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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Braun, Irene: Frauenarbeit an der Nürnberger Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0051

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Frauenarbeit au der Nürnberger Uunstgewerbeschnle.

48. Lello-Decke, von Lina Bock; Rurbelslickerei mit dunkel-
blaugrünen Umrissen; süllende Farben: schwarz und dunkel
blaurot. (*/a d. wirkl. Größe.)

reich vertreten; auch bei früheren Gelegenheiten hat
sie sich schon mehrfach ehrende Auszeichnungen ge-
holt. Plan und Ziele entsprechen im ganzen denen
der Münchener Schwesteranstalt, auch der Zusammen-
hang mit der praktischen Arbeit und der Industrie
wird sorgsam gepflegt.

Es war ein weiter Weg von der Stube, die
\662 Sandrart in seiner eigenen Wohnung zur
Verfügung gestellt hatte, und die später gegen „ein
bequem Zimmer" in der Goldenen Rose vertauscht
wurde, bis zu dem schön gelegenen Prachtbau in
der Marienvorstadt, der (89H—9? nach den Plänen
eines Professors der Schule, Gonradin Walther erbaut
wurde, mit den guten Arbeitsräumen, den reichen
Sammlungen von Runstgegenständen und auserlesenen
Schülerarbeiten, der Bibliothek und allen Einrichtungen
die zur Förderung der Schüler, auch über die Schule
hinaus, dienen.

Seit dem Sommer \<)07 sind nun auch Mäd-
chen zum Studium zugelassen, ihre Zahl betrug
im vergangenen Jahr 2s, neben 2(0 Tages- und
Abendschülern. Der Unterricht ist in vielen Fächern
gemeinsam, in Akt, Anatomie und einzelnen tech-
nischen Fächern getrennt. Als Lehrerin für Zeichnen,
Entwerfen und künstlerische Landarbeit wirkt Else
Iaskolla. In diesen Fächern wird ein Hauptgewicht
aufs „Machenkönnen" gelegt, die technische Fertig-
keit muß zuverlässig ausgebildet fein, ehe eigene Er-
findungen ins Spiel kommen, und hierdurch werden
alle jene Zierinotive gewonnen, die sich aus der
Technik selbst ergeben — der sicherste Weg zu ver-
nünftiger Dekoration.

An der Münchener Schule wird nach denselben
Grundsätzen gearbeitet. Unter der Leitung von
Gertrud Rommel, der Lehrerin an der Städtischen
Frauenarbeitsschule, ist auch hier seit sfi02 eine Ulaffe
für praktische Landarbeit (zwei Nachmittage wöchent-
lich) eingerichtet, die in engstem Zusammenhang mit
den Zeichen- und Uompositionsklassen von M. Geys
und Th. Wittmann steht. In Pest 6, (909-
unserer Zeitschrift wurden bei Gelegenheit der Aus-
stellung (908 auch die Resultate dieser Abteilung der
Schule nach ihren künstlerischen und technischen Vor-
zügen gewürdigt und z. T. reproduziert: Stickereien,
Spitzenarbeit und Batiks.

An der kleineren Nürnberger Schule vereinigt
E. Iaskolla alle drei Fächer; ihren Ulassen ent-
stammen die ausgesührten Entwürfe, die wir heute
zeigen — Beispiele von tüchtiger, wohlverstandener
Arbeit.

Die Buntslickerei ist durch einige Stücke von kräf-
tiger Wirkung vertreten; bei strenger Einteilung sind
die Motive so einfach, wie sie heut die kunstgewerbliche
Richtung verlangt. Manches erinnert an die Bunt-
stickereien aus den Donauländern, z. B. die reiche
Tischdecke von I. Dehner (Abb. fl7, oben) in ihrer
energischen Farbenwahl — schwarz, königsblau,
hellgrün, altgelb — und die andere (Abb. ^7, unten)
mit den schmalen Borten in Schwarz und Dunkelblau-
grün auf Weiß von L. Bock — mit dem schwarzen
Wappentier; ihre Tellodecke (Abb. ^8) und das apart
eingeteilte Riffen von M. Zapf (Abb. H9) wirken
klar und angenehm. Unsere Dekorationskunst hat sich
ja von der Hungersnot der letzten Jahre erholt, das
alleinseligmachende Quadrat, womit uns Wien be-
schenkt hat, wirkt nur noch in der Anordnung gern
mit; man blamiert sich nicht mehr, wenn man den
Reiz einer Naturform erkennbar im Mrnament ver-
wendet und die Reaktion gegen die allzufein graue
Stimmung, in die wir geraten waren, macht sich in
oft recht tollen Farbensprüngen geltend. Im Augen-

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