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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Mössel, Julius: Die Farbe als Bauelement (Auszug): eine Betrachtung mehr für Architekten als für Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0031

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Julius Möffel.

2(. Foyer im Lchillertheater zu Lharlottenburg;

Architekt Prof. Litt mann, Malerei-Entwurf von Jul. Möffel und Schmidt & Eo.

das Dunkelste im vollen Lichte unendlich hellererscheinen
kann als das Hellste in nur mehrfach gebrochenem
Lichte daneben, zeigt die außerordentliche Bedeutung
des Farbenwertes im Nebeneinander verschiedener
Stoffe in Licht und Schatten. Dies Beispiel zeigt im
extremsten Fall den relativen Wert unter gleichen
Bedingungen sonst positiver Größeit. Was im gleich-
mäßigen Lichte die eine Farbe von der andern trennt,
also ihre Differenz, bestimmt ihren Grad und Cha-
rakter. Was uns die Physik von dem Gesetz der
Farbenkomplemenz lehrt, hat für uns nicht viel mehr
Wert als ein sachlich ordnendes Prinzip. Es lehrt
uns die Kraft der einzelnen Farbe kennen bis zu ihrem
entschiedensten Gegensatz. Seit den Tagen der physi-
kalischen Entdeckung der Komplementärfarben haben
wir ganz anders differenzieren gelernt. Wir wollen
nicht die größten Gegensätze gegeneinanderstellen und
dazwischen stehen müssen. Unser Gefühl ist nicht von
dem Gedanken allein, daß wir einer blauen Behauptung
nun ebensoviel Gelb entgegengesetzt haben, genügend
befriedigt. Ein natürliches Bedürfnis nach Kontrasten
haben wir. Und das ist so mächtig, daß dort, wo
unser Auge zu sehr das Konträre vermißt, wir schon

die schwächsten Gegensätze nach der gewünschten
Richtung der Komplemenz hin deuten und drängen.
Es genügt uns in einer ganz grünen Umwandung
beispielsweise ein Grau, das auf Gelb schon blau
wirkt, zu sehen, um unser Gefühl nach Gegensatz,
also in diesem Falle Rot, zu mobilisiere». Das
einfachste Experiment, exakt durchgeführt, wird das
mit Leichtigkeit beweisen. So erhält der jeweilige
Farbenweit durch die dazu in Wechselwirkung ge-
brachten Farben andere Töue.

Der Wert jeder Farbe wird also durch Gegen-
satz nach den verschiedensten Richtungen hin ver-
ändert. Diese Variabilität der Konstante ist das
spezisische, Schaden und Nutzen stiftende Moment der
Farbe. Erinnern wir uns der oben angeführten
Differenz des Lichtgrades zwischen schwarzem Samt
im Sonnenlicht und des weißen Papiers im Schatten,
so bekommen wir Verständnis für die ungeheure
Relativität der Farbe, und stellen wir aus unabweis-
licher Notwendigkeit in diesen Zusammenhang den
Gedanken an die körperliche Welt, so haben wir
einen Begriff von der im vereinigten Problem
liegenden komplizierten Dynamik. Und mit diesem


 
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