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Neue Kunstwerke — Forschungen — Vermischtes
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dann zum Cinquecento vor und zog auch Niederländisches
(Honthorst, Rembrandt) noch in den Kreis seiner Betrach-
tungen.
NEUE KUNSTWERKE
X Max Liebermann hat kürzlich wieder ein neues Por-
trät von Wilhelm Bode gemalt. Das lebensgroße Bildnis
ist in seiner Art ähnlich gehalten wie die älteren Porträts,
die der Künstler von dem Berliner Generaldirektor ge-
schaffen hat: ein Kniestück, das nach links gewandt ist
und das Antlitz im Profil zeigt. Das Bild ist in der Zart-
heit und Helligkeit seiner Farbe eine neue Probe für die
Verjüngung, die Liebermanns Malerei gerade in letzter Zeit
wieder durchgemacht hat. — Kurz vorher hat Liebermann
zwei große Selbstporträts vollendet, von denen das eine
in die Uffizien zu Florenz gelangt ist, während das jüngste,
das sich zurzeit noch im Atelier des Künstlers befindet,
für die Hamburger Kunsthalle bestimmt ist.
X Bildhauer August Kraus in Berlin hat eine große
Mausoleumsanlage für den verstorbenen Begründer der
großen Lanzschen Maschinenfabrik in Mannheim, Geheim-
rat Lanz, geschaffen. Das Erbbegräbnis besteht aus einem
ernsten und würdigen Bau, in dessen Innenhalle man durch
eine weite ovale Öffnung des Fußbodens in die Gruft
hinunterblickt, in welcher der Sarkophag zur Aufstellung
kommt. Dieser ist ganz in Marmor gearbeitet und zeigt auf
einem schönen Unterbau die vortrefflich gelungene ruhende
Gestalt des Verewigten. Vier kurze Säulen an den Ecken
tragen die Sarkophagplatte, auf deren Rändern sich in relief-
artig herausgemeißelten, klaren Majuskeln ornamental wir-
kende Schriftbänder hinziehen, die darauf berechnet sind,
von oben her gelesen werden zu können. Die Säulen-ent-
sprechen den Pilastern der Innenarchitektur, deren Kapi-
tale, ebenso wie der sonstige plastische Schmuck des
weihevollen Raumes und der Bronzetür des Eingangs,
gleichfalls im Atelier von Kraus gearbeitet wurden. —
Auch ein Denkmal des bedeutenden Industriellen hat
Kraus geschaffen, das im Hof der Fabrik Aufstellung finden
soll. Es wird die überlebensgroße Figur von Lanz in Bronze
zeigen, während das Postament, sowie eine umgebende Archi-
tektur mit Brunnenanlagen an den Wänden, aus grauem
Kalkstein hergestellt werden. Mit großem Geschick hat
der Bildhauer hier das Problem bewältigt, eine moderne
Gestalt mit Rock und langen Hosen nicht als ein rea-
listisches Abbild, als eine vergrößerte Statuette zu halten,
sondern als monumentale Form aufzufassen und darzu-
stellen, indem er den rechtwinkligen, strengen Umriß des
Sockels oben weiterführte, wodurch zugleich eine engere
Verbindung und Einheit mit dem architektonischen Rahmen
erzielt wurde. Die Haltung der Hände auf dem Rücken
trägt mit dazu bei, dem Standbilde einen Eindruck von
monumentaler Ruhe und Geschlossenheit zu sichern.
FORSCHUNGEN
® Eine Kreuzigungsgruppe aus Mosbach bei
Aschaffenburg, die das großherzogliche Landesmuseum zu
Darmstadt kürzlich erwarb, veröffentlicht August Feigel in
dem Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst (1902,
2. Halbband) unter der Überschrift: Skulpturen im Stile
Grünewalds. In der Tat ist sowohl in der Gesamtstimmung
wie in gewissen formalen Einzelheiten eine Beziehung zu
dem großen Maler von Aschaffenburg unleugbar vorhanden.
Trotzdem wird man dem Verfasser danken, daß er der
Verführung widerstand, die Skulpturen Grünewald selbst
zuzuschreiben, und sich begnügt, sie einem talentvollen
Schüler zu geben, der vielleicht durch ein ehemals in
Aschaffenburg vorhandenes Kreuzigungsbild des Meisters
zu seiner Schöpfung angeregt worden sei.
Über Olivier von Gent, einem portugiesischen Bild-
hauer des 16. Jahrhunderts, sprach Georges Hulin in der
Historisch-Archäologischen Gesellschaft zu Gent. (Bulle-
tin de la Societe d'histoire et d'archeologie de Gand.
iyme annee Nr. 8. Gent 1909). Schon die einleitenden
Bemerkungen enthalten viel Interessantes. Gegen eine Auf-
fassung, die in der niederländischen Kunstgeschichtsfor-
schung zu manchen Fehlschlüssen verführt hat, wenden sich
folgende Ausführungen, die von einem viel weiteren Kreis
als dem der Genter Gelehrten gehört zu werden verdienen,
»In Brügge und Antwerpen gab es Häuser, deren Besonder-
heit die Produktion von Bildern für das Ausland war. Dies
hat bisweilen zu der Auffassung verführt, daß manche der
niederländischen Maler in Köln, Frankfurt, gar in Genua
arbeiteten, weil man eine ganze Anzahl ihrer Werke in
diesen Städten gefunden hat. Diese Beweisführung ist keine
andere, als wollte man nach drei oder vier Jahrhunderten
sagen, die Meister von Barbizon hätten in den Vereinigten
Staaten gemalt, weil zweifellos ihre Gemälde sich dann noch
viel zahlreicher als heute in den amerikanischen Sammlungen
befinden werden . . . Eine Eigentümlichkeit, die man hervor-
heben kann, besteht darin, daß die meisten Gemälde von
sehr großen Dimensionen auf Bestellung für das Ausland
gemacht waren.«
Olivier von Gent hat vorzugsweise für den König
Emmanuel von Portugal gearbeitet. Für Evora ausgeführte
Holzschnitzereien sind leider nicht erhalten geblieben. Da-
gegen befindet sich in der Kathedrale von Coimbra ein
riesiges Retabel in geschnitztem Holz aus dem Jahre 1508.
Die dem Hefte beigefügten Abbildungen zeigen Aufnahmen
vor und nach der Restauration. In alten Dokumenten wird
der Künstler »Meister Uliver, der Vlame« genannt; Hulin
identifiziert ihn mit dem Olivier von Gent, der in Evora
gearbeitet hat. Vielgerühmte Chorstühle Oliviers in der
Kirche von Thomar sind 1810 von den napoleonischen
Truppen zerstört worden. Es ist Hulin noch nicht ge-
lungen, Spuren des zweifellos aus Gent gebürtigen Künst-
lers in seiner Heimatstadt aufzufinden.
VERMISCHTES
+ München. Unter die Zahl derjenigen Künstler, die
ihrem Interesse an künstlerischen Dingen des Theater-
wesens durch die Tat Ausdruck geben, ist jetzt auch Prof.
Fritz August von Kaulbach gegangen, der, wie wir
hören, die Inszenierungsarbeiten bei der Neueinstudierung
der Gluckschen Oper »Iphigenie auf Tauris« leiten wird.
Das in nächfter Woche zur Aus-
gabe gelangende Februarheft der
ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
enthält unter anderen folgende größeren Arbeiten:
Die neue ftädtifdie Galerie in Frankfurt a. M. Von
ernftTl.'Benßard. Mit 11 Abbildungen.
Leonardo da Vinci und die Antike. Von Trtda Scfjoff-
müffer. Mit 11 Abbildungen.
Die Gemälde in der Accademia Properziana zu Affin.
Von Tllorton ft. 'Bernatß. Mit 8 Abbildungen.
Neue j ap an. Monumental-Publikationen v. O. Kämmet.
Ferner als Kunftbeilage eine Originalradierung des
belgifdi. Künftlers E. Thyfebaert „Straßenverkäufer".
Inhalt: Londoner Brief. Von O. v. Schleinitz. — Künstler-Protest in Florenz. — Personalien. — Wettbewerbe: Große Oper in Berlin, Sparkassen-
Gebäude des Kreises Wetzlar. — Ausstellungen in Berlin, Wiesbaden, München. — Museumsinsel in Berlin, Landesmuseum in Kassel. —
Berliner kunstgeschichtliche Gesellschaft; Bayerischer Kunstgewerbeverein. — Neue Kunstwerke von Max Liebermann und August Kraus. —
Kreuzigungsgruppe aus Mosbach; Über Olivier von Oent. — Vermischtes.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck vou Ernst Hedrich Nachf. G.m.b.H. Leipzig
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dann zum Cinquecento vor und zog auch Niederländisches
(Honthorst, Rembrandt) noch in den Kreis seiner Betrach-
tungen.
NEUE KUNSTWERKE
X Max Liebermann hat kürzlich wieder ein neues Por-
trät von Wilhelm Bode gemalt. Das lebensgroße Bildnis
ist in seiner Art ähnlich gehalten wie die älteren Porträts,
die der Künstler von dem Berliner Generaldirektor ge-
schaffen hat: ein Kniestück, das nach links gewandt ist
und das Antlitz im Profil zeigt. Das Bild ist in der Zart-
heit und Helligkeit seiner Farbe eine neue Probe für die
Verjüngung, die Liebermanns Malerei gerade in letzter Zeit
wieder durchgemacht hat. — Kurz vorher hat Liebermann
zwei große Selbstporträts vollendet, von denen das eine
in die Uffizien zu Florenz gelangt ist, während das jüngste,
das sich zurzeit noch im Atelier des Künstlers befindet,
für die Hamburger Kunsthalle bestimmt ist.
X Bildhauer August Kraus in Berlin hat eine große
Mausoleumsanlage für den verstorbenen Begründer der
großen Lanzschen Maschinenfabrik in Mannheim, Geheim-
rat Lanz, geschaffen. Das Erbbegräbnis besteht aus einem
ernsten und würdigen Bau, in dessen Innenhalle man durch
eine weite ovale Öffnung des Fußbodens in die Gruft
hinunterblickt, in welcher der Sarkophag zur Aufstellung
kommt. Dieser ist ganz in Marmor gearbeitet und zeigt auf
einem schönen Unterbau die vortrefflich gelungene ruhende
Gestalt des Verewigten. Vier kurze Säulen an den Ecken
tragen die Sarkophagplatte, auf deren Rändern sich in relief-
artig herausgemeißelten, klaren Majuskeln ornamental wir-
kende Schriftbänder hinziehen, die darauf berechnet sind,
von oben her gelesen werden zu können. Die Säulen-ent-
sprechen den Pilastern der Innenarchitektur, deren Kapi-
tale, ebenso wie der sonstige plastische Schmuck des
weihevollen Raumes und der Bronzetür des Eingangs,
gleichfalls im Atelier von Kraus gearbeitet wurden. —
Auch ein Denkmal des bedeutenden Industriellen hat
Kraus geschaffen, das im Hof der Fabrik Aufstellung finden
soll. Es wird die überlebensgroße Figur von Lanz in Bronze
zeigen, während das Postament, sowie eine umgebende Archi-
tektur mit Brunnenanlagen an den Wänden, aus grauem
Kalkstein hergestellt werden. Mit großem Geschick hat
der Bildhauer hier das Problem bewältigt, eine moderne
Gestalt mit Rock und langen Hosen nicht als ein rea-
listisches Abbild, als eine vergrößerte Statuette zu halten,
sondern als monumentale Form aufzufassen und darzu-
stellen, indem er den rechtwinkligen, strengen Umriß des
Sockels oben weiterführte, wodurch zugleich eine engere
Verbindung und Einheit mit dem architektonischen Rahmen
erzielt wurde. Die Haltung der Hände auf dem Rücken
trägt mit dazu bei, dem Standbilde einen Eindruck von
monumentaler Ruhe und Geschlossenheit zu sichern.
FORSCHUNGEN
® Eine Kreuzigungsgruppe aus Mosbach bei
Aschaffenburg, die das großherzogliche Landesmuseum zu
Darmstadt kürzlich erwarb, veröffentlicht August Feigel in
dem Münchener Jahrbuch der bildenden Kunst (1902,
2. Halbband) unter der Überschrift: Skulpturen im Stile
Grünewalds. In der Tat ist sowohl in der Gesamtstimmung
wie in gewissen formalen Einzelheiten eine Beziehung zu
dem großen Maler von Aschaffenburg unleugbar vorhanden.
Trotzdem wird man dem Verfasser danken, daß er der
Verführung widerstand, die Skulpturen Grünewald selbst
zuzuschreiben, und sich begnügt, sie einem talentvollen
Schüler zu geben, der vielleicht durch ein ehemals in
Aschaffenburg vorhandenes Kreuzigungsbild des Meisters
zu seiner Schöpfung angeregt worden sei.
Über Olivier von Gent, einem portugiesischen Bild-
hauer des 16. Jahrhunderts, sprach Georges Hulin in der
Historisch-Archäologischen Gesellschaft zu Gent. (Bulle-
tin de la Societe d'histoire et d'archeologie de Gand.
iyme annee Nr. 8. Gent 1909). Schon die einleitenden
Bemerkungen enthalten viel Interessantes. Gegen eine Auf-
fassung, die in der niederländischen Kunstgeschichtsfor-
schung zu manchen Fehlschlüssen verführt hat, wenden sich
folgende Ausführungen, die von einem viel weiteren Kreis
als dem der Genter Gelehrten gehört zu werden verdienen,
»In Brügge und Antwerpen gab es Häuser, deren Besonder-
heit die Produktion von Bildern für das Ausland war. Dies
hat bisweilen zu der Auffassung verführt, daß manche der
niederländischen Maler in Köln, Frankfurt, gar in Genua
arbeiteten, weil man eine ganze Anzahl ihrer Werke in
diesen Städten gefunden hat. Diese Beweisführung ist keine
andere, als wollte man nach drei oder vier Jahrhunderten
sagen, die Meister von Barbizon hätten in den Vereinigten
Staaten gemalt, weil zweifellos ihre Gemälde sich dann noch
viel zahlreicher als heute in den amerikanischen Sammlungen
befinden werden . . . Eine Eigentümlichkeit, die man hervor-
heben kann, besteht darin, daß die meisten Gemälde von
sehr großen Dimensionen auf Bestellung für das Ausland
gemacht waren.«
Olivier von Gent hat vorzugsweise für den König
Emmanuel von Portugal gearbeitet. Für Evora ausgeführte
Holzschnitzereien sind leider nicht erhalten geblieben. Da-
gegen befindet sich in der Kathedrale von Coimbra ein
riesiges Retabel in geschnitztem Holz aus dem Jahre 1508.
Die dem Hefte beigefügten Abbildungen zeigen Aufnahmen
vor und nach der Restauration. In alten Dokumenten wird
der Künstler »Meister Uliver, der Vlame« genannt; Hulin
identifiziert ihn mit dem Olivier von Gent, der in Evora
gearbeitet hat. Vielgerühmte Chorstühle Oliviers in der
Kirche von Thomar sind 1810 von den napoleonischen
Truppen zerstört worden. Es ist Hulin noch nicht ge-
lungen, Spuren des zweifellos aus Gent gebürtigen Künst-
lers in seiner Heimatstadt aufzufinden.
VERMISCHTES
+ München. Unter die Zahl derjenigen Künstler, die
ihrem Interesse an künstlerischen Dingen des Theater-
wesens durch die Tat Ausdruck geben, ist jetzt auch Prof.
Fritz August von Kaulbach gegangen, der, wie wir
hören, die Inszenierungsarbeiten bei der Neueinstudierung
der Gluckschen Oper »Iphigenie auf Tauris« leiten wird.
Das in nächfter Woche zur Aus-
gabe gelangende Februarheft der
ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
enthält unter anderen folgende größeren Arbeiten:
Die neue ftädtifdie Galerie in Frankfurt a. M. Von
ernftTl.'Benßard. Mit 11 Abbildungen.
Leonardo da Vinci und die Antike. Von Trtda Scfjoff-
müffer. Mit 11 Abbildungen.
Die Gemälde in der Accademia Properziana zu Affin.
Von Tllorton ft. 'Bernatß. Mit 8 Abbildungen.
Neue j ap an. Monumental-Publikationen v. O. Kämmet.
Ferner als Kunftbeilage eine Originalradierung des
belgifdi. Künftlers E. Thyfebaert „Straßenverkäufer".
Inhalt: Londoner Brief. Von O. v. Schleinitz. — Künstler-Protest in Florenz. — Personalien. — Wettbewerbe: Große Oper in Berlin, Sparkassen-
Gebäude des Kreises Wetzlar. — Ausstellungen in Berlin, Wiesbaden, München. — Museumsinsel in Berlin, Landesmuseum in Kassel. —
Berliner kunstgeschichtliche Gesellschaft; Bayerischer Kunstgewerbeverein. — Neue Kunstwerke von Max Liebermann und August Kraus. —
Kreuzigungsgruppe aus Mosbach; Über Olivier von Oent. — Vermischtes.
Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck vou Ernst Hedrich Nachf. G.m.b.H. Leipzig