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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Halle akzeptiert. Von der Akademie trennte sich die
Orosvenor-Oallery sozusagen als eine Art Sezession in
unserem, jedoch englisch nuanciertem Sinne, und aus letz-
terer ging alsdann die »New-Gallery«, mithin eine Sezes-
sion von der Sezession hervor, deren Direktor noch heute
Mr. Charles Halle ist. Fast die gesamte zeitgenössische,
moderne Künstlerschaft Englands, geringe Ausnahmen ab-
gerechnet, hat hier überhaupt zuerst die Gelegenheit ge-
habt, sich bekannt zu machen. Halle gebührt ferner das
Verdienst, in seiner Galerie eine Reihe retrospektiver Aus-
stellungen ersten Ranges veranstaltet zu haben, unter denen
ich als Beispiel nur diejenige spanischer Kunst, die derTudor-
Periode, der Stuart- und Viktoria-Epoche hervorheben will.

Obgleich selbst ein Maler, der kein unvollendetes Bild
aus der Hand gibt und als fertig gelten lassen will, so
hat er doch solche von jungen Künstlern zugelassen, wenn
eine charakteristische oder wirklich von Talent zeugende
Note in ihren Gemälden zu erkennen war. Ja, er hat
selbst solche Werke aufgenommen, die seiner innersten
Natur widerstrebten und unter der Flagge des Impressio-
nismus, schon an und für sich nicht gerade ansprechende
Sujets, man möchte sagen noch obendrein absichtlich in
unsympathischer Weise wiedergaben. Seine eigene künst-
lerische Natur ist eben für die Darstellung des Schönen
und solcher Szenen veranlagt, die erfreuen oder mindestens
Lichtblicke gewähren. Ungeachtet des für ihn selbst maß-
gebenden Grundsatzes, sind alle Nuancen des »Impressio-
nismus« in der »New-Gallery« vertreten gewesen. Mit
Watts und Holman Hunt ist Halle der Ansicht, daß der
Name »Impressionismus« eigentlich überflüssig und nicht
zutreffend erscheint, da jedermann auf seine Art durch
ein Kunstwerk möglichst großen Eindruck zu machen
wünscht, und daß ferner ein charakteristisches Merkmal
— ein Generalnenner — für diese Schule überhaupt fehlt,
da in ihren nicht einmal deutlich erkennbaren Grenzen
kein einheitliches Prinzip herrscht.

Zahlreiche und wirklich pikante Anekdoten verleihen
dem Buche einen ebenso heiteren wie abwechselnden
Charakter, und zwar um so mehr, als sie persönlich Er-
lebtes schildern. Solche Begebenheiten werden namentlich
aus seinem Verkehr mit dem Dichter Browning, dem Präsi-
denten der Akademie, Lord Leighton, Millais, Burne-Jones
und dem Minister Gladstone erzählt. Dieser schätzte —
wie so manche Größe — seine Befähigung für irgend eine
Nebenbeschäftigung höher, wie die Begabung für sein
Hauptamt. So hielt sich der alte Gladstone für einen
besseren Theologen, Bücher- und Kunstkenner wie Staats-
mann. Zur Sache soll wenigstens folgendes erwähnt
werden: Als Halle eines Tages zum Besuch bei Gladstone
anwesend war, bemerkte Mrs. Gladstone, ihr Gatte
habe kürzlich eine sehr schöne alte, emaillierte, von
Pierre Raymond hergestellte Schüssel erworben, aber
Martin Colnaghi, eine anerkannte Fachautorität, weise die
Arbeit dem gleich ausgezeichneten Meister Penicaud II.
zu. In diesem Augenblick trat Gladstone ein und seine
Gemahlin wiederholte Colnaghis Ausspruch, worauf ersterer
bemerkte: »Das bedaure ich, denn ich glaubte bisher, Col-
naghi verstände etwas von diesen Dingen! o. v. Schleinitz.

Dr. Victor Golubew, Die Skizzenbücher Jacopo Bellinis.
It. Teil: Das Pariser Skizzenbuch. Brüssel, G. v. Oest & Co.
Wenn die Entwicklungsgeschichte von Florenz in
prachtvoller Klarheit, Glied an Glied organisch sich anein-

anderreiht, so umhüllt noch tiefes Dunkel, Ungewißheit
die Anfänge der venezianischen Renaissance. Wir wissen
zwei Maler — Gentile und Giovanni Bellini — gaben der
dortigen Malerei ihre Eigenart und bestimmten die beiden
Richtungen: Gentile die der feinen Lichttönungen, Gio-
vanni Bellini die der koloristischen Glanzmalerei. Wir
wissen auch, daß ihr Vater Jacopo Bellini Maler war und
verschiedene sehr geschätzte, hochinteressante Skizzen-
bücher 1464 bei seinem Tode seinen Söhnen hinterlassen
hat. Zwei derselben sind uns erhalten (Paris, Louvre, und
London, Brit. Mus.). Aber sie waren doch nur einem
engeren Kreis von Gelehrten bekannt. Hier nun werden
sie in ganz vorzüglichen Lichtdrucken publiziert. Zunächst
liegt Bd. II mit dem Pariser Skizzenbuch vor uns. Bd. I
soll eine große historische Einleitung und die größeren
Werke des Meisters bringen, Bd. III das Londoner Skizzen-
buch. Die Wissenschaft wird diese glänzende, allen An-
forderungen entsprechende Veröffentlichung sicher dem
Autor Dr. Victor Golubew, wie auch dem Verlag (Brüssel,
van Oest & Co.) besonders danken. Liegt doch in diesen
Skizzenbüchern die Hauptgrundlage zu einer endlichen
Klarlegung der älteren venezianischen Kunst. Ein Schüler
Gentile da Fabianos, ist Jacopo Bellini nach Florenz und,
wie die Skizzen zeigen, nach Rom gewandert. So hat der
Künstler florentinische Kunst wie die Antike studiert.
Zuerst in Venedig, dann in Padua hat er sein Atelier auf-
geschlagen. Dort kamen nun alle großen Florentiner da-
mals zusammen: Donatello, Castagno, Uccello, Filippo
Lippi und endlich auch Leon Battista Alberti. Von letz-
terem wurde Jacopo besonders zu perspektivischen Studien
angeregt. Über die Einflüsse all dieser Meister wird der
Autor in Bd. I berichten. Die Fülle der Fragen, die sich
an den Autor richten, ist eine ganz außerordentliche. Wie
verhält sich Jacopo zur Antike; hat er auch weitere Reisen
gemacht? Was hat er von den Florentinern gelernt und
damit seinen Söhnen übergeben? Können wir aus diesen
Skizzen Rückschlüsse auf die florentinischen verloren ge-
gangenen Fresken in Padua und Venedig machen? Wie
steht der Meister zur älteren paduanischen Kunst? End-
lich, was hat Mantegna, nebenbei sein Schwiegersohn, von
ihm gelernt? Hat er nicht neben der Perspektive auch antike
Reminiszenzen den Skizzen Jacopo Bellinis entnommen?
Sicher sind Gentile Bellini und dann Carpaccio die ge-
treuesten Erben seiner Kunst gewesen. Haben sie doch
gerade das weiter entwickelt, was Jacopo Bellini offenbar
am meisten reizte, die Entwickelung der Perspektive in
Architektur wie in freier Raumbildung der weiten Land-
schaft. Aber auch Giovanni Bellini hat, wie die Zeich-
nungen erkennen lassen, manches denselben entnommen.
Eine ausführliche Besprechung mit eventuellen Schluß-
folgerungen kann erst gegeben werden, wenn die weiteren
Skizzen und Werke des Meisters vor uns liegen, wenn
besonders der Autor seine eigenen Betrachtungen und
tieferen Einblicke geliefert hat. Mit dieser Publikation
eines historisch bedeutsamen Werkes ersten Ranges sind
dem Forscher die Grundlagen zum Studium der veneziani-
schen Malerei gegeben. Dazu bieten sich höchst bedeut-
same Einblicke in die Kultur und das Wesen der Zeit.
Die Zeichnungen, sämtlich in feinstem Silberstift ausgeführt,
haben die ganze Delikatesse dieser Technik und die Naivi-
tät der schlichten naturwahren Auffassung jener Künstler
des Quattrocento. f. Knapp.

Inhalt: Der Pariser Herbstsalon. Von K. E. Schmidt. — Neuanordnungen, Vermehrungen und Ausstellungen im British Museum. Von O. v. Schleinitz. —
Personalien. — Wettbewerbe: Altländer Bauernhaus; Osterholzer Friedhof in Bremen. — Berliner Fontane-Denkmal; Bismarck-Brunnen in
Arnstadt; Abbe-Denkmal in Jena; Segantini-Denkmal in Arco. — Ausgrabungen auf dem Forum. — Funde in Trier, Treviso, Gubbio. —
Ausstellungen in Berlin, München, Frankfurt a. M., Freiburg i. Br., Buenos Aires. — Zur angeblichen Fälschung der Wachsbüste von Leonardo;
Erweiterungsbau des Bonner Provinziaimuseums; Arndt-Museum in Oodesberg; Geschenk für den Louvre in Paris. — Kaiserl. Deutsches
Archäolog. Institut in Rom. — Deutscher Buchgewerbeverein in Leipzig. — Bildnis Wilhelms II. von Franz Matsch; Zwei neue Historien-
bilder von Otto Markus. — Vermischtes. — C. E. Halle: Notes from a Painter's Life; Victor Golubew: Die Skizzenbücher Jacopo Bellinis.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. g. m. b. h. Leipzig
 
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