Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 63.1912-1913

DOI article:
Rauecker, B.: Die wirtschaftlichen Grundlagen des modernen Kunstgewerbes
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7141#0443

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die wirtschaftlichen Grundlagen des modernen Annstgewerbes.

78j. kfolzplastiken; von Jakob lfo

haltig wirksam zu sein, denn noch heute — ich bitte
das zu beherzigen — haben etwa 75°/0 aller kunst-
gewerblichen Zeichner ein jährliches Einkommen
von 2000 Alk. und darunter. Etwas mehr als
die Hälfte arbeitet länger als 9 stunden im Tage.
Vereinzelt wird noch über {0 stunden gearbeitet.
Und nur etwa 26°/0 aller Zeichner sind über 4.0 Jahre
alt. Das aber heißt, daß dieser Beruf die körper-
lichen und geistigen Kräfte so ungemein frühzeitig
verbraucht, daß in ihm fast ausnahmslos nur für
jüngere Leute Platz ist. Dies aber scheint mir das
Beachtenswerteste, spricht man von der sozialen Frage
im Kunstgewerbezeichnerstand.

Damit aber bin ich an einige Zusammenhänge
zwischen Kunstgewerbe, Qualitätsarbeit und Sozial-
politik herangekommen, deren Betrachtung unmittel-
bar an die soziale Lage der werktätigen Arbeiter
im Kunstgewerbe anknüpft. Zch muß es mir leider
versagen aus diesen Punkt hier näher einzugehen.
Der Raummangel trägt die Schuld daran. Vielleicht
ist dem Leser gedient, wenn ich ihn auf einen
späteren Artikel vertröste. —

Da wir nun die Dinge und Menschen des neuen
Kunstgewerbes betrachtet haben, als Wirtschafts-
objekte, und Wirtfchaftssubjekte, erhebt sich zu
guter Letzt noch die Frage: Welche wirtschaftlich
bedeutungsvolle Funktion übernimmt das deutsche
Kunstgewerbe im großen arbeitsteiligen Leben der
Völker dieser Erde?

Es ist allgemein zu sagen: Ze mehr die Arbeits-
teilung der Länder den unkultivierteren die Per-
stellung der Rohmaterialien und palbfabrikate zuweist,

fmann. —Vs d. wirkl. Größe.)

und den höher und höchstkultivierten die technisch
und formal fortstrebende Fertigfabrikation überläßt,
um so mehr wird es für Deutschland Lebensbedingung,
die Arbeitskräfte seiner Nation zu der wirtschaftlich
lohnenden Perstellungsweise anzuhalten, die der
deutsche Werkbund zutreffend die „Durchgeiftigung
Deutscher Arbeit" genannt hat. Denn die wissenschaft-
liche Erfindungswelle verebbt allmählich in ruhigere
Täler und die Technik schreitet hinsichtlich neuer
Perstellungsprozesse ihrer Sättigung entgegen, pier-
bei ist wohl zu beachten: Die Erfindungen technischer
Kultur sind nach geraumer Zeit vogelfrei, wer auf
der Welt sie nutzen will, kann dies tun oder mit
anderen Worten, wirtschaftlich gesprochen: Die Güter,
die in technischer Beziehung Qualitätsware dar-
stellen, sind über kurz oder lang vertretbare, ver-
mehrbare Ware. Die Produkte aber, denen der
formale geschmackliche Einschlag die qualitative
Überlegenheit verleiht, die Güter des Kunstgewerbes
also, genießen ein Monopol. Denn der Geschmack
kann nicht nachgemacht werden. Er ist bodenständig,
im besten Sinne: national.

Die deutschen Pandels- und pandwerkskammer-
berichte, auch die Berichte der deutschen Konsulate
und Generalkonsulate im Ausland, treten für das,
was ich mir eben auszuführen erlaubte, den un-
trüglichen Wahrheitsbeweis an. Das Resultat aus
ihren Berichten aber läßt sich in folgenden zwei
Sätzen zusammenfassen.

s. Die Ausfuhr deutscher Fertigfabrikate nimmt
gegenüber den beiden anderen Gruppen der Roh-
materialien und palbfabrikate eine überragende

2:8
 
Annotationen