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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 62.1911-1912

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Westheim, Paul: Die Frauenausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6844#0285

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Die Frauenausstellung.

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M«R.

593—595. Spitzen aus der Rgl. S ä ch s. M u st er k l ö p p e l sch u
Reticella-Muster-Spitze.

(Vj d. wirkt. Größe.) Phot. Boedecker.

findungskraft zu erkennen wäre, die allermeisten Dinge
haben jenen unangenehmen Beigeschmack des Ge-
künstelten und des Ausgetüftelten, der dem neuen
Kunstgewerbe von den Gegnern so gern zum Bor-
wurf gemacht wird. Ich notiere als ein paar erträg-
liche Ausnahmen: Katharina Greve-Ham-

burger (Abb.582), Lulu Francis Araul, Anny
Hy stak (Abb. 583), allenfalls noch Frida v. Ber-
lepsch und Gertrud v. Schnellenbühel. Bei
den Fächern wäre viellleicht auch die eine oder andere

Ausnahme festzustellen, allein die süßlich
schwulige Geste der Adele v. Fink und der
Margarete Erler haben da alles andere
an die Wand gedrückt. Dieser limonaden-
farbige Naturalismus, dieses Fischzeug, das
zwischen Schuppen herumschwimmt, dieses
Rosengerank um ätherische Jungfrauen herum
ist eine der peinlichsten Nachfrüchte des nun
doch schon zehn Jahre überstandenen Jugend-
stiles. Es ist nach den Kostproben kein
Wunder, wenn die Gesellschaft nichts wissen
will von den neuen Fächerkünsten. Was ihr
da geboten wird, steht so außerhalb des Be-
reichs aller Kunst und selbstverständlich auch
des guten Geschmackes, daß solche Künstelei
zu uitterstützen verkehrteste Philanthropie wäre.
Derlei Erscheinungen provozieren die ab-
sprechenden Urteile, die über das Frauenkunst-
gewerbe gelegentlich fallen.

Es ist bezeichnend, daß man mit Be-
hagen alle die Abteilungen durchwandern
konnte, in denen die Frau eine lange Arbeits-
tradition hinter sich hat. Bon den vorbild-
lichen Schaufensterdekorationen war schon die
Rede. Dann aber meine ich die famosen
Blumenstücke von Franziska Bruck, die
Gruppen der Stickereien, der Spitzen und
nicht zuletzt jenes entzückende Kunstgewerbe,
das die Modistinnen mit ihren chiken
Roben und chiken Hüten zu liefern verstehen.
Welch hohes Niveau hatte
zuni Beispiel eine Kollek-
tion Metallstickereien der
Else Wislicenius (Abb.

585—587). Polnisches und
Asiatisches glaubt man in
der starken Sprache dieser
Nadelkünste zu einer eige-
nen Geste verwebt. Nicht
weniger eigen und auch
nicht weniger prickelnd ist
die Lyrik einer £jöfel,
deren gestickte Bilder nicht
nachgemacht werden sollten, weil
die Lyrik ihres Empfindens nun
einmal einzig ist. Die Berti
Rosenberg, die ein bißchen
Kaprice da hinein zu bringen
weiß, mag ob dieser Geste noch
angehen. Die Bildstickereien der
Edda Wiese zeigen aber schon,
wie leicht so etwas zum Niveau
der Haustöchterkünste herabsinken

le

39s. Modedame;
Porzellanstatuette
von Martha
Schlameus,
Berlin.

(Vo d. w. Größe.)
Phot. Boedecker.

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