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IX. Internationale Kunstausstellung in Venedig
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Der Clou der Ausstellung ist diesmal Klimt. Oenau
wie vor zehn Jahren in Wien bleiben seine eigentüm-
lichen Dekorationen, welche er genötigt ist, entgegen
ihrem Wesen, mit Rahmen umgeben, als Bilder auszu-
stellen, für das Publikum und viele Künstler völlig unbe-
greiflich. Das blendende Weiß des Saales, die ungewohnte
Art der Aufstellung erhöhen natürlich die Verwunderung
diesen Rätseln gegenüber, und gerne verlassen die Schau-
lustigen die ihnen unbequeme und beängstigende Atmo-
sphäre, um den ihnen ebenso neuen aber verständlicheren
Zwintscher kennen zu lernen. Sie fangen an, der Gedanken-
tiefe dieses originellen Künstlers sich hinzugeben, der ihnen
jedoch ebenfalls allerlei Rätsel aufgibt, aller Lebensfreude
abhold zu sein scheint und den erwarteten Genuß auch
nicht aufkommen läßt. Viele verlassen auch diesen Saal
unbefriedigt und atmen erst auf bei Roll, der in zahl-
reichen Gemälden und Zeichnungen durch seine lustige
Farbenfröhlichkeit dem Durchschnittsgeschmack entspricht
und so gar nichts zu denken aufgibt. Schon von weitem
zieht der blendende Nacken einer Dame im schwarzen
Sammetkleid die Schaulustigen an. Zwei große Tierstücke
unterbrechen die Reihe all der rosigen Frauengebilde mit
und ohne Gewand. — Dem Andenken eines zweiten
Repräsentanten französischer Kunst hat man einen Raum
geweiht, dem 1824 in Marseille geborenen und dort 1886
verstorbenen Monticelli. Er bildet für die meisten eine
neue Bekanntschaft; und man fragt sich, wie es möglich
war, daß in einer Zeit der geleckten Ausführung diesen
skizzenhaft wirr und kraus hingeworfenen Sachen irgend
ein Verständnis entgegengebracht werden konnte. Das
leuchtende Kolorit, die lebhafte Phantasie macht diese Ex-
perimente des Pinsels allein genießbar.
Einen der Haupttreffer der Ausstellung hat /. Lavery
ausgespielt. In 50 Gemälden, meist großen Damenporträts,
fordert er die Bewunderung heraus, wozu nicht wenig die
Eleganz und Vornehmheit dieser englischen Typen bei-
trägt. Alle möglichen Sammlungen haben zu dieser stolzen
Bilderschau beigetragen. Bisher hatte man von ihnen nur
einzelne in schweren ernsten Tönen gehaltene Bildnisse
hier gesehen. So erklärt sich der große Erfolg. Die eng-
lische Malerei ist dann noch weiter und ebenfalls auf die
nobelste Weise im englischen Pavillon vertreten, wo natür-
lich vortreffliche Aquarelle nicht fehlen. Frankreich ist dann
außer durch den bereits genannten Roll weiter vertreten
durch Renoir und Courbet. Man hat dem Andenken
des letzteren durch diese Ausstellung keinen Dienst ge-
leistet. Was hier zu sehen ist, gibt denen, welche ihn
nicht kannten, aber von seiner einstigen bahnbrechenden
Stellung gehört haben, keinen richtigen Begriff. Die Bilder
sehen verschwärzt, schmutzig aus, eine Skizze zu den
einst so viel genannten Steinklopfern nicht ausgeschlossen.
Zwei lebensgroße nackte weibliche Figuren mit einem Papa-
gei spielend machen einen konventionell - akademischen
Eindruck, wogegen der »Verwundete« immer noch inter-
essiert. Noch weniger kann man begreifen, was die
37 Gemälde des alten Renoir uns heutigen Tages sagen
sollen, nachdem er längst überholt ist und nichts übrig
bleibt, als die schlechte Zeichnung seiner schwammig auf-
geschwollenen nackten Weiber mit ihren pausbackigen
Kindergesichtchen. Israels entschädigt dafür mit seiner
reichhaltigen Sammlung. Jedes seiner Gemälde ist nach
der einen oder anderen Richtung hin erfreulich, wenn auch
ein großer Saal mit denselben angefüllt fast des Guten
zu viel ist. Merkwürdig ist ein großes Gemälde, eine weibliche
Gestalt, sinnend im Grünen gelagert, aus seiner Jugendzeit.
Unendlich lebendig des alten Mannes Selbstporträt.
Zwei neue Erscheinungen sind auf unserer Ausstellung
— Polen und Tschechen und die Bulgaren im nächsten
Saale. Unter den Bildern ist das bemerkenswerteste ein
Aquarell in lebensgroßen ganzen Figuren von Svabinsky:
ein Familienbild; eine Gruppe in vielen Figuren von der
Großmutter bis zum Enkel und dem kleinen Haushünd-
chen. Alles in vortrefflicher Zeichnung und noch besonders
dadurch bemerkenswert, daß alle Markierung der tieferen
Schatten, alle feinere Modellierung scheinbar mühelos er-
reicht ist, durch mit Tusche aufgesetzte schwarze Schraf-
fierung. Nicht minder merkwürdig eine ganz große Pa-
stellzeichnung von feinster Wirkung von Axentovicz; in
reizender Gruppierung stellt uns der Künstler seine Familie
und sich selbst im Hintergrunde vor. Die ganze Sammlung
macht einen vornehmen Eindruck. Das Kabinett der Bul-
garen fällt auf durch seine reiche bunte Ausstattung. Die
Gemälde selbst sind nur interessant durch Darstellung bul-
garischer Zustände und Kostüme. In einem hübschen
Schranke ansprechende Töpfereien.
Der Belgische Pavillon ist diesmal ausschließlich von
den zahlreichen Landschaften Franz Courtens in Anspruch
genommen. In den rückwärtsliegenden Räumen fanden
Radierungen Aufstellung, sowohl belgischer Künstler, wie
der Societe des peintres-graveurs francais.
Der hochoriginelle höchst malerische Ungarische Pa-
villon hat zu seinem größten Vorteile einige Abänderungen
innerer Einteilung erfahren. Der große Saal ist in vier kleine
geteilt worden, so daß nun sieben Räume zur Verfügung
stehen. Der Bilderinhalt ist über allen Vergleich bedeu-
tender als der der letzten Ausstellung. Dem Eingang gegen-
über erfreut sofort ein großes nobles Damenporträt in ganzer
Figur in grauer Straßentoilette von Glatter, so wie im
nächsten Räume eine ausgezeichnet gemalter Akt in
ganzer Figur vom Rücken gesehen. Zwei gute Genrebilder
von Mannheimer sowie ein Eisenhammer von Scutezky
müssen rühmend genannt werden, sowie ein brennendes
Dorf von Vida. Hervorgehoben muß werden, daß unter
dem vielen Vortrefflichen, 185 Nummern umfaßt die Un-
garische Ausstellung, sich keinerlei Roheiten bemerkbar
machen, sondern nur ernstes Studium, eine erfreuliche
Wahl des Darzustellenden. Außerordentlich fein ist eine
kleine Zusammenstellung ungarischer Kleinkunst, Tonwaren,
Gläser, Gegenstände in gepreßtem Leder, Spitzen und Me-
tallarbeiten usw.
Auch die Bayerische Ausstellung ist diesmal weniger
kahl als die vorige, obgleich keine eigentlichen Treffer
vorhanden sind, wenn man nicht »Die Hölle« von Stuck
dafür gelten lassen will, welche den Ehrenplatz einnimmt.
Ihr zur Seite einige Porträts von Samberger. Sie sind voller
Leben und Geist trotz der so sehr in die Augen springen-
den Absicht, Lenbach nachzuahmen. Habermann ist
mit seinem Selbstporträt vertreten. Hegenbart mit zwei
prächtig gemalten Hunden. Schramm und Zügel geben
Bekanntes. Es würde richtiger sein, diese Ausstellung beim
wahren Namen zu nennen. Statt »Bayerische Ausstellung«
müßte sie benannt werden: »Münchener Sezession«. Man
bedauert hier lebhaft, daß die bayerische Kunst auch dies-
mal so spärlich vertreten ist. Mit Recht wird L. Dills
Sonderausstellung bewundert. Den Ehrenplatz nimmt sein
großes, 1882 entstandenes Bild »Venezianischer Kanal« aus
der Universitätsgalerie in Würzburg ein, sowie das schöne
Gemälde aus der Karlsruher Galerie: »Überschwemmte
Felder«. Außerdem schmücken den Raum außerordentlich
feine landschaftliche Temperastudien aus der Umgebung
von Dachau. Interessant ist, Dills Verwandlungen zu ver-
folgen von den beiden Porträts von 1872 und 1873 bis auf
den heutigen Tag, da er zu einem ihm eigentümlichen
Stile durchgedrungen ist.
In der Spanischen Abteilung sind nur zehn Künstler
vertreten, unter welchen gebührlich Zuloaga das Haupt-
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Der Clou der Ausstellung ist diesmal Klimt. Oenau
wie vor zehn Jahren in Wien bleiben seine eigentüm-
lichen Dekorationen, welche er genötigt ist, entgegen
ihrem Wesen, mit Rahmen umgeben, als Bilder auszu-
stellen, für das Publikum und viele Künstler völlig unbe-
greiflich. Das blendende Weiß des Saales, die ungewohnte
Art der Aufstellung erhöhen natürlich die Verwunderung
diesen Rätseln gegenüber, und gerne verlassen die Schau-
lustigen die ihnen unbequeme und beängstigende Atmo-
sphäre, um den ihnen ebenso neuen aber verständlicheren
Zwintscher kennen zu lernen. Sie fangen an, der Gedanken-
tiefe dieses originellen Künstlers sich hinzugeben, der ihnen
jedoch ebenfalls allerlei Rätsel aufgibt, aller Lebensfreude
abhold zu sein scheint und den erwarteten Genuß auch
nicht aufkommen läßt. Viele verlassen auch diesen Saal
unbefriedigt und atmen erst auf bei Roll, der in zahl-
reichen Gemälden und Zeichnungen durch seine lustige
Farbenfröhlichkeit dem Durchschnittsgeschmack entspricht
und so gar nichts zu denken aufgibt. Schon von weitem
zieht der blendende Nacken einer Dame im schwarzen
Sammetkleid die Schaulustigen an. Zwei große Tierstücke
unterbrechen die Reihe all der rosigen Frauengebilde mit
und ohne Gewand. — Dem Andenken eines zweiten
Repräsentanten französischer Kunst hat man einen Raum
geweiht, dem 1824 in Marseille geborenen und dort 1886
verstorbenen Monticelli. Er bildet für die meisten eine
neue Bekanntschaft; und man fragt sich, wie es möglich
war, daß in einer Zeit der geleckten Ausführung diesen
skizzenhaft wirr und kraus hingeworfenen Sachen irgend
ein Verständnis entgegengebracht werden konnte. Das
leuchtende Kolorit, die lebhafte Phantasie macht diese Ex-
perimente des Pinsels allein genießbar.
Einen der Haupttreffer der Ausstellung hat /. Lavery
ausgespielt. In 50 Gemälden, meist großen Damenporträts,
fordert er die Bewunderung heraus, wozu nicht wenig die
Eleganz und Vornehmheit dieser englischen Typen bei-
trägt. Alle möglichen Sammlungen haben zu dieser stolzen
Bilderschau beigetragen. Bisher hatte man von ihnen nur
einzelne in schweren ernsten Tönen gehaltene Bildnisse
hier gesehen. So erklärt sich der große Erfolg. Die eng-
lische Malerei ist dann noch weiter und ebenfalls auf die
nobelste Weise im englischen Pavillon vertreten, wo natür-
lich vortreffliche Aquarelle nicht fehlen. Frankreich ist dann
außer durch den bereits genannten Roll weiter vertreten
durch Renoir und Courbet. Man hat dem Andenken
des letzteren durch diese Ausstellung keinen Dienst ge-
leistet. Was hier zu sehen ist, gibt denen, welche ihn
nicht kannten, aber von seiner einstigen bahnbrechenden
Stellung gehört haben, keinen richtigen Begriff. Die Bilder
sehen verschwärzt, schmutzig aus, eine Skizze zu den
einst so viel genannten Steinklopfern nicht ausgeschlossen.
Zwei lebensgroße nackte weibliche Figuren mit einem Papa-
gei spielend machen einen konventionell - akademischen
Eindruck, wogegen der »Verwundete« immer noch inter-
essiert. Noch weniger kann man begreifen, was die
37 Gemälde des alten Renoir uns heutigen Tages sagen
sollen, nachdem er längst überholt ist und nichts übrig
bleibt, als die schlechte Zeichnung seiner schwammig auf-
geschwollenen nackten Weiber mit ihren pausbackigen
Kindergesichtchen. Israels entschädigt dafür mit seiner
reichhaltigen Sammlung. Jedes seiner Gemälde ist nach
der einen oder anderen Richtung hin erfreulich, wenn auch
ein großer Saal mit denselben angefüllt fast des Guten
zu viel ist. Merkwürdig ist ein großes Gemälde, eine weibliche
Gestalt, sinnend im Grünen gelagert, aus seiner Jugendzeit.
Unendlich lebendig des alten Mannes Selbstporträt.
Zwei neue Erscheinungen sind auf unserer Ausstellung
— Polen und Tschechen und die Bulgaren im nächsten
Saale. Unter den Bildern ist das bemerkenswerteste ein
Aquarell in lebensgroßen ganzen Figuren von Svabinsky:
ein Familienbild; eine Gruppe in vielen Figuren von der
Großmutter bis zum Enkel und dem kleinen Haushünd-
chen. Alles in vortrefflicher Zeichnung und noch besonders
dadurch bemerkenswert, daß alle Markierung der tieferen
Schatten, alle feinere Modellierung scheinbar mühelos er-
reicht ist, durch mit Tusche aufgesetzte schwarze Schraf-
fierung. Nicht minder merkwürdig eine ganz große Pa-
stellzeichnung von feinster Wirkung von Axentovicz; in
reizender Gruppierung stellt uns der Künstler seine Familie
und sich selbst im Hintergrunde vor. Die ganze Sammlung
macht einen vornehmen Eindruck. Das Kabinett der Bul-
garen fällt auf durch seine reiche bunte Ausstattung. Die
Gemälde selbst sind nur interessant durch Darstellung bul-
garischer Zustände und Kostüme. In einem hübschen
Schranke ansprechende Töpfereien.
Der Belgische Pavillon ist diesmal ausschließlich von
den zahlreichen Landschaften Franz Courtens in Anspruch
genommen. In den rückwärtsliegenden Räumen fanden
Radierungen Aufstellung, sowohl belgischer Künstler, wie
der Societe des peintres-graveurs francais.
Der hochoriginelle höchst malerische Ungarische Pa-
villon hat zu seinem größten Vorteile einige Abänderungen
innerer Einteilung erfahren. Der große Saal ist in vier kleine
geteilt worden, so daß nun sieben Räume zur Verfügung
stehen. Der Bilderinhalt ist über allen Vergleich bedeu-
tender als der der letzten Ausstellung. Dem Eingang gegen-
über erfreut sofort ein großes nobles Damenporträt in ganzer
Figur in grauer Straßentoilette von Glatter, so wie im
nächsten Räume eine ausgezeichnet gemalter Akt in
ganzer Figur vom Rücken gesehen. Zwei gute Genrebilder
von Mannheimer sowie ein Eisenhammer von Scutezky
müssen rühmend genannt werden, sowie ein brennendes
Dorf von Vida. Hervorgehoben muß werden, daß unter
dem vielen Vortrefflichen, 185 Nummern umfaßt die Un-
garische Ausstellung, sich keinerlei Roheiten bemerkbar
machen, sondern nur ernstes Studium, eine erfreuliche
Wahl des Darzustellenden. Außerordentlich fein ist eine
kleine Zusammenstellung ungarischer Kleinkunst, Tonwaren,
Gläser, Gegenstände in gepreßtem Leder, Spitzen und Me-
tallarbeiten usw.
Auch die Bayerische Ausstellung ist diesmal weniger
kahl als die vorige, obgleich keine eigentlichen Treffer
vorhanden sind, wenn man nicht »Die Hölle« von Stuck
dafür gelten lassen will, welche den Ehrenplatz einnimmt.
Ihr zur Seite einige Porträts von Samberger. Sie sind voller
Leben und Geist trotz der so sehr in die Augen springen-
den Absicht, Lenbach nachzuahmen. Habermann ist
mit seinem Selbstporträt vertreten. Hegenbart mit zwei
prächtig gemalten Hunden. Schramm und Zügel geben
Bekanntes. Es würde richtiger sein, diese Ausstellung beim
wahren Namen zu nennen. Statt »Bayerische Ausstellung«
müßte sie benannt werden: »Münchener Sezession«. Man
bedauert hier lebhaft, daß die bayerische Kunst auch dies-
mal so spärlich vertreten ist. Mit Recht wird L. Dills
Sonderausstellung bewundert. Den Ehrenplatz nimmt sein
großes, 1882 entstandenes Bild »Venezianischer Kanal« aus
der Universitätsgalerie in Würzburg ein, sowie das schöne
Gemälde aus der Karlsruher Galerie: »Überschwemmte
Felder«. Außerdem schmücken den Raum außerordentlich
feine landschaftliche Temperastudien aus der Umgebung
von Dachau. Interessant ist, Dills Verwandlungen zu ver-
folgen von den beiden Porträts von 1872 und 1873 bis auf
den heutigen Tag, da er zu einem ihm eigentümlichen
Stile durchgedrungen ist.
In der Spanischen Abteilung sind nur zehn Künstler
vertreten, unter welchen gebührlich Zuloaga das Haupt-