Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

DOI article:
Halm, M.: Gewerbekünstler einst und jetzt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0107

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Richard Throll.

;53. Fries im Jagdsaal der Pension Minerva zu Berchtesgaden; von Rich. Throll.

werker. Dürer, erwachsen in der Goldschmiedstube,
entwirft als Mann noch prunkende Pokale, Paar-
schmuck für Damen, Tafelaufsätze. Nach seinem
Entwürfe läßt er sich den eleganten Rahmen für
sein Allerheiligcnbild von einem polzschnitzer aus denr
Kreise des Veit Stoß fertigen. Polbeins erfinderischer
Stift ist unerschöpflich. Glasgemälüe, Manddekora-
tionen, Geschmeide und Pokale, Bchwertgriffe und
Dolchscheiden wirft er mit absoluten: Verständnis
für die Bedingungen sachgemäßer Ausführung in
festen Strichen aufs Papier. Noch vielseitiger er-
scheint der plastisch geschulte Peter Flötner, dessen
geistvolle Entwürfe alles umfassen: architektonische
Schöpfungen, Zimmereinrichtungen, Metallarbeiten
jeglicher Art, keramische Erzeugnisse, Schnitzwerke
und Zntarsien, Buchschmuck und vieles andere. Der
ganze Bereich künstlerischer Betätigung ist diesen
„freien Künstlern" untertan, und damit wird der
pandwerker abhängig von der Kunst. Beine eigene
Erfindungskraft schwindet mehr und mehr, die Ent-
würfe der Künstler obsiegen.

Mo aber nicht der freie Künstler den Gegen-
stand in seiner Pauptform erfindet und in all seinen
schmückenden Gliedern ausdenkt, da sucht der streb-
same Gewerbekünstler Behelf im Vorhandenen oder
von Künstlerhand Gespendeten, in seinen Model-
und Modellsammlungen, in seinen Model- und Kunst-
büchlein, in den Ornament- und figürlichen Blichen
der sogenannten Kleinmeister und Ornamentstecher,
deren tiefgehender Einfluß vom j6. bis herein ins
Jahrhundert zu verfolgen ist. Ich nenne von
den älteren nur Aldegrever, Beham, Brosamer,
Flyndt, Bolis, die weiteren Kreisen den Stil der Re-
naissance vermittelten, von den späteren nur die
Ausländer Dppenort, Gillot, Audran, puet, Eisen,
die neben Architekten wie de Totte, Blondel, Meissonier,
Tuvillics und anderen für unser Vaterland eine gänzliche
Mandlung des Geschmacks — das Rokoko — heraus-
führten. Diese älteren erfindenden Meister fragen sich
auch keineswegs immer, in welchem Material ihre
formalen Griffelkünste zu praktischem Leben erstehen

sollen, das all überlassen sie skrupellos dem pand-
werker. Diese mußten selbst Zusehen, wie sie die
Vorlagen den Fähigkeiten des jeweiligen Materials,
ob Polz, Metall, Btein, Ton rc. anpaßten und sach-
gemäßen Ausdruck verliehen. Mir können dasselbe
Ornament von Aldegrever etwa an einem polz-
portal oder an einem Bteinkamin, dieselbe figürliche
Plakette Flötners an einem kostbaren Prunkpokal wie
an der Massenware rheinischer Krugbäcker finden. Eins
freilich kam all diesen Übersetzungen graphischer Vor-
lagen zugute, die langjährige Tradition technischer
Meisterschaft, das Verständnis für das im Material
Zulässige und Verwerfliche.

Mit dieser Anlehnung an allgemein zugängliche
graphische Vorlagen wurde natürlich das persönliche
und individuelle Element stark in den pintergrund
gedrängt, ganz aber konnte es nicht unterdrückt werden.
Am stärksten erhält es sich naturgemäß da, wo, wie
z. B. in der Porzellanmanufaktur oder bei Zinn-
arbeiten und anderem, der Erdenker neuer Muster
diese als „Modelle" bis zur unmittelbaren Abfor-
mung im endgültigen Btoffe vorbereitet.

Der pandwerker und Kunstgewerbler ist während
des ganzen Mittelalters und von da an bis in die
ersten Jahre des ffl. Jahrhunderts herein fein eigener
Kaufmann, der Leiter seines ganzen geschäftlichen
Betriebs. Er arbeitet nie fürs Lager und gelegent-
lichen Absatz, sondern nur auf Bestellung. Auftrag,
Entwurf, Ausführung uud Bezahlung spielen sich
ohne jeden Mittler zwischen pandwerker und Kunden
ab. Nur der Keramiker und Textilarbeiter, dann
auch die Zinngießer machten von jeher hierin eine
Ausnahme, denn gewisse technische Manipulationen —
Brennen, Gießen, Weben und anderes— bedingen eine
gewisse Massenproduktion. Es entsteht das Lager.
Die Erzeugnisse möglichst bald an die Kunden ab-
zusetzen, wurde bald Sache des Pandels, der das
ehemals nur in engen Grenzen sich bewegende Markt-
gebiet durch Versand der Maren zu vergrößern
suchte. Es bahnen sich auf diesen Gebieten zuerst die
industriellen Unternehmungen an, die kaufmännischer

94
 
Annotationen