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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Schottmüller, Frida: Die Zuverlässigkeit der englischen Zeugen im Florastreit
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0116

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215

Zur Berliner Florabüste

216

3) Lucas jun. gibt an,
er habe die Büste mit
Farben bemalt, die nicht
mit Ol, sondern lediglich
mit Terpentin angerieben
gewesen seien. Walter
Long, ein späterer Besitzer
der Büste und Restaurator
in Southampton, gibt an,
die Bemalung sei nicht mit
aus Pulver und Terpentin
gemischten Farben, oder
flatted oils, sondern mit
fall bodied oil bemalt.
(Die Dekorationen seien
wahrscheinlich in Wasser-
farben ausgeführt, aber
das könne nicht mit Sicher-
heit aus dem Gedächtnis
gesagt werden.

4) Die angebliche Vor-
lage für die Büste war
ein Bild, das 1846 im
Besitz des Kunsthändlers
Buchanan war. Nach W.
Roberts und Herbert Cook
(Times 1. u. 2. XII. 09)
war dies Bild am 4. Juli
1846 auf der Auktion bei
Christie und befindet sich
heute in Basildon Park
bei den Erben von Mr.
Charles Robinson. Der
Auktionskatalog (Nr. 58)
nennt es: Madame Jocondi,
auch als Lionardos Flora
bekannt, lange im Besitz
von Sir T. Baring, wo es
sehr bewundert wurde, er
hatte es sehr teuer gekauft.

(Times 1. XI. 09.)

Excellenz Raehlman hat
durch mikroskopische und
mikrochemische Unter-
suchungen als Bindemittel
für die blaue Mantelfarbe
Eiweiß festgestellt; und in
der rötlichen Haarfarbe als
Hauptbestandteil die in
der Temperamalerei des
15. Jahrhunderts in Italien
viel verwendete Flechten-
art derOrseille (keineswegs
in pulverisierter Form!)
vorgefunden. .

Outachten in den »Amt-
lichen Berichten aus den
Königl. Mus.« Januar
1910.

Das aus Buchanans Be-
sitz am 4. Juli 1846 ver-
steigerte lionardeske Flora-
bild ist nicht mit absoluter
Sicherheit mit dem in
Basildon Park zu identifi-
zieren. Das Athenaeum
vom 11. Juli 1846 gibt
seine ausführliche Be-
schreibung und Prove-
nienz; es stammt (wie auch
der Auktionskatalog weiß)
aus der Slg. Sir Thomas
Baring in Stratton, wo es
Passavant (1833) erwähnt.
Er nennt es eine Kopie
der (damals) in Brüssel
(jetzt in Petersburg) be-
findlichen Colombine, und
durch die Tatsache, daß
er dies letztgenannte Bild
in Brüssel ausführlich be-
schreibt, gewinnt seine
Notiz an Glaubwürdigkeit.
Auch Waagen war 1838
in Stratton, aber erwähnt
dort Leonardo nicht. Das
Morrisonsche Bild be-
spricht er in seinem letzten
Buch über England 1857,
und ebenda erwähnt er
auch in der Rossie Priory
beim Lord Kinnaird in
Schottland »a specimen
of that picture of a beauti-
ful woman, known by the
name of La Colombine,
once in the Collection of
the King of Holland«. —
Ist dieses die 1846 ver-
steigerte Flora?

Die Literatur über die Leonardesken Florabilder
in England ist voller Widersprüche. Dem Katalog
der Eremitage von 1891 zufolge stammt die »alte
Kopie« nach der Colombine aus der Sammlung Karls I.
und befindet sich noch heute (1891) in Stratton; eine
andere Kopie (nach Waagen von Solario) beim Duke
of Sutherland in London.

Andrerseits wird im Führer durch Hamptoncourt
die (von Berenson) dem Luini zugewiesene Flora eben-
da mit »dem lächelnden Weib mit Blumen in der Hand
von Leonardo oder einem seiner Schüler« im Inventar
der Sammlung Karls I. identifiziert. Noch in der
jüngsten Leonardo-Biographie (von Seydlitz II, S. 132)
wird die Komposition des Morrison-Bildes (so scheint
mir) mit dem in Hamptoncourt verwechselt, und beide
übereinstimmend genannt, obwohl sie nur im Gegen-
sinn sich decken, und das Hamptoncourt-Gemälde
eine Vollbekleidete, das Morrisonsche eine fast Nackte
darstellt.

Endlich pflegt auch noch eine dritte Komposition
des Leonardo-Kreises als Flora bezeichnet zu werden.
Es sind die von dem Chantillykarton abhängigen
Kompositionen, die der Haltung der Mona Lisa ent-
sprechen. Auch von ihnen befinden sich zwei in
England (in der Sammlung des Earl of Spencer und
bei Mr. Muir Mackenzie). Herbert Cook hat sie im
Burlington Magazine Mai 1909 zusammengestellt. Wie
verdienstlich und durch den Reiz des Aktuellen aus-
gezeichnet wäre eine exakte Publikation aller Flora-
bilder aus dem Leonardokreis, und die Abwandlungen
der Kompositionsmotive in andere Stoffe hinein (z. B.
der Hamptoncourt-Flora zu einer Maria Magdalena;
Burlington-Ausstellung 1898), und ein in England
lebender Forscher könnte einzig solche Arbeit leisten.
Berensons Bilderliste der North Italian Painters reicht
nicht nur der so knappen Bezeichnungen wegen hier
nicht zu. Es erscheint nach dem oben Gesagten
keineswegs sicher, daß das 1846 versteigerte Bild
die Flora von Basildon Park war. Schon Maurice
Brockwell hat in der Morning Post vom 17. De-
zember darauf hingewiesen. Freilich in diesem Fall
hätte Lucas junior zu anderer Zeit oder nach einem
anderen ähnlichen Bild seine Kopie gefertigt. —
Lucas junior gibt an, daß er dem Vater bei der Be-
malung der Flora geholfen und Rählmann betont, daß
die Technik für den Autor der Büste einen ebenso
technisch geschulten Maler als guten Bildhauer vor-
aussetzt. Als Lucas junior die Flora kopierte, d. h. in
den Jahren, da er angeblich auch bei der Büste ge-
holfen hat, ist er — das beweisen selbst schlechte
Nachbildungen des Bildes — kein technisch geschulter
guter Künstler gewesen.

Nachwort. Zur Abwehr jener, zumeist in der
deutschen Presse, ausgesprochenen Hypothese, die
Florabüste sei von Lucas als Fälschung beabsichtigt
gewesen, sei hier betont, daß Cooksey den schlechten
Zustand der Büste vielmehr aus ihrem Standort »ex-
posed to the weather« (Times 23. X.), »in an arbour«
(Daily Mail 27. X.) erklärt hat. (Erst auf deutsche
Einwürfe hin wurde »was kept beneath a glass shade
— Times 10. XI. — angegeben.) Und ebenso hat noch
 
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