Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

DOI Artikel:
Die Neuordnung der alten Pinakothek in München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
185

Die Neuordnung der Alten Pinakothek in München

186

leuchtung glänzend zur Geltung kommt. Seinen
früheren Platz nimmt Tizians Karl V. ein, der jedoch
unter dem hellen Grün des Grundes etwas leidet.
Überhaupt war mir in diesem Saal Herrn von Tschudis
erste Hängung, die alle Tizians möglichst an einer
Wand vereinigte, sympathischer. Ein Bild wie die
Dornenkrönung braucht auch Erstklassiges in seiner
Umgebung. Die Madonna mit dem Bambino, das
Männerporträt (Nr. 1111) und die Vanitas sind in der
jetzigen Aufstellung etwas gedrückt und wollen nicht
mehr so gut wirken wie früher. Auch wird hier das
Auge durch das von der Türe einfallende Licht etwas
geblendet, da die Vorhänge nicht ganz schließen.
Der aus Schleißheim hereingenommene Gonzagazyklus
von Jäc. Tintoretto, der den oberen Teil der Wände
bekleidet, wirkt dekorativ recht gut, ist aber doch
ein zu flüchtiges und minderwertiges Machwerk,
um seine Versetzung in die Pinakothek recht-
fertigen zu können. Ganz ausgezeichnet präsentieren
sich der französische Saal, in dem man zwei Pracht-
stücke aus dem Dunkel hervorgezogen hat, Goudreaux'
pompösen Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz und
Viviens Kurfürsten Maximilian Emanuel von Bayern,
und der spanische Saal, in dem das Espolio von el
Greco, das Hauptstück der Neuerwerbungen, an einem
Ehrenplatz prangt. Es ist mir nun nicht möglich,
alle weiteren Säle und Kabinette einzeln zu be-
sprechen, ich weise also nur noch als ganz besonders
gelungen auf die altdeutschen und altniederländischen
Kabinette, sowie auf das Rembrandt-Brouwer- und
das englische und französische Kabinett hin. Ein
Wort aber noch über den Saal der Altdeutschen.
Man hat auch hier, um Platz zu bekommen, mit
vollstem Recht verschiedenes herausgenommen (z. B.
zwei der beiden stark verrestaurierten Schaffnertafeln
und die sogen. Pseudo-Grünewalds) und versucht,
die Perlen dieses einzig dastehenden Raumes noch
besser zur Geltung zu bringen. Das ist auch ge-
lungen, jedoch auf Kosten der zwei bedeutendsten
Werke altdeutscher Malerei, die wir besitzen, der
Dürerschen Apostel. Man gab ihnen ihren Platz
links und rechts von der in das nächste Kabinett
führenden Türe. Sie gehören aber unbedingt neben-
einander und durch nichts getrennt in die Mitte einer
Wand als der künstlerische Kulminationspunkt des
ganzen Raumes und dürfen nicht wie Torwächter
neben einem Ausgang stehen. Eine Änderung der
gegenwärtigen Aufstellung wäre um so mehr zu wün-
schen, als ihr keine besonderen Schwierigkeiten im
Wege stehen. Man könnte nämlich einfach durch
Vertauschung einiger Bilder zu einem besseren Resul-
tate kommen. Wenn man an die Wand links von
der in das Kabinett führenden Türe in die Mitte die
Apostel und zu ihren Seiten die Pacherschen Flügel
hängt, so kann man die Wand rechts der Türe den
beiden Heiligen aus der Pacherschule, flankiert von
den beiden Lucretien, einräumen, wobei noch zu
überlegen wäre, ob man die wirklich recht minder-
wertige Lucretia Cranachs d. Ä. nicht lieber durch ein
besseres Stück ersetzt.

Wie schon mehrfach erwähnt, wurde eine große

Anzahl von Gemälden aus der Galerie ausgeschieden.
All ihre Namen, ja nur ihre Katalognummern zu
nennen, ist in dem Rahmen dieses Berichtes unmög-
lich; dagegen will ich wenigstens die aus den Filial-
galerien eingezogenen Werke, die die Bestände der
Pinakothek meistens auf das Glücklichste ergänzen, an-
führen. Der Galerie Schleißheim wurden entnommen:
Hans Multscher, Der Schmerzensmann (76)*).
Jan Pollak, Die Richter des Klosters Benediktbeuern
(63, im Schleißheimer Katalog als »Bayrisch
1494« angeführt).
Die prachtvolle, früher dem Grünewald zugeschriebene

Kreuzigung Cranachs von 1503 (181).
Wolf Traut, Joachim und Anna (114, im Katalog als

Schule Dürers).
Burgkmair, Der hl. Erasmus und der hl. Nicolaus
(92, 93, sie bilden die Flügel zu dem Johannes
auf Patmos in der Pinakothek. Zwei weitere
Flügel wurden aus der Galerie Burghausen ein-
gezogen).

Zwei Fragmente aus einem Jüngsten Gericht von
einem niederländischen Meister der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts (163, 164, gingen bisher
unter dem Titel »Art des Meisters von Groß-
gmain«).

Jacob Cornelisz, Beweinung Christi (29), Der hl. Kon-
stantin und die hl. Helena (30).

Jan Fyt, Drei Stilleben (1106, 1108, 1109).

Gerbrand v. d. Eeckhout, Abigail vor König David
(797).

Tintoretto, Der ganze Gonzagazyklus (531—538),
Kreuzigung (528).

Velazquez (?), jetzt M. del Mazo genannt, Das Reiter-
bildnis des Herzogs von Olivarez (774)-

Georg de Marees, Selbstbildnis mit Familie (378),
Bildnis der Familie des Doktors Winterhalter
(379)-

Fr. Boucher, Das bekannte nackte Mädchen auf dem
Sofa (756).

Hubert Robert, Ein vorzügliches Werk mit römischen

Tempelruinen (769).
George Morland, Ein Strandbild (776).

Aus der Galerie Augsburg wurden eingezogen:
Jacopo de Barbari, Das köstliche Stilleben von 1504
(288)2).

Leonardo da Vinci (?), Weibliches Bildnis (290).

Tintoretto, Christus bei Maria und Martha (309).

Jac. Bassano, Madonna in Trono mit Heiligen (314).

Joh. St. v. Calcar, Der Lautenspieler (306).

Parmeggianino, Maria mit Kind und St. Bruno (298)
und ein ziemlich mäßiges, derb gemaltes vene-
zianisches Frauenporträt (296).

Aus der Galerie in Erlangen wurden übernommen:
Alb. Dürer (?), Ein sehr interessantes leider stark über-
maltes Sippenbild.

1) Die in Klammern beigegebenen Nummern beziehen
sich auf den Schleißheimer Katalog vom Jahre 1905.

2) Die in Klammern beigegebenen Nummern beziehen
sich auf den Augsburger Katalog vom Jahre 1905.
 
Annotationen