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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0207

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397

Forschungen

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half, und vollendete es, ermutigt von Josse Vyt«. Bekannt-
lich ist der ganze Irrtum und die heute fast überall ver-
worfene Annahme, daß Jan Van Eyck der ursprüngliche
Maler des »Lammes« sei, daher gekommen, daß Albrecht
Dürerin seinem Reisejournal von einer»JohannestafeI« spricht.
Damit wollte er aber augenscheinlich nicht den Maler Jan
bezeichnen, sonst hätte er seiner Gepflogenheit gemäß
Meister Johannes gesagt, sondern das Werk in der Johannes-
kapelle. Joachim Münzer, der Oent am 26. März 1495 be-
suchte, erzählt, daß der Meister des Bildes vor dem Altar
begraben liegt. Das wäre also Hubert. Als wichtigstes
Beweisstück aber, das für Hubert spricht, gilt Wauters^das
folgende, von Rörsch bereits der Kunstwelt bekannt ge-
gebene. Es handelt sich in diesem Falle um den lateinischen
Reisebericht des Kanonikus Antonio de Beatis, den dieser
im Auftrage des Kardinals Luigi d'Arragona über dessen Reise
nach Gent im Jahre 1517 verfaßte. Dort heißt es vom
»Hl. Lamm«, es sei das schönste Bild der Christenheit,
und nach den Erklärungen der Kanonici von hl. Bavon vor
hundert Jahren von einem deutschen Meister namens »Ro-
bert« gemalt worden. Hier liegt augenscheinlich ein Schreib-
oderHörfehlervor; der Name Hubert, rein deutschen Klanges,
war so gut wie unbekannt in Italien. — Vorsichtiger und
zugleich umfassender in seinen Folgerungen ist E. Durand-
Greville, der in einem mit 82 großen Kunstdruckblättern
ausgestatteten monumentalen Werke das gesamte Schaffen
der Brüder Hubert und Jan Van Eyck zergliedert und
unter die kritische Lupe hält. (Hubert et Jan van Eyck
par E. Durand - Greville. 4". Bruxelles. Van Oest,
Librairie Nationale d'Art et d'Histoire.) Durand-Greville
kümmert sich nicht um ornamentale und Grabdokumente,
sondern hält sich an die reine Maltechnik. Er legt sei-
nen interessanten Schlüssen das Gemälde von St. Bavon
unter, das einzige, für welches der geschichtliche Erweis der
gemeinsamen Arbeit der beiden Brüder erbracht worden
ist. Indem er dort Figur für Figur prüft, weist er für alle
übrigen bekannten Bilder der Van Eyck mehr oder weniger
haarscharf nach, wie und wo die gemeinsame beziehungs-
weise individuelle Maltätigkeit der Brüder Van Eyck sich
geäußert hat. — Das mystische Lamm und die Verteidi-
gung des Hubert Van Eyck durch A. J. Wauters ist aber
nicht ohne Einspruch geblieben. Derselbe kommt von Seiten
von Fierens-Gevaert, des gelehrten Verfassers der »Vlämi-
schen Primitiven« (bei Van Oest, Brüssel). Fierens ruft die
italienischen Schriftsteller des 1 S.Jahrhunderts zu Zeugen, daß
das Talent von Jan Van Eyck dem Huberts gleich gepriesen
wurde. Das Rektabel wurde zweifelsohne von Hubert er-
sonnen und begonnen; letzterer starb aber schon 1426 und
vollendet wurde es von Jan, der erst 1432 verschwand. In
diesen sechs Jahren hat Jan trotz seiner großen Reisen, die
ihn selbst bis Portugal führten, die Tafeln völlig umgestalten,
ihnen jedenfalls den Stempel des eigenen Genies aufdrücken
können. Was die Inschrift auf dem Rahmen des einen
Berliner Van Eyckbildes betrifft, so sei dieselbe zu lücken-
haft, um die von Wauters willkürlich gegebene Auslegung,
daß Hubert durch Jans Kunst unterstützt wurde, rück-
haltlos anerkennen zu können. Dr. Münzer erzählte be-
kanntlich in seinem aus dem Jahre 1495 datierenden Reise-
journal unter anderem, daß dem Maler des Lammes, nach
Vollendung, des Rektabeis noch 600 Kronen über den be-
dungenen Kaufpreis hinaus bezahlt wurden. Wauters be-
hauptet, das ginge auf Hubert oder jener Preis, den Jan
erhalten, sei von dem Sakristan, der dem Dr. Münzer davon
sprach, übertrieben worden. Selbst des Kanonikus Antonio
de Beatis Reisebericht, dessen Original verloren gegangen
und dessen in Neapel aufbewahrte alte Überschreibung un-
genau ist, zerstört nicht den Glauben an die Mitarbeit von
Jan. Sagt doch auch der genannte Kanonikus, daß das

Rektabel vom Bruder vollendet wurde, der ebenfalls ein
großer Maler gewesen ist. Fierens-Gevaert, der noch weitere
Beweismittel für Jan und gegen Hubert anführt, ist der
Meinung, daß die Flugschrift von Wauters nicht so leicht
die Behauptungen von Dvorak, Voll, Hymans und anderen
Leuchten mehr entkräften wird, welche Jan einen großen
Anteil an der Herstellung der Tafeln des»Mystischen Lammes«
zusprechen. a. r.

H. Ludwig, Schriften zur Kunst und Kunstwissenschaft.
1. Über Darstellungsmittel der Malerei. 2. Über Kunst-
wissenschaft und Kunst. Aus dem Nachlaß heraus-
gegeben. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 80.)
120 S. 8°. Straßburg, Heitz, 1907. M. 4.50.
Diese 1874 und 1877 entworfenen Aufzeichnungen
lesen sich wie das vergessene Vermächtnis eines ernsten
und tiefen Geistes an eine verständnislose und unbelehr-
bare Nachwelt. Was Ludwig über die hohe Aufgabe des
Künstlers und die Erziehung des jungen Malers, über den
Zeichenunterricht, die Malmittel und die technische Schulung
an Hand der großen Renaissancekünstler predigt, das wird
wohl überall in unsrer Künstlerwelt als völlig abgestanden
und veraltet empfunden werden. Den überwältigenden
Siegeszug des französischen Impressionismus, der so ziem-
lich das genaue Gegenteil der Ludwigschen Anschauungen
zum Darstellungsprinzip machte, scheint Ludwig nicht im
entfernten geahnt zu haben. Besser hat die Kunstwissen-
schaft seinen Erwartungen und Mahnungen entsprochen.
Wenn er mit aller Leidenschaft des gewiegten Kenners der
Kunstforschung die genaueste Beachtung der jeweiligen
Technik empfiehlt, so hat sich das in"den letzten 30 Jahren
durch die wachsende Verfeinerung der Stilvergleichung
glänzend erfüllt und bewährt. Der Schluß des Schriftchens
mit^ den scharfgeschliffenen Schlagworten über die ver-
schiedenen Schulen und Künstler erscheint fast als geheime
Rüstkammer, aus der die Formeln unserer heutigen Literatur
entliehen sein könnten. Junge Kunsthistoriker werden also
aus der Lektüre für die Bildung des Geschmacks, der
technischen Einsichten und des sprachlichen Ausdrucks
großen Nutzen ziehen. Dr. H. Bergner.

FORSCHUNGEN

0 Hans Dürers Passionsgemälde auf den Außen-
seiten der Flügel des Silberaltars in der Jagellonenkapelle
des Krakauer Domes veröffentlicht Ignaz Beth im Jahrbuch
der Königl. preuß. Kunstsammlungen (XXXI, Heft 2). Die
Zuschreibung des Werkes an Albrecht Dürers Bruder, der
polnischer Hofmaler war (als solcher zuerst 1529 genannt),
gründet sich auf einen Rechnungseintrag vom Jahre 1535.
Auch stilistisch gehen die Bilder nach Beths Meinung mit
den Arbeiten Hans Dürers im Gebetbuch Kaiser Maxi-
milians, sowie seinem Anteil an Ehrenpforte und Triumph-
zug zusammen, in denen neben dem starken Einfluß
Albrecht Dürers eine Hinneigung zur Donauschule be-
merkbar ist. Von der künstlerischen Bedeutung ihres Ur-
hebers vermögen die Krakauer Bilder keine allzu hohe
Meinung zu geben.

Für die Kreuzabnahme des Flügelaltars aus der
Franziskanerkirche in Bamberg vom Jahre 1429, jetzt
im Nationalmuseum zu München, versucht Hans Semper
(Monatshefte für Kunstwissenschaft III, Heft 2) die gleiche
Darstellung des Simone Martini in der Galerie zu Ant-
werpen als Vorbild nachzuweisen. Die Übereinstimmung
bezieht sich auf die Gruppe des Joseph von Arimathia mit
dem Leichnam Christi, die so vor Simone nicht nachweis-
bar sei. Eine Beziehung ist sicher vorhanden, jedoch ist
die Gesamtanlage der Darstellung des Vorgangs der Kreuz-
abnahme auf dem Bamberger Altar so viel reicher und
entwickelter, daß die Annahme einer Reihe von Zwischen-
 
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