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Die Kunde — N.F.8.1957

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Heft 3-4
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Dieck, A.: Die noch nicht geborgene Moorleiche von Bonstorf, Kreis Celle, aus de, jahre 1450 und die Moorleiche vom Riepe Moor, Kreis Rotenburg (Hannover), gefunden im Jahre 1751
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https://doi.org/10.11588/diglit.71125#0319

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Zeichnung für solche Garne und Zwirne ist, deren Drehung bei senk-
recht gehaltenen Fäden dem Schrägstrich des Buchstaben Z parallel ist.
Ergänzend sei hinzugefügt, daß die Zugehörigkeit der Stoffreste zur
hier behandelten Moorleiche wahrscheinlich, aber keineswegs er-
wiesen ist.
4. Die ältestgefundenen Moorleichen
Die älteste bisher in Europa bekannt gewordene Moorleiche stammt
aus dem Schalkholzer Moor in Schleswig-Holstein. Sie wurde im Jahr
1640 geborgen. Interessant ist, daß nun nicht mehr wie bei der Moor-
leiche 1450 Bonstorf abergläubische Vorstellungen mit der Moorleiche
verbunden werden, sondern daß man sie als Kriminalfall deutet23).
Die nach diesem Fund geborgenen Moorleichen stammen alle aus
England, nur eine von ihnen kam in Irland zutage: Um 1700 wurde
bei Axholm in Lincolnshire ein Moortoter geborgen, 1704 wurden bei
Hope in Derbyshire ein Mann und eine Frau gefunden; die nächste
Moorleiche wurde 1720 in West Tofts in Norfolk entdeckt, es folgten
1734 der Fund von Lough Esk (County Donegal im nördlichen Irland)
und um 1740 bzw. im Jahr 1747 die beiden Toten von Axholm in
Lincolnshire. Diesen Funden schließt sich die oben behandelte Moor-
leiche vom Rieper Moor an. Von da an vergeht fast kein Jahr, daß
nicht wenigstens eine Moorleiche irgendwo in Europa geborgen
wurde.
Die Auffindung dieser ersten Moorleichen der neueren Geschichte
fällt in die Zeit des Aufkommens der nationalökonomischen Anschau-
ung des Physiokratismus. Diese Lehre, vor allem von Quesnay (1694
bis 1774) verfochten, besagt, daß die Quelle des Nationalreichtums im
Grund und Boden sowie im Ackerbau liege; sie löste die Theorie des
Merkantilismus ab, die seit Colbert (1619—1683) bis in die Mitte des
18. Jh. geherrscht hatte und die lehrte, daß die Quelle des National-
reichtums im auswärtigen Handel und im baren Gelde zu suchen sei.
Seit der Mitte des 18. Jh. begann man nun in weiten Teilen Europas
— in Deutschland vor allem unter der tatkräftigen Leitung Jürgen
Christian Findorffs (1720—1792) —, zusätzlich zu dem vorhandenen
Acker Moore zu kultivieren, um entsprechend der Lehre des Physio-
kratismus vermehrt Ackerbau treiben zu können. Ab jetzt reißen in-
folge der ständigen Moorkultivierungsarbeiten die Moorleichenfunde
in Nordwestdeutschland, Irland, den Niederlanden und Dänemark bis
heute nicht ab (nur in Irland stockten sie seit der großen Auswande-
rungswelle im vorigen Jahrhundert); hinzu traten seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts Funde aus den in der oben gebrachten Tabelle
genannten Gebieten.

23) A. Dieck „Ein unbekannter Moorleichenfund aus dem Schalkholzer Moor
vom Jahr 1640 und die schleswig-holsteinischen Moorleichen" in: Die Heimat,
64 (Neumünster 1957) 333—336.

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