635. Wahrzeichen der
Bayer. Gewerbeschau.
Aus dem Plakat von
Ferdinand Spiegel.
I. -Allgemeines.
Bewegung für „ästhetische Kul-
tur" ist zweifelsohne der neuen
Literatur zu Dank verpflichtet.
Als in den 90 er Jahren —-
übrigens nicht zu vergessen: in
Süddeutschland, in München zu-
nächst — jene „literarische Revolution" aus-
brach, in welcher die Stürmer und Dränger von
damals unter Führung von Bleibtreu und Wk. G.
Conrad der Phrase, der Schönrednerei, dem schmücken-
den Beiwort, dem geheuchelten Gefühl, der gezierten
Redensart erbarmungslos den Krieg ansagten und
sogleich durch wutschnaubenden Angriff auf den Paupt-
vertreter der „süßen" Richtung, auf Paul heyse, zu
„Taten" übergingen, da war natürlich eine Rück-
wirkung nach der Seite der bildenden Kunst hin
noch nicht zu ahnen. Die Drucksachen jener Erstlings-
zeit eines hereinbrechenden neuen, gesunden, stärkeren
männlicheren Geschmackes unterscheiden sich in nichts
von der üblichen Mare, die damals überhaupt von
der „graphischen Kunst" geliefert zu werden pflegte.
D. h. sie fingen alsbald au sich von ihr zu unter-
scheiden; und wodurch? Durch ihre größere Ein-
fachheit; wie man im Text auf die Redeblüte ver-
zichtete, so in der Ausstattung auf den zwecklosen
Schnörkel. And wenn schließlich auf der Bahn,
welche die Kämpfer uin den guten Geschmack in
Wort und Dichtung beschritten, so mancher liegen
blieb, der Weg war doch frei geworden: Echtheit,
Wahrheit, Natürlichkeit galten wieder als
künstlerische Kriterien. Ja, während die Litera-
tur im deutschen Norden unter verschiedenen Ein-
flüssen auf der Suche nach der Natur ganz vergnügt
erst recht in Annatur und Verstiegenheit geriet,
haben in fragen der „Ausdruckskultur" schließlich
Echtheit, Wahrheit, Sachlichkeit Natürlichkeit unter
636. Maibaum für die Bayer. Gewerbeschau, am Bahnhofplatz.
Nach Entwurf von Paul Neu.
40
(Vre (Kaxerische Gewerkeschau
München 1912.
(Von Dr. Rark ]Eorj>.
Kunst und Handwerk. 62. Iahrg. Heft JO.
285
Bayer. Gewerbeschau.
Aus dem Plakat von
Ferdinand Spiegel.
I. -Allgemeines.
Bewegung für „ästhetische Kul-
tur" ist zweifelsohne der neuen
Literatur zu Dank verpflichtet.
Als in den 90 er Jahren —-
übrigens nicht zu vergessen: in
Süddeutschland, in München zu-
nächst — jene „literarische Revolution" aus-
brach, in welcher die Stürmer und Dränger von
damals unter Führung von Bleibtreu und Wk. G.
Conrad der Phrase, der Schönrednerei, dem schmücken-
den Beiwort, dem geheuchelten Gefühl, der gezierten
Redensart erbarmungslos den Krieg ansagten und
sogleich durch wutschnaubenden Angriff auf den Paupt-
vertreter der „süßen" Richtung, auf Paul heyse, zu
„Taten" übergingen, da war natürlich eine Rück-
wirkung nach der Seite der bildenden Kunst hin
noch nicht zu ahnen. Die Drucksachen jener Erstlings-
zeit eines hereinbrechenden neuen, gesunden, stärkeren
männlicheren Geschmackes unterscheiden sich in nichts
von der üblichen Mare, die damals überhaupt von
der „graphischen Kunst" geliefert zu werden pflegte.
D. h. sie fingen alsbald au sich von ihr zu unter-
scheiden; und wodurch? Durch ihre größere Ein-
fachheit; wie man im Text auf die Redeblüte ver-
zichtete, so in der Ausstattung auf den zwecklosen
Schnörkel. And wenn schließlich auf der Bahn,
welche die Kämpfer uin den guten Geschmack in
Wort und Dichtung beschritten, so mancher liegen
blieb, der Weg war doch frei geworden: Echtheit,
Wahrheit, Natürlichkeit galten wieder als
künstlerische Kriterien. Ja, während die Litera-
tur im deutschen Norden unter verschiedenen Ein-
flüssen auf der Suche nach der Natur ganz vergnügt
erst recht in Annatur und Verstiegenheit geriet,
haben in fragen der „Ausdruckskultur" schließlich
Echtheit, Wahrheit, Sachlichkeit Natürlichkeit unter
636. Maibaum für die Bayer. Gewerbeschau, am Bahnhofplatz.
Nach Entwurf von Paul Neu.
40
(Vre (Kaxerische Gewerkeschau
München 1912.
(Von Dr. Rark ]Eorj>.
Kunst und Handwerk. 62. Iahrg. Heft JO.
285