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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 20.1909

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Widmer, Karl: Handwerk und Maschinenarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.4598#0057

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HANDWERK UND MASCHINENARBEIT







Halbindirekte und indirekte Bogenlampen

der Allgemeinen Electricitäts-Geseilschaft,

gestaltet von Peter Behrens.

wenn er zum Handwerk greift, um das zu
erlangen, was, rein praktisch genommen,
die Maschine ebenso gut und weit billiger
herstellt.

Dazu kommen die Künstlerhonorare.
Früher hatte sich die Kunst ganz von
selbst zum Handwerk gesellt. Niemand
war es eingefallen, einem mittelalter-
lichen Handwerker den künstlerischen
Gedanken für einen Kleiderschrank zu
honorieren. Eine Trennung zwischen
Kunst und Nichtkunst hat es überhaupt
nicht gegeben. Heutzutage wird die Ar-
beit gleichsam von außen zur Kunst her-
aufgehoben, und Künstler, nicht Hand-
werker, haben das moderne Kunsthand-
werk ins Leben gerufen. Die Künstler
lassen sich für ihre geistige Arbeit auch
Künstlcrpreise zahlen. Die »Original-
entwürfe« fallen schwer ins Gewicht der
Preisbildung.

Das sind Dinge, welche der Ver-
breitung des Kunsthandwerks ihre be-
stimmten, materiell bedingten Grenzen

ziehen. Sein sozialer Rang hat sich sozusagen nach oben
hin verschoben. Es ist vornehmer, aber auch exklusiver
geworden; zu einem künstlerischen Luxus, wie die Malerei
und Bildhauerei. Ein handgeknüpfter Teppich, eine hand-
gemalte Vase, »die nur einmal existiert«, rangieren mit
einem Bild oder mindestens mit einer Originalradierung.
Und mag es in noch so bescheidenen Grenzen auftreten,
es behält doch immer seinen Ausnahmecharakter. Es
setzt einen Kreis von Kennern voraus, die seine künst-
lerischen Vorzüge zu schätzen wissen. Mitdem steigenden
Wohlstand und dem wachsenden Kunstverständnis ist
dieser Kreis heute verhältnismäßig groß geworden. Das
Kimsthandwerk ist zu einem Faktor in unserer heutigen
Kultur geworden, mitdem man auch wirtschaftlich wieder
rechnen darf. Das ändert aber nichts an der Tatsache,
daß die Grundlage unserer heutigen Produktion die
Maschinenarbeit und nicht das Handwerk ist. Unsere
Möbel sind Maschinenmöbel, unsere Gebrauchsgeräte
kommen aus der Fabrik, nicht aus Künstlerwerkstätten.
Die Maschine bestimmt den Durchschnittscharakter der
Arbeit und das Niveau des Geschmacks.

Damit beschränken sich also die Aussichten, eine
künstlerische Kultur auf das Handwerk zu gründen, auf
das Maß, das ihm seine wirtschaftliche Existenzmöglichkeit
vorschreibt. Die Frage: Maschine oder Handwerk? darf
die wichtigere Frage nicht ausschließen: was läßt sich von
der Maschine erwarten?

Hier muß man nun wohl unterscheiden, was die Ma-
schine leisten kann und was nicht. Es gibt künstlerische
Reize, welche nur dem Handwerk eigen sind; es gibt
künstlerische Werte, die auch der mechanischen Ver-
vielfältigung durch die Maschine zugänglich sind. Nie-
mand kann z. B. den künstlerischen Charakter einer
Handschnitzerei, wie wir sie auf alten Schränken finden,
durch einen Holzguß wiedergeben; was herauskommt,
ist eine künstlerische Falschmünzerei, die nur ein ganz
ungebildetes Auge bestechen kann. Aber für die Schön-
heit eines Sdirankes macht es gewiß nichts aus, wenn die
Bretter, aus denen er zusammengesetzt ist, auf der Ma-
schine gesägt sind: wenn er nur zweckmäßig konstruiert,
solid gearbeitet und gut in den Verhältnissen ist.

Die Grenzen, welche der Maschinenarbeit gesetzt
sind, hängen also davon ab, wie weit eine Arbeit den
selbständigen Einfluß der ausführenden Menschenhand
voraussetzt. Das bezieht sieh, auf das Kunsthandwerk
angewandt, vor allem auf das Ornament. ]e mehr eine
Ornamentform auf selbständige künstlerische Bedeutung
Anspruch macht, desto unbrauchbarer ist sie für die Ma-
schine. Es ist geschmacklos, die Bemalung einer Meißner
Tasse, deren Wert gerade auf der persönlichen Aus-
führung durch die menschliche Hand beruht, nachzu-
drucken, le einfacher, neutraler aber eine Ornamentform
ist, desto besser eignet sie sich auch zur maschinellen
Herstellung. Abstrakte Linien und Linienkombinationen:
 
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