Arbeiten von Hermann 2chwabe, Nürnberg.
*34 u. *35- Fenerständer (einer für ein Iagdschiößchen);
nach Entwürfen von Herm. Schwabe, Nürnberg
in Schmiedeisen ausgeführt von Schlossermeister Lorenz
G e s ch m a ch, ebenda. (710 d. wirkl. Größe.)
von Geschlechtern saß, war nicht mehr, und den
Menschen hauchte eisiger Wind des Unendlichen erkältend
in banggewordene Kerzen. Böhme schrieb s620 in
seiner Morgenröte im Aufgang: „Ich selbst habe vor
dieser meiner Erkenntnis und Offenbarung geglaubt,
daß das allein der rechte Fimmel sei, der sich mit
einem runden Kreis ganz lichtblau hoch über den
Sternen schließt, in der Meinung, Gott habe allein
da sein besonderes Wesen und regiere allein kraft
seines heiligeil Geistes in dieser Welt. Als mir aber
dieses gar manchen harten Stoß gegeben hatte, so
bin ich endlich in eine gar harte Melancholie und
Traurigkeit geraten, als ich die große Tiefe dieser
Welt, die Sonne und die Sterne und die Wolken,
den Regen und den Schnee anschaute und in meinen:
Geiste die ganze Schöpfung dieser Welt betrachtete." —
Wenn alle Bäume Schreiber wären und alle Äste
Schreibfedern und alle Gewässer Tinte, so könnten
sie das Elend und den Jammer nicht genugsam
beschreiben, den der gefallene Geist in diese Welt
gebracht hat. —
Böhme langte wieder einmal dort an, wo die
Menschheit so oft schon vor ihm verwandten Sinnes
gestanden war, bei einem Rückfall in Naturmystik,
Naturpantheismus. Sein verborgener Gott, der weder
im Fimmel hoch über Sternen, im heiligen Element
steht, noch im Abgrund, noch mitten in der Welt,
fragt nichts darnach, daß man ihm „steinerne päuser
baue und Pracht". Nichts auch nach „Singen und
Klingen". — „Laßt Euch nur nicht an der Mauer-
kirche genügen, denn sie ist nur ein Steinhaufen
und tot, aber Gottes Tempel ist lebendig, gehet
darein, es ist kein anderer Rat, weder im Pimmel
noch auf dieser Welt." Böhmes Gott wäre höchstens
gewaltsam noch in ein abstraktes Symbol zu fassen,
er ist gestaltlos, beschaulicher Stimmung zerstießt er
zum schwebenden Gefühl, der bildende Künstler findet
nichts mehr an ihm, dem er Gestalt zu leihen ver-
möchte.
Der liebende, ernste Vatergott des Lutherischen
Evangeliums, der Sohn und Mittler, Maria die
Mutter boten noch Stoff für Gestaltung, aber auch
im Protestantismus lauern antibildnerische Regungen
tief in: Grunde. Die gotischen Kathedralen waren
doch wohl die letzteli Tempel der Gottheiten, die
aus den fernen Zeiten ältester Verehrung vermensch-
lichter Kräfte herüberragten, an deren ewig wandelnder
Gestaltung sich die Künste heraufgebildet hatten, bis
sie mit dem verlorenen Glauben sich von ihnen ab-
wandten.
Dürer durfte sich auf seiner niederländischen
Reise noch in seiner Volkstümlichkeit sonnen, seine
unzähligen religiösen Blätter trafen überall die Stim-
mung, aus der sie ihm selber geflossen waren. Seine
Apostel tragen in ihrem schriftlichen Bekenntilis unter
den Tafeln das Vermächtnis einer tief religiösen,
um die Fortdauer des reinen Evangeliums besorg-
ten, gläubigen Natur. König Ludwig I. ließ, als
er die Originale aus Nürnberg nach der Residenz-
stadt überführte, die Originaltexte abschneiden und
unter die in Nürnberg verbleibenden Kopien setzen, sie
sollten im katholischen München niemand kränken.
Mag es uns wirrer noch nrachen, als wir fein
inüffen, es bedarf nichts hinter uns Liegendes der
Rechtfertigung durch uns, noch weniger unseres Be-
dauerns; Verlorenes bleibt verloren, unwiederbringlich
vorüber; kein noch so bewegliches Klagen dreht das
Rad des Geschehens rückwärts. Was hinter uns
liegt, war Leben von Menschen, heißes Leben mit
aller Leidenschaftlichkeit und Glut menschlicher Wesen,
mit allem, was an ihnen gut oder übel war, und
es ist schwer zu sagen, wo die Verdüsterungen des
Mittelalters begannen, wie viel der einzelne wirklich
litt, der sich an den für alle gültigen Konventionen
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*34 u. *35- Fenerständer (einer für ein Iagdschiößchen);
nach Entwürfen von Herm. Schwabe, Nürnberg
in Schmiedeisen ausgeführt von Schlossermeister Lorenz
G e s ch m a ch, ebenda. (710 d. wirkl. Größe.)
von Geschlechtern saß, war nicht mehr, und den
Menschen hauchte eisiger Wind des Unendlichen erkältend
in banggewordene Kerzen. Böhme schrieb s620 in
seiner Morgenröte im Aufgang: „Ich selbst habe vor
dieser meiner Erkenntnis und Offenbarung geglaubt,
daß das allein der rechte Fimmel sei, der sich mit
einem runden Kreis ganz lichtblau hoch über den
Sternen schließt, in der Meinung, Gott habe allein
da sein besonderes Wesen und regiere allein kraft
seines heiligeil Geistes in dieser Welt. Als mir aber
dieses gar manchen harten Stoß gegeben hatte, so
bin ich endlich in eine gar harte Melancholie und
Traurigkeit geraten, als ich die große Tiefe dieser
Welt, die Sonne und die Sterne und die Wolken,
den Regen und den Schnee anschaute und in meinen:
Geiste die ganze Schöpfung dieser Welt betrachtete." —
Wenn alle Bäume Schreiber wären und alle Äste
Schreibfedern und alle Gewässer Tinte, so könnten
sie das Elend und den Jammer nicht genugsam
beschreiben, den der gefallene Geist in diese Welt
gebracht hat. —
Böhme langte wieder einmal dort an, wo die
Menschheit so oft schon vor ihm verwandten Sinnes
gestanden war, bei einem Rückfall in Naturmystik,
Naturpantheismus. Sein verborgener Gott, der weder
im Fimmel hoch über Sternen, im heiligen Element
steht, noch im Abgrund, noch mitten in der Welt,
fragt nichts darnach, daß man ihm „steinerne päuser
baue und Pracht". Nichts auch nach „Singen und
Klingen". — „Laßt Euch nur nicht an der Mauer-
kirche genügen, denn sie ist nur ein Steinhaufen
und tot, aber Gottes Tempel ist lebendig, gehet
darein, es ist kein anderer Rat, weder im Pimmel
noch auf dieser Welt." Böhmes Gott wäre höchstens
gewaltsam noch in ein abstraktes Symbol zu fassen,
er ist gestaltlos, beschaulicher Stimmung zerstießt er
zum schwebenden Gefühl, der bildende Künstler findet
nichts mehr an ihm, dem er Gestalt zu leihen ver-
möchte.
Der liebende, ernste Vatergott des Lutherischen
Evangeliums, der Sohn und Mittler, Maria die
Mutter boten noch Stoff für Gestaltung, aber auch
im Protestantismus lauern antibildnerische Regungen
tief in: Grunde. Die gotischen Kathedralen waren
doch wohl die letzteli Tempel der Gottheiten, die
aus den fernen Zeiten ältester Verehrung vermensch-
lichter Kräfte herüberragten, an deren ewig wandelnder
Gestaltung sich die Künste heraufgebildet hatten, bis
sie mit dem verlorenen Glauben sich von ihnen ab-
wandten.
Dürer durfte sich auf seiner niederländischen
Reise noch in seiner Volkstümlichkeit sonnen, seine
unzähligen religiösen Blätter trafen überall die Stim-
mung, aus der sie ihm selber geflossen waren. Seine
Apostel tragen in ihrem schriftlichen Bekenntilis unter
den Tafeln das Vermächtnis einer tief religiösen,
um die Fortdauer des reinen Evangeliums besorg-
ten, gläubigen Natur. König Ludwig I. ließ, als
er die Originale aus Nürnberg nach der Residenz-
stadt überführte, die Originaltexte abschneiden und
unter die in Nürnberg verbleibenden Kopien setzen, sie
sollten im katholischen München niemand kränken.
Mag es uns wirrer noch nrachen, als wir fein
inüffen, es bedarf nichts hinter uns Liegendes der
Rechtfertigung durch uns, noch weniger unseres Be-
dauerns; Verlorenes bleibt verloren, unwiederbringlich
vorüber; kein noch so bewegliches Klagen dreht das
Rad des Geschehens rückwärts. Was hinter uns
liegt, war Leben von Menschen, heißes Leben mit
aller Leidenschaftlichkeit und Glut menschlicher Wesen,
mit allem, was an ihnen gut oder übel war, und
es ist schwer zu sagen, wo die Verdüsterungen des
Mittelalters begannen, wie viel der einzelne wirklich
litt, der sich an den für alle gültigen Konventionen
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