die Romantik dieses hochpreislichen Ge-

daß ihm auch die Landschaft und vor allem die wässers etwas zu naiv wiedergeben, aber dafür

Seelandschaft vorzüglich gelingt. — Die Gemälde deutlich spiegeln, wie ein treudeutsches Künstler-

des Vetters Giovanni Giacomettis: des Florentiner auge die Reize Italiens sah und für den Gebrauch

Professors Augusto Giacomettis, sind durchgän- deutscher Kunst stilisierte. g. j. w.

Redaktionsschluß: 25. Januar 1910

Herausgeber: F. Schvartz. Für die Redaktion verantwortlich: P. Kirchorabbr. —

Sämtlich In München

Ausgabe: 10. Februar 1910
Druck und Verlag von F. Bruckmann a.-g.
 
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