Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

DOI Artikel:
Noack, Friedrich: Urkundliches über Adam Elsheimer in Rom
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0266

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
515

Urkundliches über Adam Elsheimer in Rom

516

S. Lorenzo in Lucina eine Spur zu finden. Dagegen
enthält das Totenbuch derselben Pfarrei schon unterm
11. Dezember 1610 die kurze Trauerkunde:

»Adamo pittore di Francaforte germano morse
alla Strada Paolina, sepolto in S. Lorenzo die 11.«

So hat Elsheimers Eheleben nur knapp vier Jahre
gewährt, und im noch nicht vollendeten 33. Jahre
beschloß er sein reiches Künstlerleben unter Hinter-
lassung der Witwe mit einem kaum zweijährigen
Söhnchen. Durch die aktenmäßige Feststellung seines
Todesjahres wird die Legende zerstört, daß der um
1615 nach Rom gekommene Claude Lorrain noch
persönlich von ihm beeinflußt worden, und es wird
die Fabel hinfällig, daß sein wirtschaftliches Elend
durch eine kinderreiche Ehe bewirkt worden sei.
Aber vielleicht liegt doch in dieser Ehe der Grund
zu dem Kummer und Unglück seines Lebens. Diese
Vermutung läßt sich nicht abweisen, wenn man er-
fährt, daß Elsheimers Gattin binnen fünf Jahren mit
drei verschiedenen Männern verheiratet war. Eine
solche Frau muß doch wohl nicht ganz normal ge-
wesen sein. Die Register der Pfarrei S. Lorenzo in
Lucina berichten uns nämlich, daß am 25. September

1605 dem Maler Nicolas de Breul aus Verdun und
seiner Ehefrau »Carolae Antoniae De Stuard Ger-
manae« in Via del Babuino ein Sohn Franciscus ge-
tauft worden ist, der ihnen schon am 13. September

1606 wieder genommen wurde, und daß am 25. Ok-
tober 1606 auch der Vater Nicolas Breuel gestorben
ist. Zwei Monate später heiratete, wie oben bekundet,
die Witwe Carola Antonia den Adam Elsheimer. Als
nach vier Jahren auch der zweite Gatte gestorben war,
wartete die Witwe nur zehn Monate und zwanzig Tage
und schloß einen dritten Ehebund am 1. November
1611 mit dem römischen Maler Ascanio Quercia.
Laut Ausweis des Eheregisters von S. Maria del Po-
polo war hierbei wieder der Arzt Johannes Faber
Trauzeuge. Mit dem dritten Gatten und dem Sohn
aus zweiter Ehe Johann Franz, der früh gestorben zu
sein scheint, lebte CarPAntonia Stuart mehrere Jahre
in der Pfarrei S. Maria del Popolo, bis sie am 27. Sep-
tember 1620 in der Via del Babuino starb und in
der Kirche Trinitä dei Monti begraben wurde. Der
Sterbeakt in der Pfarrei S. Lorenzo in Lucina nennt
sie »Carl'Antonia Testarda de . . . moglie d'Ascanio
pittore«. Nicht mit voller Gewißheit, aber mit großer
Wahrscheinlichkeit muß auf dieselbe Frau die nach-
folgende, etwas oberflächliche Notiz im Stato d'Anime
vom Frühjahr 1611 der Pfarrei S. Maria del Popolo
bezogen werden: In einem Seitengäßchen zwischen
Corso und Via del Babuino wohnten: »Seriulo (?) di
anni 50, Germana d'anni 40 sua moglie, Giov. Fran-
cesco figliolo di anni 3«. Auf dieses Kind stimmen
Name und Alter des 1608 geborenen Söhnchens von
Elsheimer vollkommen, die »Germana«, deren Name
nicht angegeben ist, dürfte die Witwe Elsheimer sein,
die demnach kurz nach dem Tod ihres zweiten Gatten
vorübergehend mit einem anderen Manne so zusammen
gelebt hätte, daß der Pfarrer von S. Maria del Popolo,
der sie noch nicht genauer kannte, sie für Ehegatten
hielt und demgemäß notierte. Dieses Intermezzo wäre

dann durch die am 1. November 1611 geschlossene
Ehe mit Quercia beendigt worden. Das vorliegende
Material berechtigt, so lange keine anderen bestimm-
teren Nachrichten vorliegen, zu der Annahme, daß
die Not und der Kummer in Elsheimers letzten Lebens-
jahren, wovon seine Biographen in dunkeln An-
deutungen reden, durch die Ehe mit Carl'Antonia
geschaffen worden sind.

In verschiedenen Lebensbeschreibungen wird von
einer Unterstützung geredet, die Papst Paul V. dem
Künstler zugewandt habe. Baglione, der Elsheimer
noch persönlich gekannt haben kann und daher als
der zuverlässigste Gewährsmann gilt, sagt darüber
wörtlich: »Ebbe per moglie una Scozzese, e per po-
tere piü agiatamente vivere, era dal palazzo Apostolico
lor somministrata ragionevole provvisione«. Nach
damaligem Sprachgebrauch bedeutet »provvisione«
eine regelmäßige Vergütung, ein festes Gehalt. Ver-
schiedene Künstler haben für bestimmte Dienstleistungen
vom päpstlichen Hof solche provvisioni bezogen. Die
Rechnungsbücher der Depositaria Generale der päpst-
lichen Kammer, in denen derartige Zahlungen gebucht
sind, enthalten aber keine Spur von einer Zahlung
an Elsheimer; ebensowenig habe ich in den Büchern
der Tesoreria Segreta oder im Archiv Borghese etwas
derartiges gefunden. Es läge sonst nahe zu glauben,
daß die Familie Pauls V., die so viele Künstler be-
schäftigt hat, auch dem genialen Deutschen etwas zu-
gewandt habe; aber ein Beleg dafür ist bis jetzt nicht
beigebracht. Welcher Art die päpstliche Zuwendung
war, von der Baglione spricht, bleibt einstweilen dunkel.
Auf eine Fährte möchte ich jedoch hinzuweisen nicht
unterlassen, die vielleicht zum Ziele führen kann. Der
obige Wortlaut bei Baglione, der gleichzeitig mit Els-
heimer in Rom gelebt und gewirkt hat, läßt die Deu-
tung zu, daß es sich nicht um eine Vergütung für
künstlerische Leistungen und überhaupt um keine
Zahlung an den Künstler handelte, sondern um eine
Unterstützung an die Frau. Diese durch den Zu-
sammenhang des Satzes gebotene Auslegung gewinnt
eine gewisse Stütze durch eine Notiz im Taufregister
von S. Lorenzo in Lucina, aus der hervorgeht, daß
Frau Carl'Antonia schon vor ihrer Vermählung mit
Elsheimer freundschaftliche Beziehungen unter dem
päpstlichen Hofgesinde hatte. Bei der Taufe ihres
Söhnchens aus der Ehe mit dem französischen Maler
Breul im Jahre 1605 vertrat nämlich ein gewisser
»Ludovico Dabeain, Cubicularius Pauli V.« Patenstelle.

Aus der Zugehörigkeit Elsheimers zur römischen
Malerakademie S. Luca wäre man zu folgern geneigt,
daß er schon bei Lebzeiten unter den italienischen
Fachgenossen großes Ansehen genoß. Aber man
darf nicht übersehen, daß die Akademie, die sich im
Lauf der Zeiten wiederholt umgestaltet hat, am An-
fang des 17. Jahrhunderts nicht dasselbe war wie zur
Zeit des Mengs oder Thorwaldsens. Um 1600 war
die Aufnahme eines Fremden in die Lukas-Akademie
noch nicht gleichbedeutend mit einer feierlichen Aus-
zeichnung für hervorragende Leistungen; vielmehr bil-
deten die Lukasgenossen damals gleich den übrigen
Zünften eine kirchliche Bruderschaft von Fachgenossen,
 
Annotationen