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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Mössel, Julius: Die Farbe als Bauelement (Auszug): eine Betrachtung mehr für Architekten als für Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0040

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Julius ITtöffel.

36.

tragende Fläche als solche in der Erscheinung rui-
nieren. Es ist der Grundsatz aufzustellen, daß, ab-
gesehen von den wenigen Fällen, in denen eine
farbige Durchbrechung der Fläche notwendig werden
kann, durch den Gedanken und die Erscheinung der
Malerei hindurch immer die Fläche deutlich spürbar
bleiben muß. Wir sehen das an allen Wandmale-
reien historischer Zeiten. Das Bewußtsein, daß die
Bemalung für die Fläche geschieht, wenngleich die
Malerei auch den Zweck, in besondere Beziehung
zum Beschauer zu treten, mit ausdrückt, hat diese
guten Alten nie verlassen. Und gingen sie wie Man-
tegna, Michelangelo, Veronese, Tiepolo u. a. mit
den äußersten Möglichkeiten zu Werke, so lag schon
in der ganzen Richtung ihrer Vorstellungen so viel
architektonische Tradition, und ihr koloristisches An-
schauungsvcrmögen war so sehr im Sinne weitest-
gehender Naturwahrheit eigentlich körper- und lust-
los, daß sie alles riskieren konnten; daß sie den
Fimmel in den Raum herniedersenken, Mauern
durchbrechen, ja, das Äußerste wagend, gemalte Fi-
guren in einzelnen Gliedmaßen mittels gemalten
Gipses aus der Bildebene herausformen durften,
denn immer blieb dahinter die Mauer spürbar. Das

ist der springende Punkt. — Führt die Illusions-
erweckung über diese natürliche Grenze hinaus, dann
verdirbt die Farbe die Architektur. Folgerichtig ergibt
sich daraus, daß Naturalismus vielleicht in der Weise
der Anwendung wie Zapaner dies erreicht haben,
innerhalb der Architektur möglich ist, aber nie zu
vollkommener Täuschung über natürliche Raum-
grenzen führen darf. Der gesteigerte panoramen-
hafte Naturalismus der Malerei des ausgehenden
neunzehnten Jahrhunderts verleugnet und zerstört
die Fläche; das ist ihre besondere Errungenschaft,
aber auch das, was sie endgültig von der Architektur
trennt, sie von ihren Zwecken ausschließt. Und dies
durch die höchste Stufe, die sie als Darstellungsmittel
überhaupt erreichen konnte. Nie war die Scheide-
wand zwischen beiden Aünsten größer. Dies erklärt
auch, warum die Maler, als sie vor zehn Zähren
in ein Verhältnis zu den tektonischen Aünsten und
schließlich zur Baukunst traten, nur ein Problem der
Form in ihr finden konnten. Von ihren Errungen-
schaften im Bilde wollten sie nicht lassen, das schien
ihnen — und ist auch außerhalb der Architektur
— eine Sache für sich. Daß Farbe aber in Ver-
bindung mit Architektur ganz eigene Wege gehen

36 u. 37. Friesfiguren; von Jul. Mösfel.

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