Ehronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.
LtMnit ks VüPrisAm RmflgklvkrVkvkrkins.
Mschenversammkungcn.
Zehnter Abend — den 30. Januar ;9 ^2 — Vortrag von
Prof. Dr. Birkn er über den „Schmuck bei den Ur- und Natur-
völkern". Das Schmuckbedürfnis ist so alt wie die Menschheit
selbst; es hat im allgemeinen den Zweck, die Eitelkeit zu be-
friedigen, das Selbstbewußtsein zu heben. Man will seine
Vorzüge die Mitmenschen sehen lassen; Armringe lassen die
Muskulatur besser hervortreten, Jagdtrophäen verkündigen die
Kraft und den Mut ihres Trägers, sie gewinnen als Amulette,
als vermeintliches Iaubermittel auch religiöse Bedeutung; in
der gleichen Denkweise wurzelt auch die Körperbemalung, die
Tätowierung, will man das gesamte Gebiet des körperlichen
Schmuckes nach den Beziehungen zum menschlichen Körper gliedern,
so wird der aufrechte Gang durch den Behang charakterisiert wie
nicht minder — als Richtungsschmuck durch den Feder-
schmuck auf dem ksut, den kjaarbusch auf dem Kriegshelm, — zu-
gleich als freie Endigung. Der Ringschmuck, der nicht nur
die Rundheit und Fülle der Muskulatur erkennen läßt, dient
auch zur Markierung der Gliederung. Zum Ansatzschmuck,
der einzelne Körperteile vergrößern soll, gehören (wie unser
Zylinderhut) z. B. auch gewisse Schmuckstücke siamesischer Tänze-
rinnen und die Achselverlängerungen, die noch bei manchen Uni-
formen auch bei uns fortleben. Als lokalen Farben sch muck
kann man Blumenschmuck, Zehenringe und ähnliches bezeichnen
Der Flächenschmuck — durch Bemalen und Tätowieren —
hat bei den Naturvölkern große Bedeutung und gilt auch bei
den Japanern noch heute als beliebter Ersatz für wirkliche
Kleidung. Funde aus der Steinzeit beweisen, daß man damals
aus Fischwirbeln, Remitier- und ksirschzähnen, aus Muscheln und
Schneckenhäusern Schmuckstücke fertigte. Bei aufmerksamer Nach-
forschung kann man Spuren unserer heutigen Schmucksormen schon
in dieser vorgeschichtlichen Zeit finden. — Die zahlreichen, gut
gewählten Lichtbilder, welche den Vortrag begleiteten, illustrierten
aufs passendste die geistvollen, mit großem Beifall aufge-
nommenen Ausführungen des Redners.
Die nach Schluß des Vortrages von Alex, kjeilmeyer als
Obmann der HI. Kommission gemachte Eröffnung, daß am
;z. Februar eine Faschingsunterhaltung stattfinde, weckte frohe
Erwartungen, die auch nicht getäuscht wurden.
Aster Abend — den s. Februar — Vortrag von Pros,
Or. Karl voll über Graf Franz poccisBedcutnng als
Illustrator- Es war ein in Form und Inhalt vollendetes
Bild, das der Redner entrollte, ein Bild, das selbst für die-
jenigen, denen unser lieber alter Pocci eine längst vertraute
Persönlichkeit ist, ganz neue Züge aufwies, wir müssen uns
vor allem, so führte Prof, voll etwa aus, von der noch in
weiten Kreisen üblichen Anschauung frei machen, daß pocci
nur ein Dilettant in künstlerischen Dingen gewesen sei. Er war
mehr: wer sein ganzes Werk kennt und das Verhältnis, in
dem, er zur Kunst seiner Zeit stand, wird ihn sogar Meister
nennen.
Graf Pocci, der König!. Bayerische Zeremonienmeister zur
Zeit Ludwigs I., war lange Zeit, etwa zwischen de» vierziger
und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, eine der
populärsten Persönlichkeiten Münchens, in deren künstlerischen
und literarischen Kreisen er eine große Rolle spielte, was
München den: Dichter und Menschen Pocci zu verdanken hat,
haben wir ja erst jüngst anläßlich der Feier des 90. Geburts-
tags von Papa Schmid erfahren, für den er unzählige Kaspcrlstücke
geschrieben hat. Der Maler und Illustrator Pocci geriet in
den letzten Jahrzehnten des (9. Jahrhunderts etwas in Vergessen-
heit, und erst in unser» Tagen, da wir die Bedeutung eines
Schwind und eines Eornelius wieder neu erkannt haben, findet
pocci wieder das liebevolle Verständnis, das ihm einst seine
Zeitgenossen entgegenbrachten. An kjand einiger alter Münchener
Bilderbogen, kleiner Märchen- und Liederbüchlein, die Pocci ge-
schmückt hat, und einiger Lithographien bewies Prof, voll, daß
Pocci nicht nur ein entzückender Erzähler in dem, was er illu-
strierte, sondern auch ein Meister derForm und der Komposition war.
In den Buchstaben-Bilderbogen, die wohl manchem Münchner von
jener Zeit her noch in Erinnerung sind, wo sie gleich andcien
Schöpfungen Poccis bei Braun & Schneider erschienen, er-
weist er sich als Meister der künstlerischen Form, in anderen
Blättern wieder ist die malerische Wirkung ganz erstaunlich.
Das große Publikum kennt Pocci meist als humorvollen Karika-
turisten ; daß er aber auch ganz anders arbeiten konnte, wenn
er wollte, siehe man an dem außerordentlich schönen Blatt
„Die Anbetung der Könige", das man in seiner Innigkeit und
der Feinheit der Forni viel eher Schwind zuschreiben möchte als
pocci, stände nicht sein Name darunter; und Poccis „Toten-
tanz" ist so einfach und inonumental, daß er zu den besten aller
Totentänze gezählt werden darf. In den Sammlungen von
Illärchen, von Jagd- und allerhand anderen Liedern, ist pocci
als Illustrator von jener sonnigen Liebenswürdigkeit, die wir
auch an Richter so sehr schätzen, den er aber in der Kraft des
Ausdrucks weit überragt. Richter und Pocci habe:: oft zu-
sammen gearbeitet, und wo beide das gleiche Motiv behandelten,
ist Poccis Arbeit immer die bessere. Für die Wandlung, die die
künstlerische Einschätzung Poccis durchgemacht hat, mag bezeich-
nend sein, daß der Vortragende diese von Pocci illustrierten Lieder-
sammlungen vor wenigen Jahren noch für 40 Pfennige kaufen
konnte, während sie jetzt im Handel nicht unter (0—\2 M. zu
haben sind.
Besonders verdient hat sich Franz Pocci um die Wieder-
verwendung des Holzschnittes gemacht, der zu seiner Zeit, wie
so manche andere schöne Technik, in verfall geraten war. An
diesen ersten Holzschnitten muß man auch Pocci studieren, um
seine künstlerische Bedeutung ganz würdigen zu können, in
die alten Fliegenden Blätter früherer Jahre sich vertiefen, in
denen Pocci die so witzige Figur des Staatshäinorrhoidarius,
der merkwürdigerweise die Züge eines unserer heutigen hohen
Staatsbeamten trägt, jahrelang in immer wieder neuen, originellen
Zügen dem Publikum vorgestellt hat, um Poccis Kraft, das
wesentliche und Eharakteristische einer Figur zu erfassen, ganz
zu würdigen. Nebst der Graphischen Sammlung bewahrt vor
allem das Ammerlander Pocci-Archiv eine Fülle von Original-
Zeichnungen und Holzschnitten, die uns eine umfassende Kennt-
nis seines reichen künstlerischen Wirkens vermitteln.
Zwölfter Abend — den (3. Februar — ein humoristischer
Unterh al tungsabend, der die kommende Gewerbeschau
zum Vorwand genomme::. Schon der Saal war ganz gewerbe-
2(8
LtMnit ks VüPrisAm RmflgklvkrVkvkrkins.
Mschenversammkungcn.
Zehnter Abend — den 30. Januar ;9 ^2 — Vortrag von
Prof. Dr. Birkn er über den „Schmuck bei den Ur- und Natur-
völkern". Das Schmuckbedürfnis ist so alt wie die Menschheit
selbst; es hat im allgemeinen den Zweck, die Eitelkeit zu be-
friedigen, das Selbstbewußtsein zu heben. Man will seine
Vorzüge die Mitmenschen sehen lassen; Armringe lassen die
Muskulatur besser hervortreten, Jagdtrophäen verkündigen die
Kraft und den Mut ihres Trägers, sie gewinnen als Amulette,
als vermeintliches Iaubermittel auch religiöse Bedeutung; in
der gleichen Denkweise wurzelt auch die Körperbemalung, die
Tätowierung, will man das gesamte Gebiet des körperlichen
Schmuckes nach den Beziehungen zum menschlichen Körper gliedern,
so wird der aufrechte Gang durch den Behang charakterisiert wie
nicht minder — als Richtungsschmuck durch den Feder-
schmuck auf dem ksut, den kjaarbusch auf dem Kriegshelm, — zu-
gleich als freie Endigung. Der Ringschmuck, der nicht nur
die Rundheit und Fülle der Muskulatur erkennen läßt, dient
auch zur Markierung der Gliederung. Zum Ansatzschmuck,
der einzelne Körperteile vergrößern soll, gehören (wie unser
Zylinderhut) z. B. auch gewisse Schmuckstücke siamesischer Tänze-
rinnen und die Achselverlängerungen, die noch bei manchen Uni-
formen auch bei uns fortleben. Als lokalen Farben sch muck
kann man Blumenschmuck, Zehenringe und ähnliches bezeichnen
Der Flächenschmuck — durch Bemalen und Tätowieren —
hat bei den Naturvölkern große Bedeutung und gilt auch bei
den Japanern noch heute als beliebter Ersatz für wirkliche
Kleidung. Funde aus der Steinzeit beweisen, daß man damals
aus Fischwirbeln, Remitier- und ksirschzähnen, aus Muscheln und
Schneckenhäusern Schmuckstücke fertigte. Bei aufmerksamer Nach-
forschung kann man Spuren unserer heutigen Schmucksormen schon
in dieser vorgeschichtlichen Zeit finden. — Die zahlreichen, gut
gewählten Lichtbilder, welche den Vortrag begleiteten, illustrierten
aufs passendste die geistvollen, mit großem Beifall aufge-
nommenen Ausführungen des Redners.
Die nach Schluß des Vortrages von Alex, kjeilmeyer als
Obmann der HI. Kommission gemachte Eröffnung, daß am
;z. Februar eine Faschingsunterhaltung stattfinde, weckte frohe
Erwartungen, die auch nicht getäuscht wurden.
Aster Abend — den s. Februar — Vortrag von Pros,
Or. Karl voll über Graf Franz poccisBedcutnng als
Illustrator- Es war ein in Form und Inhalt vollendetes
Bild, das der Redner entrollte, ein Bild, das selbst für die-
jenigen, denen unser lieber alter Pocci eine längst vertraute
Persönlichkeit ist, ganz neue Züge aufwies, wir müssen uns
vor allem, so führte Prof, voll etwa aus, von der noch in
weiten Kreisen üblichen Anschauung frei machen, daß pocci
nur ein Dilettant in künstlerischen Dingen gewesen sei. Er war
mehr: wer sein ganzes Werk kennt und das Verhältnis, in
dem, er zur Kunst seiner Zeit stand, wird ihn sogar Meister
nennen.
Graf Pocci, der König!. Bayerische Zeremonienmeister zur
Zeit Ludwigs I., war lange Zeit, etwa zwischen de» vierziger
und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, eine der
populärsten Persönlichkeiten Münchens, in deren künstlerischen
und literarischen Kreisen er eine große Rolle spielte, was
München den: Dichter und Menschen Pocci zu verdanken hat,
haben wir ja erst jüngst anläßlich der Feier des 90. Geburts-
tags von Papa Schmid erfahren, für den er unzählige Kaspcrlstücke
geschrieben hat. Der Maler und Illustrator Pocci geriet in
den letzten Jahrzehnten des (9. Jahrhunderts etwas in Vergessen-
heit, und erst in unser» Tagen, da wir die Bedeutung eines
Schwind und eines Eornelius wieder neu erkannt haben, findet
pocci wieder das liebevolle Verständnis, das ihm einst seine
Zeitgenossen entgegenbrachten. An kjand einiger alter Münchener
Bilderbogen, kleiner Märchen- und Liederbüchlein, die Pocci ge-
schmückt hat, und einiger Lithographien bewies Prof, voll, daß
Pocci nicht nur ein entzückender Erzähler in dem, was er illu-
strierte, sondern auch ein Meister derForm und der Komposition war.
In den Buchstaben-Bilderbogen, die wohl manchem Münchner von
jener Zeit her noch in Erinnerung sind, wo sie gleich andcien
Schöpfungen Poccis bei Braun & Schneider erschienen, er-
weist er sich als Meister der künstlerischen Form, in anderen
Blättern wieder ist die malerische Wirkung ganz erstaunlich.
Das große Publikum kennt Pocci meist als humorvollen Karika-
turisten ; daß er aber auch ganz anders arbeiten konnte, wenn
er wollte, siehe man an dem außerordentlich schönen Blatt
„Die Anbetung der Könige", das man in seiner Innigkeit und
der Feinheit der Forni viel eher Schwind zuschreiben möchte als
pocci, stände nicht sein Name darunter; und Poccis „Toten-
tanz" ist so einfach und inonumental, daß er zu den besten aller
Totentänze gezählt werden darf. In den Sammlungen von
Illärchen, von Jagd- und allerhand anderen Liedern, ist pocci
als Illustrator von jener sonnigen Liebenswürdigkeit, die wir
auch an Richter so sehr schätzen, den er aber in der Kraft des
Ausdrucks weit überragt. Richter und Pocci habe:: oft zu-
sammen gearbeitet, und wo beide das gleiche Motiv behandelten,
ist Poccis Arbeit immer die bessere. Für die Wandlung, die die
künstlerische Einschätzung Poccis durchgemacht hat, mag bezeich-
nend sein, daß der Vortragende diese von Pocci illustrierten Lieder-
sammlungen vor wenigen Jahren noch für 40 Pfennige kaufen
konnte, während sie jetzt im Handel nicht unter (0—\2 M. zu
haben sind.
Besonders verdient hat sich Franz Pocci um die Wieder-
verwendung des Holzschnittes gemacht, der zu seiner Zeit, wie
so manche andere schöne Technik, in verfall geraten war. An
diesen ersten Holzschnitten muß man auch Pocci studieren, um
seine künstlerische Bedeutung ganz würdigen zu können, in
die alten Fliegenden Blätter früherer Jahre sich vertiefen, in
denen Pocci die so witzige Figur des Staatshäinorrhoidarius,
der merkwürdigerweise die Züge eines unserer heutigen hohen
Staatsbeamten trägt, jahrelang in immer wieder neuen, originellen
Zügen dem Publikum vorgestellt hat, um Poccis Kraft, das
wesentliche und Eharakteristische einer Figur zu erfassen, ganz
zu würdigen. Nebst der Graphischen Sammlung bewahrt vor
allem das Ammerlander Pocci-Archiv eine Fülle von Original-
Zeichnungen und Holzschnitten, die uns eine umfassende Kennt-
nis seines reichen künstlerischen Wirkens vermitteln.
Zwölfter Abend — den (3. Februar — ein humoristischer
Unterh al tungsabend, der die kommende Gewerbeschau
zum Vorwand genomme::. Schon der Saal war ganz gewerbe-
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