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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Maas, Max: Archäologische Nachlese
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0061

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Archäologische Nachlese

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Kopistenarbeii, die auf ein Lysippisches Original hin-
weist, während der Katalog des Bardo-Museums die
Figur für eine Replik des Eros des Praxiteles erklärt.
Ferner, eine Bronzeherme, die den Namen des Boethos
als des Verfertigers trägt, stellt den Hermes und nicht
den Dionysos dar. Eine Schöpfung des 4. Jahrhun-
derts, wahrscheinlich aus dem Kreise des Praxiteles
mit feinem Archaismus, gab dem Kopisten Vorbild,
die Form der Herme ist Eigentum der Kunst des
Boethos. Die Fragmente eines Marmorkraters lassen
in den erhaltenen Figuren eine Wiederholung des
Kraters Borghese im Louvre erkennen. Prächtige
Bronzegesimse, die sich korrespondieren, deren Zu-
gehörigkeit aber nicht zu bestimmen ist, zeigen Pro-
tomen, Dionysos und Mänade, in flotter aber wenig
sorgfältiger Arbeit neuattischen Stils. — Inzwischen
sind diese Untersuchungen auf dem Grunde des Meeres
bisEndeJuli fortgesetzt worden und Merlin, der Direktor
der Tunesischen Altertümer, hat darüber der Academie
des inscriptions berichtet. Diesmal hat man von den Mar-
morsäulen, die in der Zahl von über 50 unten liegen sollen,
eine 3,95 m hohe Marmorsäule geborgen. Auch eine
Anzahl jonischer Kapitelle mit griechischen Inschriften,
Vasen und andere keramische Stücke sind hervorge-
holt worden. Von Statuen wird ein laufender Eros
mit der Fackel in der Hand( weiter ein tanzender
Eros und die Statuette eines Schauspielers mit bärtiger
Maske gerühmt. Auch sonst ist noch Plastik geborgen
worden, worüber ein genauer Bericht noch abzuwarten
ist. Die durch Privatmittel ermöglichten Taucher-
arbeiten nach diesen Schätzen werden im nächsten
Jahre fortgesetzt. Merlin ist aber der Ansicht, daß es
sich hier um ein von Attika aus verfrachtetes Schiff
gehandelt hat. Ein etwas ausführlicherer Bericht liegt
jetzt im »Journal des Savants« vom August vor.

Auch der Service des monuments historiques in
Algier hat erfolgreiche Werke vollbracht, von denen
Schulten berichtet. In Thibilis wird der regelmäßige
Plan der Stadt immer vollständiger. Die beiden, die
Stadt rechtwinklig in vier Viertel schneidenden Haupt-
straßen haben auch hier Säulenhallen auf beiden Seiten,
mit denen ihre Breite etwa 15 Meter beträgt. Das
Forum mit der Kurie und die Basilika sind freigelegt.

— In Thubursikum ist ein Tempel mit drei Zellen
ausgegraben worden, der als ein Saturn- oder Jupiter-
tempel zu betrachten ist. — In der Geburtsstadt des
Apuleius und der Studienstadt des Augustinus, in
Madaura, sind große Thermen freigelegt, in deren
Anlage die zugehörige Latrina besonders gelobt wird.

— In Timgad läßt eine gefundene Inschrift mit dem
Ausdruck Umbilicus erkennen, daß unter dem »Stadt-
nabel« der Mittelpunkt der Stadt, der Schnittpunkt der
Hauptstraßen verstanden werden soll. In einem Haus,
das der Familie der Corfidi gehört hat, ist eine mit
Wasserspülung eingerichtete Latrine gefunden worden,
das erste Beispiel eines privaten Wasserklosetts in
Timgad. Im Südwesten, außerhalb der Stadt ist ein
Quartier aufgedeckt worden, in dem man auf mehrere
kleine Fabriken, darunter auf eine Bronzegießerei mit
einer Masse Material und fertiger Arbeit, gestoßen ist.
Es ist anzunehmen, daß diese Handwerkervorstadt der

»Bazar von Timgard« war. In der Nähe lag auch
ein unaufgedeckter Merkurtempel; und es wurde ein
Fund von 6000 Münzen aus dem Ende des 4. Jahr-
hunderts nach Chr. gemacht, der auf die damaligen
Einfälle der Berber hindeutet. Bis jetzt sind zwölf
christliche Basiliken und elf Badeanstalten, ferner ein
großes Kloster in Timgad, dem afrikanischen Pom-
peji, bloßgelegt. — Auch der afrikanische Limes im
Gebiet der »Mauretania caesariensis« ist untersucht
worden. Dieser Limes ist durchaus dem Terrain an-
gepaßt, die kleinen ihn verteidigenden Kastelle liegen
an strategischen Punkten. Von einheimischen Denk-
mälern sind mehrere Pyramiden, Mausoleen berbe-
rischer Fürsten nach Art des Medrassen, zu erwähnen. —
Aus Frankreich, Belgien, der Schweiz wäre manches
Wichtige zu bemerken; ebenso aus Ungarn und aus
Österreich. Aber die Kunstarchäologie kommt hier
weniger in Betracht- als die allgemeine Altertums-
wissenschaft. Nur aus Britannien möchten wir aus
dem Berichte von Haverfield noch einiges anführen,
da hier nach längerer Zeit erst wieder Ausführliches
und darunter Hochinteressantes gemeldet wird. Bei
Newstead, wohl dem römischen Trimontium, lag am
südlichen Ufer des Flusses Tweed ein großes Kastell.
Die Untersuchungen, die James Curie hier vorge-
nommen hat, haben nicht allein zur Geschichte der
mehrfachen Okkupation des Lagers interessante De-
tailsgebracht, sondern hier verdienen auch die kleineren
Funde Beachtung; besonders bemerkenswert ist der
reiche Schatz von Waffen, Helmen, Rüstungen und
anderem, die Curie aus verschiedenen Gruben oder
Brunnen außerhalb des Lagers hervorgezogen hat.
Die Stücke gehören meist der Flavierzeit an. Ein
Paradehelm aus Eisen, ein Reiterhelm in Bronze und
ein anderer Helm aus diesen Funden sind im Archäo-
logischen Anzeiger abgebildet als ganz hervorragende
Stücke. — Auch im Corbridge-on-Tyne sind die
Ruinen mächtiger Gebäude, die, wie es scheint,
militärischen Zwecken dienten, aber kein rechtes Lager
bildeten und mit Wohnhäusern gemischt waren, auf-
gedeckt worden. Unter anderm sind zwei gut gebaute
Horrea (Militärlagerhäuser) mit Strebepfeilern und
unterirdischen Luftöffnungen bloßgelegt. Auch andere
Bauten wurden gefunden, darunter eine möglicherweise
als ein Militärbad zu betrachtende mit Hypocausten
und Latrinen versehene Anstalt. Außer einem Schatz
von 48 Goldmünzen und einem Goldring (aus der
Zeit vor 385) sind von Einzelfunden eine Steinplatte
mit einem Relief des Bellerophon (von einem um 208
errichteten Altar), ferner ein Relief des Sonnengottes
und ein fast lebensgroßes Exemplar der bekannten
Gruppe von Löwe und Hirsch aus Corbridge zu be-
merken, die letztgenannte Gruppe ist lebendig und
mit großer, freilich barbarischer Kraft ausgeführt.
Es ist interessant, daß diese Gruppe, als sie auf einer
illustrierten Postkarte erschien, in wenig Tagen in
2000 Exemplaren verkauft worden ist. — Durch
Ausgrabungen zu Silchester, wo sich nunmehr die
alte Stadt »Calleva Atrebatum« vollständig in ihrem
Plan erkennen läßt, und durch Ausgrabungen in
Caervent ist die Kultur der Provinz in bedeutender
 
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