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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 52.1936-1937

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Busch, Harald: Friedrich Wasmann, der Nazarener
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Kunst. So erst wird er uns begreiflich. Daß er es
war. zeigt die vollendete Landschaft ..Abend in
Tirol" genau so deutlich, wenn man sie zu lesen
versteht, wie die „Heuernte" oder auch das herr-
liche Bildnis der ..Dame mit Korallenkette" und
gar das Madonnenbild.

Aber die Einstellung und die Mühen jener schwär-
merischen Idealisten, die wir Nazarener nennen,
waren ja auch mehr als nur der vergebliche Ver-
such, durch Einfühlung in das wie man meinte ein-
fältig fromme Schaffen der Vergangenheit selbst
wieder fromm und einfältig schaffen zu können und
bedeutsam zugleich. Man schuf ja gar nicht nur
(zwar auch das tat man!) in und unter dem oft
allerdings reichlich sentimentalen Aufguß der
..frühen Italiener" und der ..Altdeutschen" eine
vielleicht nur unbewußt all diesen Werken gemein-
same, völlig selbständig neue Note der Malerei, die
man „manieristisch" (nicht im absprechenden, son-
dern im wesenhaft stilbezeichnenden Sinne) nen-
nen möchte: eben die nazarenische, sondern man
schuf bereits das Versprechen (wie Runge; zumal
aus seinen Schriften wird das deutlich) einer voll-
kommen neuartigen Kunst: der modernen, bedeu-
tungshaften Landschaftsmalerei. Spätere Künstler
erst sollten einmal erfüllen, wonach es jene Künst-

Friedrich Wasmann. Madonna mit Jesuskind

Aftargemälde für die kleine Michaeliskirche zu Hamburg

ler damals schon gedrängt, und was sie nur auf so
völlig andersartigem Wege (selbst im religiös ver-
gegenwärtigenden und im Historienbild) zu ver-
wirklichen versucht: die organische Weiterführung
der religiösen Malerei.

Denn so, wie in jenem ,,Abend in Tirol" die Gipfel
tröstlich über den im Abend dämmerhaft schon ver-
sinkenden Niederungen und gewißlich leuchten, —
das Gnadenbild des Erlösers am Wege mag überdies
andächtig stimmen wie ein fernes Vespergeläut —;
so, wie die Werke eines Caspar David Friedrich
(oder — in so völlig wiederum anderer, allegori-
scher Form — die Tageszeitenträume eines Runge)
dem vollen Gefühlsgehalt religiösen Bewußtwer-
dens des eignen Ich mit seinem Schicksal, der Frage
nach des Daseins letztem Sinn, sinnbildschaffend im
Erdleben der Natur künstlerisch Gestalt und damit
Uberwindung werden ließen; so endlich sollte erst
eine spätere Zeit — wie es Runge schon vorausge-
sagt — durch die Offenbarungen der einsamen
Großen ihrer Künstler diesem neuen Welt- und
Daseinsgefühl, dieser neuen Lebensanschauung, die
damals schon aufbrach, den eigentlichen, den vol-
len, unverderbten bildhaften Ausdruck finden.
Friedrich Wasmann gehört mit zu diesen ersten,
ernsten Wegbereitern, die mit dem bis dahin Übli -
chen nicht genügsam sich zufrieden geben mochten.
Auch seine Hand tastete schon nach dem fer-
nen Ziel.

Wenn wir sein Schaffen so betrachten, spüren wir
selbst in der Madonna nicht mehr nur den vergeb-
lichen Weg, den er einschlug, sondern bereits das
Positive des einen Zieles: das innige, rührend herz-
liche Suchen nach dem sichtbarmachenden Bilde des
Unsichtbaren, des Überindividuellen. Göttlichen,
eines sinnbildfindenden erlebten Gehaltes also, der
in dem Frauenbildnis ebenso spürbar eingewoben
zum Ausdruck kommt wie in den drängenden Kräf-
ten der „Heuernte", die mehr ist als nur ein Genre-
bild; am reinsten aber wohl in dem „Abend in
Tirol".

Friedrich Wasmann hatte das Schicksal eines kolo-
ristisch ungemein begabten, dabei ehrfurchtsvollen
Künstlers, dem doch auch manch eine Hemmung
im Wege stand, der aber doch die Treue gegen sei-
nen inneren Auftrag vorzog den Verlockungen bil-
ligen Ruhms. Ein Mann war er, der mit all seinem
Suchen (dessen Sinn und Ziel vielleicht wir heute
klarer schon ahnen, als er) Zeugnis ablegt von dem
ebenso mutvollen wie opferbereiten Deutschland
des vorigen lahrhunderts, das allzu laut über-
schrien ward von jenem prunksüchtig anderen, das
in der Gründerzeit selbstzufrieden fortschrittsgläu-
big seine pomphaft aufgeblasenen Triumphe feierte.
Auch Wasmann trägt still verborgen mit an dem
lebendigen großen, verpflichtenden Erbe der deut-
schen Kunst, trug eine Strecke weit voran in die
Zukunft, die es nun aufnahm und wieder weiter-
führt. Keiner der ganz Großen, doch wert, nicht
vergessen und nicht verkannt zu werden, sondern
gewürdigt unverzerrt, nach dem vollen Umfang
und Gehalt seines Schaffens.

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