K. L E I P F I N G ER • B L U M E N K Ü ß E L IN TERRAKOTTA
Weltstadt wird zuletzt zum großen Garten. Das Problem,
das alle künstlerischen Aufgaben in sich faßt, ist die mo-
derne Großstadt, es ist ein Problem der Bevölkerung, der
Statistik, des Verkehrs, des täglichen Lebens, das allein
die Baukunst von morgen wird lösen können. Es bedarf
dazu des bestimmten Programms und des großen Willens,
auch des Willens zur Zerstörung. Paris lebt noch heute
von den kühnen Durchstichen des Baron Haussmann, der
der letzte Meister des Urbanismus war. Le Corbusier ent-
wirft den Plan einer zukünftigen Stadt: sie besteht aus
dem Geschäftszentrum und dem Gartenstadtgürtel, Wol-
kenkratzern und Siedlungen und bringt auf engstem Raum
die meisten Bewohner unter, ohne sie an Luft, Licht, Zeit,
Bequemlichkeit zu verkürzen. Zu allen Zeiten haben Ar-
chitekten Idealpläne von Häusern und Städten gemacht
und damit ihren Zeitgenossen Richtlinien gegeben. Heute
wäre es notwendiger denn je, daß für jede Stadt ein mo-
derner Idealplan ihrer weitern Entwicklung gemacht wür-
de. Erst wenn man die Ideen zu Ende denkt, wird man
auf alle Notwendigkeiten, Bedürfnisse, Wünschbarkeiten
im einzelnen aufmerksam. Die Stadt der Arbeit muß zu-
gleich eine Stadt der Erholung sein, jedes Haus trägt seinen
Garten mit sich und ist Nutzbau und Landhaus zugleich.
Wie soll man aber alte Städte in neue verwandeln? Chi-
rurgie oder Medizin fragt Le Corbusier rigoros und ant-
wortet: Im Zentrum Chirurgie, an derPeripherieMedizin.
Nur mit kühnen Einschnitten kann man den Verkehr in
Weltstädten regeln.
Le Corbusier spricht nur von Paris und für Paris. Vie-
les hat man in Deutschland schon längst gehört. Aber
darauf kommt es an, wer die Erkenntnis zuerst in Tat
umsetzt. u. Christoffel
Friedrich von Thiersch, der Architekt. Ein
Lebensbild von Hermann Thiersch. München, Hugo
Bruckmann 1925.
Dem Andenken eines Menschen ist nicht wenig da-
mit gedient, wenn unter dem Eindruck seines Abschieds
ohne Säumen die Aufzeichnung seiner Schicksale einsetzt.
Erfreulicher noch, wenn Freunde oder Verwandte sich
dieser Dankespflicht unterziehen. Denn was etwa von
häuslicher Bewunderung einfließt, und selbst eine gewisse
Unsicherheit in der Abwägung der allgemeinen Werte
nimmt man gern in Kauf für die Wärme des Miterlebens
und die Deutlichkeit derNachsicht. Friedrich vonThiersch,
der Erfolgreiche, Vielbewanderte, ist der würdige Gegen-
stand eines solchen Gedächtnisbuches geworden, das sein
Neffe, Hermann Thiersch, ihm gewidmet hat. Es ist ein
sympathisches, anregendes, aber in textlicher Hinsicht
leider kein künstlerisches Buch. Sympathisch insofern, als
alle Polemik vermieden und der Bericht über Erfolg und
Mißerfolg dieses reichen Lebens zwar nicht gleichgültig,
aber doch schlicht und sachlich vorgetragen ist. Anregend,
weil der Kreis der Personen und Kräfte, in den Thiersch
eingestellt erscheint, erfreulich weit gezogen ist und man
den Eindruck gewinnt, die Geschichte habe Gewaltiges
aufbieten müssen, um Persönlichkeiten solcher Art zu
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Weltstadt wird zuletzt zum großen Garten. Das Problem,
das alle künstlerischen Aufgaben in sich faßt, ist die mo-
derne Großstadt, es ist ein Problem der Bevölkerung, der
Statistik, des Verkehrs, des täglichen Lebens, das allein
die Baukunst von morgen wird lösen können. Es bedarf
dazu des bestimmten Programms und des großen Willens,
auch des Willens zur Zerstörung. Paris lebt noch heute
von den kühnen Durchstichen des Baron Haussmann, der
der letzte Meister des Urbanismus war. Le Corbusier ent-
wirft den Plan einer zukünftigen Stadt: sie besteht aus
dem Geschäftszentrum und dem Gartenstadtgürtel, Wol-
kenkratzern und Siedlungen und bringt auf engstem Raum
die meisten Bewohner unter, ohne sie an Luft, Licht, Zeit,
Bequemlichkeit zu verkürzen. Zu allen Zeiten haben Ar-
chitekten Idealpläne von Häusern und Städten gemacht
und damit ihren Zeitgenossen Richtlinien gegeben. Heute
wäre es notwendiger denn je, daß für jede Stadt ein mo-
derner Idealplan ihrer weitern Entwicklung gemacht wür-
de. Erst wenn man die Ideen zu Ende denkt, wird man
auf alle Notwendigkeiten, Bedürfnisse, Wünschbarkeiten
im einzelnen aufmerksam. Die Stadt der Arbeit muß zu-
gleich eine Stadt der Erholung sein, jedes Haus trägt seinen
Garten mit sich und ist Nutzbau und Landhaus zugleich.
Wie soll man aber alte Städte in neue verwandeln? Chi-
rurgie oder Medizin fragt Le Corbusier rigoros und ant-
wortet: Im Zentrum Chirurgie, an derPeripherieMedizin.
Nur mit kühnen Einschnitten kann man den Verkehr in
Weltstädten regeln.
Le Corbusier spricht nur von Paris und für Paris. Vie-
les hat man in Deutschland schon längst gehört. Aber
darauf kommt es an, wer die Erkenntnis zuerst in Tat
umsetzt. u. Christoffel
Friedrich von Thiersch, der Architekt. Ein
Lebensbild von Hermann Thiersch. München, Hugo
Bruckmann 1925.
Dem Andenken eines Menschen ist nicht wenig da-
mit gedient, wenn unter dem Eindruck seines Abschieds
ohne Säumen die Aufzeichnung seiner Schicksale einsetzt.
Erfreulicher noch, wenn Freunde oder Verwandte sich
dieser Dankespflicht unterziehen. Denn was etwa von
häuslicher Bewunderung einfließt, und selbst eine gewisse
Unsicherheit in der Abwägung der allgemeinen Werte
nimmt man gern in Kauf für die Wärme des Miterlebens
und die Deutlichkeit derNachsicht. Friedrich vonThiersch,
der Erfolgreiche, Vielbewanderte, ist der würdige Gegen-
stand eines solchen Gedächtnisbuches geworden, das sein
Neffe, Hermann Thiersch, ihm gewidmet hat. Es ist ein
sympathisches, anregendes, aber in textlicher Hinsicht
leider kein künstlerisches Buch. Sympathisch insofern, als
alle Polemik vermieden und der Bericht über Erfolg und
Mißerfolg dieses reichen Lebens zwar nicht gleichgültig,
aber doch schlicht und sachlich vorgetragen ist. Anregend,
weil der Kreis der Personen und Kräfte, in den Thiersch
eingestellt erscheint, erfreulich weit gezogen ist und man
den Eindruck gewinnt, die Geschichte habe Gewaltiges
aufbieten müssen, um Persönlichkeiten solcher Art zu
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