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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Mössel, Julius: Die Farbe als Bauelement (Auszug): eine Betrachtung mehr für Architekten als für Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0038

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Julius lNöffel.

33. Bühnengarteu auf untiefer Bühne; Skizze von Jul. Möffel. (Bühneutiefe 6,5 m.)

Raum feine Begrenzung findet. Es ist ganz natür-
lich, den Gedanken der farbigen Form von pla-
stischen Vorbildern herüberzunehmen. Im Aerne ist
es eine Taktfrage, wie weit man in der farbig
plastischen Nachbildung gehen kann. Wir können
ganz gut auf einer Ante oder an Stelle einer sol-
chen, ins Lineare übersetzt, die Wirkung der Säule
und des Aapitäls mit wenigen Strichen geben, ohne
daß die Farbe selbst die plastische Wirkung Vortäu-
schen will. Wir erreichen damit aber die Araft der
wirklichen Säule fürs Auge. Ebenso können wir
die Wirkung einer konstruktiv tatsächlichen Aassetten-
decke in die flächenhafte farbige Darstellung über-
tragen ; können eine Architekturfunktion betonen, daß
das Gefühl glaubt, sie könne zehnmal mehr tragen,
als wozu sie verpflichtet ist. Was dis mit Farbe
zu ermöglichende Unterstützung der Fläche als Bau-
glied anbelangt, sehen wir eine Notwendigkeit erst
ein, wenn die Fläche eine Unterteilung verlangt und
plastische Mittel hiefür nicht vorhanden sind oder
nicht ausreichen. Das sind verhältnismäßig „leichte
Fälle", solange es sich um wohlgebaute Anlagen,
die Rücksicht auf Schönheit, Rücksicht auf den ein-

zelnen Menschen nehmen können, handelt, — eine
Grenze die im Airchenbau z. B. überschritten werden
kann. Nicht so in Räumen, die aus akustischen, hygie-
nischen und Verkehrsgründen geschaffen sind, bei welchen
diese idealen Rücksichten in zweiter Linie gestellt
werden müssen. Denken wir an Räume, die viele
Menschen fassen sollen, an Bahnhofshallen, Aus-
stellungshallen, Aaufhäuser, Theaterzuschauerräume,
welch letztere sich gegen die Bühne zu neigen müssen.
An die technische Schönheit, die nur auf dem Um-
weg über wirkliche Fachkenntnisse gemessen werden
kann, wird sich aber das primäre Gefühl für
Statik nie ganz gewöhnen. Auch unser differen-
ziertes Gefühl, das den Begriff des technisch Voll-
kommenen mit Recht als Grundpfeiler der Schönheit
kennt, wird nicht restlos befriedigt, wenn dein Be-
dürfnis nach sichtbarer Statik, im angezogenen Falle
nach bforizontalität lastender Massen, nicht entsprochen
wird, Hier ist die Farbe, richtig verwendet, das
letzte Mittel. Ihre Aufgabe würde dann darin be-
stehen, von solcher Gewaltsamkeit des konstruktiv
Gegebenen die Aufmerksamkeit gebieterisch auf selb-
ständige eigene Entwicklung zu ziehen. Unter Um»

‘k

Kunst und Handwerk. 62. Iabrg. Heft J.

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