Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.
Lßronil i>t§ SMiWil RunflgkwkBkVkrkins.
Mvchenversammkungen.
Zweiter Abend — den November — Vortrag von
Major I. Baumann über „Die Schönheit der Polar-
welt". Der Vortragende, der für den erkrankten Prof, voll
noch in letzter Stunde eingesprungen war, hielt die Zuhörer
durch seinen trefflichen Vortrag über seine zweite Reise nach
Spitzbergen in Spannung, Hoch oben im Polarmeer liegen Inseln,
darunter Spitzbergen, das seit einer Reihe von Jahren wegen
seiner landschaftlichen Schönheit von Touristenschiffen besucht
wird, weil die letzten Ausläufer des warmen Golfstromes
ermöglichen, daß man hier im europäischen Eismeere mühelos
bis auf >o° an den Nordpol herandampfen kann, während doch
drüben in der amerikanischen Arktis Franklins Expedition um
tO" südlicher dem unwirtlichen Klima völlig erlegen ist. Hier
ist J897 Andree mit zwei Begleitern in seinem Ballon aufge-
stiegen, um den Nordpol zu überfliegen, aber jämmerlich zu-
grunde gegangen. Seitdem ist das lenkbare Luftschiff entstanden,
und im Sommer td>o erschien Graf Zeppelin mit einem Stabe
von Gelehrten auf Spitzbergen, um hier Voruntersuchungen für
eine später geplante polarfahrt gegen den Pol vorzunehmen.
Heimgekehrt gaben der Graf und seine Begleiter begeisterte
Schilderungen von den Schönheiten des nordwestlichen Spitzbergen,
das sie besucht hatten. Der Norddeutsche Lloyd, der auch dem
Grafenein Schiff abgestellt hatte, beschloß darum, imSonimer 191 (
den Touristen genau auf dem Wege des Zeppelin diese Schön-
heiten zu zeigen. Der Vortragende wurde hiezu eingeladen und
ist so ein zweites Mal in die Polarwelt gekommen. — Major
I. Baumann schilderte, von einem reichen und schönen Licht-
bildermaterial unterstützt, die einsamen, stillen Landschaften der
Polarwelt, führte die Zuhörer an die Polareisgrenze (so" >0')
und in die Redbai, Magdalenenbai, Troßbai, in den Eisfjord
mit der Adventbai und auf die Amsterdam- und Däneninsel.
Wie ein Traumbild zogen die spitzen Berge mit den Schnee-
feldern und glänzenden Eisfeldern vorüber, oftmals im hellsten
Sonnenlichte, die Tundren mit Tausenden von vielfarbigen
winzigen Blümchen, die hängenden Moore, die vogelberge und
grünen Inseln mit den Nestern der Eiderenten. Tausende von
Eisschollen und Eisbergen umgaben oftinals das Schiff. Die
Farbentöne in diesen nördlichen Breiten sind ungleich wärmer
als in den Tropen. Der Reichtum der Lebewesen, namentlich
in den Tiefen des Meeres, dann auch an Vögeln ist unermeßlich.
Die eigentlichen Herren des Landes sind die Eisbären, Walrosse,
Remitiere, polar- und Blaufüchse. Freilich psiegen sich die meisten
dieser Tiere während des kurzen Sommers an die Nord- und
Vstseeküste zurückzuziehen., — Spitzbergen ist ein noch unberührtes
Land; nirgends menschliche Wohnplätze keine Umgestallungen
der Landschaft durch Menschenhände, keine Fabrikschlote, Schienen-
wege und pustende Autos; überall die reinste Luft und noch
nirgends Bakterien und Bazillen. Aber schon hat der Mensch
begonnen, auch hier einzuziehen: in der Adventbai werden Kohlen
und in der Kingsbai blauer Marmor ausgebeutet; Unholde
sind gekommen, welche die Vögel vertreiben und vernichten, und
am Kohlenbergwerk erhielten wir Bericht über vorgekomniene
Roheiten der Arbeiter. Noch einige Jahre und mit der Jung-
fräulichkeit dieser Polarwelt ist es dann auch dahin. Die Wale,
die man seit Entdeckung Spitzbergens durch den Holländer Barents
«59s hier nach ungezählten Tausenden gefangen hat, so daß
Holland geradezu dem Walfang seine Wohlhabenheit z» ver-
danken hat, werden immer weniger und sind gezwungen, um
nicht ganz ausgerottet zu werden, wie andere Tiere in den
übrigen Weltteilen, sich in den äußersten Norden zurückzuziehen.
Die Schilderungen und Bilder von dieser einsamen, stillen
Alpenwelt machten aus die Anwesenden einen ergreifenden Ein-
druck, zumal als man hörte, daß hier im Sommer vier Monate
die Sonne nicht mehr untergeht und ein ununterbrochener Sonnen-
tag herrscht. Dem steht freilich eine ebenso lange Polarnacht
gegenüber, wohl gerne wären alle Zuhörer mit dabei gewesen,
um selber zu schauen diese Schönheiten der Polarwelt.
Den Dritten Abend — den 2\. November — eröffnete der
Vorsitzende, Prof. E. Pfeifer, damit, daß er die Beglückwünschung
unseres Ehrenvorstandes Dir. von Lange durch die vereinrab-
ordnung schilderte (s. Heft?). Darauf folgte der Vortrag von
Prof. vr. Johannes Busch inann (Rostock) über Kunstgewerbc
und Volkswirtschaft. Die Gesichtspunkte, die der Redner auf-
stellte, schienen uns wichtig genug, um ihn zu veranlassen, die
wesentlichsten Bestandteile seiner Betrachtungen in einem Aus-
zug unserer Zeitschrift einzuverleiben, was in Bälde erfolgen wird.
Der Vierte Abend — 2s. November — war der „B ay tz-
risch e n Gewerbeschan " gewidmet deren Besprechung durch
einen großzügigen Vortrag von Privatdozent vr. Popp einge-
leitct wurde. Redner verbreitete sich zunächst über die allge-
meinen Ziele der Gewerbeschau. Das Unternehinen soll den
Charakter eines großen, vornehmen Marktes erhalten, wo das
Natürliche und Sachgemäße im Vordergrund steht und bei der
Formgebung dem tektonischen Element wieder die ihm ge-
bührende Rangstellung eingeräumt ist — unter Führung der
„angewandten Kunst", die selber wirtschaftliche, soziale, ethische
und weltmännische Prinzipien verfolgt — letztere namentlich
in der Veredlung des Luxus. Für unsern Zeitgeist, soweit er
sich in der Kunst verkörpert, ist bezeichnend, daß sich stets das
Streben nach eigenem Ausdruck zeigt, daß ein äußerer An-
schluß an Früheres gesucht wurde, daß aber die Alten nie
erreicht wurden. Man ging von der Natur aus, holte aus ihr
aber vorerst nur das Malerische, und erst später lernte man
im Natürlichen das Sachgemäße sehen. Diese Einsicht wirkte
in dem Sinne weiter, daß bei der Gestaltung der Dinge dem
Zweck, dem Material und dem Werkzeug neben der Kunst der
gebührende Linstuß gewahrt wurde; die Kunst durfte nicht den
Gebrauchswert beeinträchtigen, und sie mußte mit dem Gegen-
stand eine organische Verbindung eingehen. Dabei kam auch
die Maschine zu ihrem Recht; soviel sie aber auch erreicht hat,
so bleibt doch auch für das Handwerk noch Gelegenheit zur Be-
tätigung. Mit Recht tadelte dabei der Redner die Übergriffe
der Maschine auf das Gebiet des Handwerks, wenn sie z. B.
bei Eisen-, Kupfer- und Messingwaren den Hammerschlag der
Handarbeit nachäfft. — An den Schluß seines Vortrags reihte
vr. Popp eine Folge von Lichtbildern, die in sehr lehrreicher
Weise die Ziele der Gewerbeschan -— namentlich im Hinblick
auf die Tüchtigkeit der Arbeit — beleuchteten und auch reich-
lich Gelegenheit gaben zur Belachung „moderner" Erzeugnisse,
Lßronil i>t§ SMiWil RunflgkwkBkVkrkins.
Mvchenversammkungen.
Zweiter Abend — den November — Vortrag von
Major I. Baumann über „Die Schönheit der Polar-
welt". Der Vortragende, der für den erkrankten Prof, voll
noch in letzter Stunde eingesprungen war, hielt die Zuhörer
durch seinen trefflichen Vortrag über seine zweite Reise nach
Spitzbergen in Spannung, Hoch oben im Polarmeer liegen Inseln,
darunter Spitzbergen, das seit einer Reihe von Jahren wegen
seiner landschaftlichen Schönheit von Touristenschiffen besucht
wird, weil die letzten Ausläufer des warmen Golfstromes
ermöglichen, daß man hier im europäischen Eismeere mühelos
bis auf >o° an den Nordpol herandampfen kann, während doch
drüben in der amerikanischen Arktis Franklins Expedition um
tO" südlicher dem unwirtlichen Klima völlig erlegen ist. Hier
ist J897 Andree mit zwei Begleitern in seinem Ballon aufge-
stiegen, um den Nordpol zu überfliegen, aber jämmerlich zu-
grunde gegangen. Seitdem ist das lenkbare Luftschiff entstanden,
und im Sommer td>o erschien Graf Zeppelin mit einem Stabe
von Gelehrten auf Spitzbergen, um hier Voruntersuchungen für
eine später geplante polarfahrt gegen den Pol vorzunehmen.
Heimgekehrt gaben der Graf und seine Begleiter begeisterte
Schilderungen von den Schönheiten des nordwestlichen Spitzbergen,
das sie besucht hatten. Der Norddeutsche Lloyd, der auch dem
Grafenein Schiff abgestellt hatte, beschloß darum, imSonimer 191 (
den Touristen genau auf dem Wege des Zeppelin diese Schön-
heiten zu zeigen. Der Vortragende wurde hiezu eingeladen und
ist so ein zweites Mal in die Polarwelt gekommen. — Major
I. Baumann schilderte, von einem reichen und schönen Licht-
bildermaterial unterstützt, die einsamen, stillen Landschaften der
Polarwelt, führte die Zuhörer an die Polareisgrenze (so" >0')
und in die Redbai, Magdalenenbai, Troßbai, in den Eisfjord
mit der Adventbai und auf die Amsterdam- und Däneninsel.
Wie ein Traumbild zogen die spitzen Berge mit den Schnee-
feldern und glänzenden Eisfeldern vorüber, oftmals im hellsten
Sonnenlichte, die Tundren mit Tausenden von vielfarbigen
winzigen Blümchen, die hängenden Moore, die vogelberge und
grünen Inseln mit den Nestern der Eiderenten. Tausende von
Eisschollen und Eisbergen umgaben oftinals das Schiff. Die
Farbentöne in diesen nördlichen Breiten sind ungleich wärmer
als in den Tropen. Der Reichtum der Lebewesen, namentlich
in den Tiefen des Meeres, dann auch an Vögeln ist unermeßlich.
Die eigentlichen Herren des Landes sind die Eisbären, Walrosse,
Remitiere, polar- und Blaufüchse. Freilich psiegen sich die meisten
dieser Tiere während des kurzen Sommers an die Nord- und
Vstseeküste zurückzuziehen., — Spitzbergen ist ein noch unberührtes
Land; nirgends menschliche Wohnplätze keine Umgestallungen
der Landschaft durch Menschenhände, keine Fabrikschlote, Schienen-
wege und pustende Autos; überall die reinste Luft und noch
nirgends Bakterien und Bazillen. Aber schon hat der Mensch
begonnen, auch hier einzuziehen: in der Adventbai werden Kohlen
und in der Kingsbai blauer Marmor ausgebeutet; Unholde
sind gekommen, welche die Vögel vertreiben und vernichten, und
am Kohlenbergwerk erhielten wir Bericht über vorgekomniene
Roheiten der Arbeiter. Noch einige Jahre und mit der Jung-
fräulichkeit dieser Polarwelt ist es dann auch dahin. Die Wale,
die man seit Entdeckung Spitzbergens durch den Holländer Barents
«59s hier nach ungezählten Tausenden gefangen hat, so daß
Holland geradezu dem Walfang seine Wohlhabenheit z» ver-
danken hat, werden immer weniger und sind gezwungen, um
nicht ganz ausgerottet zu werden, wie andere Tiere in den
übrigen Weltteilen, sich in den äußersten Norden zurückzuziehen.
Die Schilderungen und Bilder von dieser einsamen, stillen
Alpenwelt machten aus die Anwesenden einen ergreifenden Ein-
druck, zumal als man hörte, daß hier im Sommer vier Monate
die Sonne nicht mehr untergeht und ein ununterbrochener Sonnen-
tag herrscht. Dem steht freilich eine ebenso lange Polarnacht
gegenüber, wohl gerne wären alle Zuhörer mit dabei gewesen,
um selber zu schauen diese Schönheiten der Polarwelt.
Den Dritten Abend — den 2\. November — eröffnete der
Vorsitzende, Prof. E. Pfeifer, damit, daß er die Beglückwünschung
unseres Ehrenvorstandes Dir. von Lange durch die vereinrab-
ordnung schilderte (s. Heft?). Darauf folgte der Vortrag von
Prof. vr. Johannes Busch inann (Rostock) über Kunstgewerbc
und Volkswirtschaft. Die Gesichtspunkte, die der Redner auf-
stellte, schienen uns wichtig genug, um ihn zu veranlassen, die
wesentlichsten Bestandteile seiner Betrachtungen in einem Aus-
zug unserer Zeitschrift einzuverleiben, was in Bälde erfolgen wird.
Der Vierte Abend — 2s. November — war der „B ay tz-
risch e n Gewerbeschan " gewidmet deren Besprechung durch
einen großzügigen Vortrag von Privatdozent vr. Popp einge-
leitct wurde. Redner verbreitete sich zunächst über die allge-
meinen Ziele der Gewerbeschau. Das Unternehinen soll den
Charakter eines großen, vornehmen Marktes erhalten, wo das
Natürliche und Sachgemäße im Vordergrund steht und bei der
Formgebung dem tektonischen Element wieder die ihm ge-
bührende Rangstellung eingeräumt ist — unter Führung der
„angewandten Kunst", die selber wirtschaftliche, soziale, ethische
und weltmännische Prinzipien verfolgt — letztere namentlich
in der Veredlung des Luxus. Für unsern Zeitgeist, soweit er
sich in der Kunst verkörpert, ist bezeichnend, daß sich stets das
Streben nach eigenem Ausdruck zeigt, daß ein äußerer An-
schluß an Früheres gesucht wurde, daß aber die Alten nie
erreicht wurden. Man ging von der Natur aus, holte aus ihr
aber vorerst nur das Malerische, und erst später lernte man
im Natürlichen das Sachgemäße sehen. Diese Einsicht wirkte
in dem Sinne weiter, daß bei der Gestaltung der Dinge dem
Zweck, dem Material und dem Werkzeug neben der Kunst der
gebührende Linstuß gewahrt wurde; die Kunst durfte nicht den
Gebrauchswert beeinträchtigen, und sie mußte mit dem Gegen-
stand eine organische Verbindung eingehen. Dabei kam auch
die Maschine zu ihrem Recht; soviel sie aber auch erreicht hat,
so bleibt doch auch für das Handwerk noch Gelegenheit zur Be-
tätigung. Mit Recht tadelte dabei der Redner die Übergriffe
der Maschine auf das Gebiet des Handwerks, wenn sie z. B.
bei Eisen-, Kupfer- und Messingwaren den Hammerschlag der
Handarbeit nachäfft. — An den Schluß seines Vortrags reihte
vr. Popp eine Folge von Lichtbildern, die in sehr lehrreicher
Weise die Ziele der Gewerbeschan -— namentlich im Hinblick
auf die Tüchtigkeit der Arbeit — beleuchteten und auch reich-
lich Gelegenheit gaben zur Belachung „moderner" Erzeugnisse,