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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

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Erbstein, Ambros: Adel und Volk in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0033

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Adel und Volk in der Kunst.

auch auf dem Gebiete der Aunst ruenschlicher und
Heller geworden. Die volkstümliche Natur der Aunst
wurde von Morris und Ruskin unermüdlich gepredigt,
und die präraphaelitifche Auflehnung gegen die aristo-
kratische Aunst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
war die erste Wendung zum Bessern. Seither haben
viele große Künstler wie Meunier, Segantini, Rodin,
Nhde, Aalkreuth, Ceibl u. a. m. der Aunst die neue
und wichtige Bahn gewiesen, freilich, es sind noch
nicht alle Handwerker Aünstler, nicht alle Künstler
schon Handwerker. Dazu fehlt noch ein großes Stück.
Aber in den nordischen Ländern, namentlich in Deutsch-
land und England, sind nunmehr Aunst und Freiheit
unauflöslich vereint. Es kann nicht überall und zu
allen Zeiten so sein. Es gibt noch andere Wege,
geistige und ästhetische, sich der Aunst zu nähern, und
diesem oder jenem Volke mag damit gedient sein.
Aber wir sind damit nicht zufrieden, denn diese Wege
sind der Inspiration unserer Rasse nicht gelegen.
Jedes Volk sieht die Aunst in dem Lichte des Ge-
dankens an, den es zum Wissen der Menschheit bei-
tragen will. Den Juden kam der Gedanke von der
Einheit Gottes, und das einzige Überbleibsel von
ihrer einstigen Aunst ist das Dichterwerk, in dem dieser
Gedanke verherrlicht wird. Die Griechen erhielten
von ihren Göttern den Gedanken von der Schönheit
der sittlichen Grundsätze, die das Gleichmaß und die
Übereinstimmung enthalten, und sie brachten diesen
Gedanken in sichtbare Formen von unerreichter Voll-
endung. Der Wert ihrer Aunst kann nur in Beziehung
zu diesem Gedanken erfaßt werden. Den nüchternen
Römern fiel der Gedanke von der Wichtigkeit der
praktischen Vorzüge der Dinge zu, und sie hinterließen
neben einer großen Anzahl minder kunstvoller Tempel
Wasserleitungen, Sielanlagen und Bäder, die bis
auf den heutigen Tag bewundert werden. Die Aunst
der Römer stimmte mit ihrem Gedanken vollständig
überein. Wir, die gotische Rasse, erhielten als Geschenk
den Gedanken von der demokratischen Freiheit der
Aunst. Das ist unser Ideal. Wir verkündeten die
Theorie, daß die Arbeit des Künstlers und des Hand-
werkers die Quelle seiner erfrischenden Begeisterung
ist. Für die germanische Rasse ist die gegenseitige
Abhängigkeit zwischen Aunst und Freiheit zum abso-
luten Gesetz geworden. Die Anerkennung dieser Theorie
bedeutet keineswegs, sich mit einer künstlerischen
Minderwertigkeit zu begnügen, denn obgleich in dieser
Theorie eine Aufstellung ästhetischer Grundsätze nicht
enthalten ist, bringt dennoch das Volk, wenn es frei,
begeistert und von seiner Mission überzeugt schaffen
kann, solche Werke zustande, in denen es die großen
ästhetischen Grundsätze unbewußt herausarbeitet. Die
schlaffe, gleichgültige Einbildungskraft ist es, die uns

5 (. Froschprinzessin; von Emil Geiger, tVolfratshause».
Kopf und siände Elfenbein, Gewandung Speckstein, grangelb
mit roten Adern, Gewandinuster graviert und mit Blattgold
belegt; Frosch aus Bernstein; Sockel Marmor.

(sialbe wirkl. Größe.)

in manchen Statuen, Gemälden und dichterischen Wer-
ken neben dem Überflüssigen und Gemeinen ärgert.
Die Kunstwerke, in denen wir den Griechen am
nächsten stehen, sind die Statuen der heiligen und
Jungfrauen an den Fronten unserer gotischen Dome.
Ihre Linien sind einfach und fromm und doch von
großer Kraft im Ausdrucke. Freilich, was hier als

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