Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

DOI Artikel:
Mössel, Julius: Die Farbe als Bauelement (Auszug): eine Betrachtung mehr für Architekten als für Maler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0029

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Julius JTTöffel.

18. Julius Mössels Atelier.

Erscheinung ist bedingt durch die Form an sich, das
Licht und den spezifischen Farbenwert. Die Wirk-
lichkeit, die Elastizität der Form wird uns aus der
Erfahrung durch die tastende Befühlung erst zur
Gewißheit. Den Eindruck der Form empfangen
wir vor der Berührung, aber nur optisch. Wenn
wir uns die Unmöglichkeit der körperlichen Abtastung
eines bfauses vergegenwärtigen, wissen wir, welche
Bolle dem Auge als Tastorgan bestimmt ist. Zöllen
Körper erkannt und begriffen werden, so bedarf das
Wahrnehmungsvermögen des Lichtes. Das Licht
bestrahlt, gleitet, reflektiert, geht gebrochen um ksinder-
nisse und verliert sich in Schatten, Tiefen und Durch-
brechungen, führt das tastende Auge die Schichten
und Winkel der Flächen, der Bewegung der Form

entlang und macht uns da-
mit den Aufwand der for-
menden Kräfte sichtbar und
kenntlich. Diese Klarheit ver-
mittelt uns die auf der be-
wegten Form sich vollziehende
Lichtbrechung, welche unserem
Sehvermögen als verschiedene
Ton- und Farbwerte erscheint.
Licht und Form erzeugen Ton
und Farbe. Es ist notwen-
dig sich darüber klar zu wer-
den, daß Form und Farbe sich
gegenseitig bedingende Er-
scheinungen sind. Dem Licht
entrückte Forin ist für das
Auge ungeborene Kraft, wie
der Same in der Kapsel.
Erst durch das Auftreten des
Lichtes auf Abschichtungen
und Körpern entstehen Ton-
werte und damit sichtbare
Forinen und durch Angliedern
anderer Stoffverbindungen,
also durch struktuellen Gegen-
satz, Farbenwerte. Eine be-
griffliche Abgrenzung gehört
nicht nur nicht in diese Unter-
suchung, sondern gerade der
Zusammenhang, die gegen-
seitige Bedingtheit von Form
und Farbe soll gezeigt wer-
den. Gilt die Betrachtung
doch der Architektur. Wir
haben also mit zwei inein-
andergreifenden, sich gegen-
seitig bedingenden Kräften zu
rechnen. Der Kraft der bauen-
den Energie, die von innen heraus zur Form führt
und der Kraft des Lichtes und der vorn Lichte ge-
tragenen Farbe, die uns die Form erst sichtbar nrachen.
Dazu kommt ein weiteres Moment, die spezifischen
Farbenwerte der Körper. Dieser Zusammenhang ver-
langt ein vorsichtiges Abwägen der über die bloße
Zweckbildung hinausgehenden Architekturformen, des
farbigen Verhältnisses der verschiedenen natürlichen
Baustoffe zueinander und auch der aufgetragenen
Farbe in ihrem Verhalten zu Fläche, Raum und Form.
Wir bauen von innen nach außen, beseelen die Ar-
chitektur bis zur letzten Möglichkeit im Ausdruck und
ziehen die Erkenntnis des Beschauers mit unserem
ganzen Wollen und Können in die Tiefen unserer
Zwecke. Was wir auch tun mögen, wir rechnen in
 
Annotationen